Stellungnahme zum Meinungsbild zu den künftigen Straßennamen in Rheinau – Süd
AK Kolonialgeschichte Mannheim:
Für die Erstellung eines Meinungsbildes zur Auswahl der künftigen Straßennamen in Rheinau-Süd hat ein vorbildliches demokratisches Beteiligungsverfahren stattgefunden. Wir danken allen, die sich engagiert und beteiligt haben. Während des Abstimmungsprozesses konnte unser Arbeitskreis Kolonialgeschichte eine öffentliche Auseinandersetzung über den Deutschen Kolonialismus und Mannheims Rolle darin in Gang setzen. Auch wenn es an der einen oder anderen Ecke noch etwas gehakt hat, war der Prozess für Mannheim und auch für andere Städte ein gutes Beispiel für Demokratie.
1236 Personen haben für Miriam Makeba votiert, 980 für Wangari Maathai, 925 für May Ayim und 827 für Rudolf Duala Manga Bell. Das zeigt uns, dass viele Mannheimer*innen Personen wählten, die für Weltoffenheit und Vielfalt und gegen Kolonialismus und Rassismus stehen. Allerdings gelang es der BASF-Siedlergemeinschaft Rheinau-Süd, noch mehr Menschen in Rheinau-Süd und vor allem auch in der Gesamtstadt für die Wahl europäischer bzw. deutscher Personen zu motivieren, die im Kontext kolonialer Eroberungen standen. Die Siedlergemeinschaft lehnte von Anfang an afrikanische Menschen als Namensgeber:innen ab und verwahrte sich dagegen, die Namen von Kolonialisten bewusst durch die Namen von Personen zu ersetzen, die sich gegen Kolonialismus und Rassismus engagiert haben. Immer wieder brachten Vertreter:innen der Siedlergemeinschaft zum Ausdruck, dass sie eine Auseinandersetzung mit der Straßenbenennung von 1935 (aus der NS-Zeit!) nach Kolonialverbrechern als Zumutung empfinden.
Die Abstimmung hat in einer Zeit stattgefunden, in der politische Weichen zur Beibehaltung neokolonialer Strukturen gestellt werden. Das Asylrecht wird demontiert und es wird in Kauf genommen, dass Tausende Geflüchtete im Meer ertrinken. Menschen aus anderen Kontinenten werden fern gehalten und gleichzeitig werden deren Länder ausgebeutet, um unseren Wohlstand zu sichern: durch Seltene Erden, Blumen, Lebensmittel, grünen Wasserstoff und vieles mehr.
Aus dem Ergebnis ziehen wir als Arbeitskreis Kolonialgeschichte den Schluss, dass wir unsere Arbeit fortsetzen und mehr Menschen erreichen wollen. Das Ende der deutschen Kolonien war nicht das Ende von Rassismus und Ausbeutung anderer Kontinente. Deshalb bleibt es Aufgabe der Verwaltung, der Politik und der Bürgerschaft, die Anteile Mannheims an der deutschen Kolonialherrschaft aufzuarbeiten, die vielen Facetten des Rassismus und Neokolonialismus auch auf kommunaler Ebene zu thematisieren und Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen. Das heißt, Verantwortung zu übernehmen für koloniales Unrecht, das bis heute wirksam ist:
- die über 40 000 kolonialzeitlichen Bestände der Reiß Engelhorn Museen. Detaillierte Informationen darüber müssen weltweit verfügbar gemacht werden, so dass eine Rückgabe an die Herkunftsgesellschaften erfolgen kann. In Mannheim steht eine Auseinandersetzung mit der Geschichte und Rolle des Museums Weltkulturen noch aus.
- die Auseinandersetzung mit Mannheimer Persönlichkeiten, die Kolonialverbrechen, Rassismus und Ausbeutung der Kolonien repräsentieren und die bis heute geehrt werden.
- eine breite Positionierung in der Stadt gegen den alltäglichen Rassismus und die Ideologie der Ungleichheit der Menschen, die im Kolonialismus begründet sind.
Die Festlegung der endgültigen Straßennamen durch den Gemeinderat steht noch aus. Die Gemeinderät*innen können immer noch für Straßennamen votieren, die zur Mannheimer Erklärung für ein Zusammenleben in Vielfalt passen, indem sie Respekt und Wertschätzung von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Hautfarbe, Sprache, Orientierung oder Religion ausdrücken.
Red.