Eile ist geboten: Mannheim darf nicht aus der Mietpreisbremse herausfallen!

Oberbürgermeister Specht muss sich im Interesse der Mannheimer Bürgerinnen und Bürger gegen die Landesregierung wehren!

1012 Sozialwohnungen in Mannheim fallen in den kommenden 10 Jahren aus der  Mietpreisbindung. (Bild: KIM)

Das Land Baden-Württemberg will die Mietpreisbremse bis Ende 2029 verlängern.

Aber: Ab dem 1. Januar 2026 soll Mannheim aus dem Geltungsbereich der Mietpreisbremse herausfallen, nachdem die Mietpreisbremse in Mannheim für vier Jahre gegolten hat. In 130 Gemeinden, aktuell sind es 89, soll die Mietpreisbremse gelten, da dort im Gegensatz zu Mannheim ein „angespannter Wohnungsmarkt“ herrsche. 84 Städte und Gemeinden werden neu in die Mietpreisbremse aufgenommen, 46 Städte und Gemeinden bleiben in der Gebietskulisse und 43 Städte und Gemeinden fallen heraus. Dazu gehören auch einige größere Städte wie Mannheim und Konstanz. Unter dem Strich fallen auf die Bevölkerungsanzahl heruntergebrochen weniger Menschen in den Geltungsbereich der Mietpreisbremse. Waren es vorher 36%, so sollen es zukünftig nur noch 33% sein.

Es stellen sich viele Fragen:

Warum gilt in Mannheim nicht die Mietpreisbremse, welche Indikatoren sprechen dafür und welche dagegen? Wie ist das genaue Ergebnis der Einordnung von Mannheim? Aus dem Gutachten, das die Landesregierung beauftragt hat,  ist nur die Einordnung der Gemeinden dokumentiert, die es in den Geltungsbereich der Mietpreisbremse geschafft haben.

Ist es nachvollziehbar, dass die Großstadt Mannheim nicht unter die Mietpreisbremse fällt, auch nicht die kreisfreie Stadt Weinheim, dafür eher kleinere und z-T. ländlich geprägte Gemeinden im Rhein-Neckar-Kreis wie Edingen-Neckarhausen, Heddesheim, Reilingen und Neulußheim unter die Mietpreisbremse fallen?

Der Mieterverein Stuttgart ist empört:

„Wenn in den Städten Leinfelden-Echterdingen, Ditzingen, Bietigheim-Bissingen, Remseck, Weinstadt, Wendlingen, Winnenden und Waiblingen zum 1. Januar 2026 die Mietpreisbremse aufgehoben wird, werden die Angebotsmieten dort ungebremst steigen.“ Damit steige auch der Druck auf den Wohnungsmarkt in Stuttgart.

Der Deutsche Mieterbund Baden-Württemberg hält vor: „Wenn gemäß dem neuen Gutachten nun Städte wie Konstanz, Mannheim und viele Gemeinden im Umland der Ballungszentren, wie beispielsweise um Freiburg, herausfallen, so verkennt das Gutachten der Landesregierung die reale Situation am Wohnungsmarkt und ist grundsätzlich in Frage zu stellen. Nichts verdeutlicht dies mehr als ein tagesaktueller Blick auf die überhöhten Angebotsmieten in einschlägigen Wohnungsportalen.“

Deutscher Mieterbund DMB: Auch in Mannheim nicht nachvollziehbar

Der Deutsche Mieterbund hält in besagter Erklärung auch die Einordnung Mannheims nicht nachvollziehbar:

Kein „angespannter Wohnungsmarkt“ in Mannheim?

„So sind heute bei der Suche nach einer Drei-Zimmer-Wohnung mit 75 qm in Mannheim 256 Angebote bei Immoscout gelistet. Bei einer Begrenzung der Suche auf Angebote mit einer Kaltmiete pro Quadratmeter von 14 Euro sind es gerade noch 59 Angebote und bei einem Quadratmeterpreis von 10 Euro Kaltmiete sind es nur noch drei Angebote. Dabei weist der aktuelle Mietspiegel für Mannheim eine Durchschnittsmiete von 9,19 €/qm. Weil die Mietpreisbremse bei 10 Prozent über Mietspiegelwert greift, liegen gerade einmal 13 von 256 Angeboten im Durchschