Wärmewende: Experten informierten über regionale Geothermie-Pläne
Am 23. Oktober besuchte die Stadträtin Dr. Jessica Martin (Klimaliste, Fraktion LTK) eine Podiumsdiskussion der Bürger-Interessen-Gemeinschaft Lindenhof e.V. (BIG) zum Thema Geothermie in Mannheim. Zu den Gästen zählten der Bundestagsabgeordnete Konrad Stockmeier (FDP), Staatssekretär Dr. Andre Baumann, der Leiter der Unteren Wasserbehörde der Stadt Mannheim, Dr. Jürgen Hammer, sowie Stefan Ertle von der Firma Geohardt. Moderiert wurde die Veranstaltung von Ulrich Holl und Uwe Buckenauer von der BIG Lindenhof, die einige Fragen voranstellten: Was gibt es Neues zu Geothermie-Aktivitäten in Mannheim? Wie ist die Sicherheit der Geothermie? Wie wird der Ausbau vom Land und der Stadt begleitet? Was machen Betreiber, um Anlagen erfolgreich zu betreiben?
In Zeiten der Klimakrise und der zunehmenden Notwendigkeit, alternative Energiequellen zu erschließen, rückt die Geothermie als wesentlicher Faktor für die Wärmewende immer stärker in den Fokus der öffentlichen Diskussion. Diese Form der Energiegewinnung nutzt die natürliche Wärme aus dem Erdinneren und bietet eine potenziell nachhaltige und umweltschonende Alternative zu fossilen Energieträgern. Doch trotz ihrer Vorteile wird die Geothermie kontrovers diskutiert: Während Befürworter ihre nahezu unbegrenzten Ressourcen und äußerst geringe Emissionen hervorheben, warnen Kritiker vor möglichen Risiken wie Erdbeben und hohen Kosten. Doch welche Chancen und Herausforderungen bringt die Geothermie wirklich mit sich?
Keine Fracking-Methoden erlaubt
Hierzu stellten die Veranstalter gleich zu Beginn klar, dass bei der geplanten Erdwärmegewinnung ausschließlich das Verfahren der hydrothermalen Geothermie zum Einsatz kommt. Bei diesem Verfahren werden natürliche Reservoirs mit zirkulierendem Thermalwasser genutzt. In einem geschlossenen Kreislauf wird heißes Thermalwasser zur Wärmenutzung in eine Geothermieanlage an der Erdoberfläche gefördert und das abgekühlte Wasser im Anschluss wieder in die wasserführende Gesteinsschicht zurückgeleitet. Bei der petrothermalen Geothermie dagegen, wie sie beispielsweise bei Straßburg oder Basel zum Einsatz gekommen ist, müssen Risse erst künstlich durch Fracking geschaffen oder erweitert werden, die dann als unterirdische Wärmetauscherflächen dienen. Diese sei jedoch in Deutschland verboten. Hierzulande ist nur die hydrothermale tiefe Geothermie erlaubt, die als risikoarm gilt.
Die Firma Geohardt plant ein Drittel der Fernwärmeversorgung im Raum Mannheim mit Geothermie abzudecken – ein wichtiger Schritt zur Fernwärme-Dekarbonisierung und auf dem Weg der Stadt Mannheim, bis 2030 klimaneutral zu werden. In Voruntersuchungen seien um die 70 Quadratkilometer östlich von Mannheim bis Walldorf untersucht worden. Diese zeigten, dass die geologischen Gegebenheiten als sehr gut zu betrachten seien. Basierend auf den Untersuchungen kämen mehrere Standorte infrage und es sei auch bereits eine Präferenz klar geworden. Der genaue Standort sei jedoch noch nicht spruchreif, weil noch nicht geklärt sei, ob dieser auch genehmigt werde. Der Zeitrahmen bis zum Baubeginn sei nun hauptsächlich abhängig von mehrschrittigen Genehmigungsverfahren.
Was die Genehmigungsverfahren angeht, gibt es aktuell eine erst kürzlich von der Bundesregierung beschlossene Neuerung im Bundesgesetz. Der Gesetzentwurf erfasst Vorhaben zur Aufsuchung und Gewinnung von Energie aus Geothermie sowie Wärmepumpen und Wärmespeicher. Diese Vorhaben sollen in ihrer Schlüsselrolle gestärkt werden und daher bei behördlichen Abwägungen als Belang mit einem überragenden öffentlichen Interesse gewichtet werden. MdB Stockmeier ergänzte per Videoschalte aus Berlin, das Ziel der Gesetzesreform sei die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Dabei betonte er, dass dadurch keine Lockerung der Kriterien stattfindet, sondern lediglich der Zeitrahmen für Entscheidungen festgelegt werde.
Bayern: Geothermie liefert mehr Wärme als das GKM
Aus dem Beitrag von Herrn Dr. Hammer wurde schnell klar: Die Stadt Mannheim hat nur eine begleitende Rolle. Geothermieanlagen unterliegen zunächst der bergrechtlichen Genehmigungspflicht. Die Landesbergdirektion des Regierungspräsidiums Freiburg ist dabei die genehmigende Behörde. Antragssteller sei Vulcan Energy. Die Untere Wasserbehörde habe zwar nur eine vermittelnde und beratende Rolle, begrüße aber die Geothermie-Erschließung ausdrücklich. Als Vorbild für die Geothermieanlage könne nach Herrn Ertle von Geohardt die Anlage in Bruchsal dienen, die von mittlerer Größe sei und bis in eine Tiefe von 2,5 km reiche. Sie versorgt 20.000 Haushalte mit Fernwärme und habe unter Berücksichtigung der Sicherheitsstandards nie Seismizität ausgelöst. Weiterhin werden in Bayern über verschiedene Geothermieanlagen hinweg bereits 2,8 Terawattstunden pro Jahr gefördert, was die thermische Leistung des Großkraftwerks Mannheim übertreffe.
Im Laufe der Diskussion beschrieben die Teilnehmer verschiedene technische Sicherheitsmaßnahmen. Herr Baumann nannte dabei das 3D-seismische Monitoring, das gegenüber dem Bau früherer Anlagen eine Neuerung darstelle. Eine Live-Überwachung der Seismik, die mittels eines Ampelschemas seismische Aktivität abbilde, führe dazu, dass Bohrungen rechtzeitig heruntergefahren werden können. Zur Überwachung seien in einem Umkreis von 3 bis 4 km Geophone angelegt. Dr. Hammer ergänzte, diese seien derart sensibel, dass sogar das sonntägliche LKW-Fahrverbot abgebildet werden könne. Neben der Umfeldmessung an der Erdoberfläche werden auch im Bohrkopf in der Tiefe Sensoren eingesetzt.
Angesprochen auf einen Schadensersatz bei Beschädigung von Bausubstanz durch Erdbeben, beschrieb Staatssekretär Dr. Baumann eine dreistufige Absicherung. Unternehmen seien vom Baden-Württembergischen Umweltministerium zu einer Haftpflichtversicherung verpflichtet. Diese greife im ersten Schritt und umfasse eine Absicherung von 20 Millionen pro seismischem Ereignis für maximal 2 Ereignisse pro Jahr. Im zweiten Schritt zahle die Bergschadensausfallkasse. Wenn das nicht ausreiche, müssen im dritten Schritt die beteiligten Unternehmen Geohardt und Vulcan Energy bis zur Insolvenz haften. In jedem Fall bestehe eine Verpflichtung zur vollständigen Schadensregulierung. MdB Stockmeier betonte, dass die Änderung des Geothermiegesetzes nicht die zusätzlichen Sicherungmaßnahmen der Landesebenen konterkariere.
Im zweiten Teil der Podiumsdiskussion ging es um eine mögliche Lithium-Gewinnung. Stockmeier vertrat dabei die Meinung, dass diese hauptsächlich von kommerziellem Interesse sei und seiner Meinung nach nicht von Steuerzahlern subventioniert werden soll. Staatssekretär Baumann unterstrich die immens wichtige Rolle des „weißen Goldes“ für die E-Mobilität, einem wesentlichen Baustein zur Erreichung der Klimaziele im Verkehrssektor. Er bestätigte, dass keine Steuermittel zum Einsatz gebracht werden, jedoch Forschungsmittel des Landes für gezielte Forschungsprojekte eingesetzt wurden. Dr. Hammer ergänzte, dass Lithium nirgends so umweltfreundlich gewonnen werden kann wie aus Thermalwasser. Das bisher verwendete Lithium aus Überseeregionen werde zumeist unter fragwürdigen Umständen für Mensch, Tier und Umwelt gefördert. Die Firma Geohardt besitzt das Bergrecht auf Lithium. Herr Ertle stellte klar, dass das Lithium trotz der großen Vorteile bei der Wertschöpfung eine nachrangige Rolle einnehmen wird. Erst nach der Wärmeextraktion bei ca. 60 Grad wird unter Druck das Lithium aus dem Thermalwasser entnommen.
Auch für Geothermie gelten Umwelt-, Natur- und Gewässerschutz
In der anschließenden Diskussion hatten Besucher:innen die Möglichkeit, ihre Fragen zu stellen. Dem Bedenken, dass die Gewichtung von Geothermievorhaben bei behördlichen Abwägungen als „Belang mit einem überragenden öffentlichen Interesse“ möglicherweise zu einem verminderten Umwelt-, Natur- und Gewässerschutz führen könne, wurde entgegengesetzt, dass die geltenden Gesetze im Natur- und Wasserschutz auch weiterhin ihre Gültigkeit behalten. Eine Gefährdung der Umwelt durch entstehende Rückstände oder Schlämme sei nicht zu erwarten, da es sich bei der Anlage um einen geschlossenen Wasserkreislauf handelt, bei dem lediglich Wärme und – über einen Magneten – Lithium entnommen wird. Das Thermalwasser wird dann über ein zweites Bohrloch in die Tiefe zurückgeführt.
Eine Frage nach den zukünftigen Strompreisen konnte zwar nicht abschließend beantwortet werden, da Preise immer abhängig vom Markt seien. Da die tiefe Geothermie jedoch Wärme von 160 bis 170 Grad Celsius fördert, ist sie sehr effizient und benötigt verhältnismäßig wenig Strom. Zu guter Letzt wird somit also auch noch ein wesentlicher Vorteil der Tiefen Geothermie gegenüber der Flusswärmepumpe – als einzig weitere klimaneutrale Option der Wärmeerzeugung – offensichtlich: Während der Preis der Flusswärme aufgrund des relativ hohen Strombedarfs hauptsächlich von diesem abhängig ist, bietet die Geothermie die Möglichkeit, die Preisentwicklung stabil und weitgehend unabhängig von Strompreisschwankungen zu halten.
Insgesamt wurde deutlich, dass die Geothermieanlage als Vorzeigeprojekt zu hundert Prozent gelingen soll und von allen Beteiligten eine hohe Akzeptanz angestrebt wird. Ein besonderer Dank geht an die BIG Lindenhof für die Organisation dieser hochkarätigen Veranstaltung mit der Möglichkeit, sich direkt am Puls politischer Entscheidung und planerischer Prozesse zu informieren.
Beitrag der Fraktion LTK im Mannheimer Gemeinderat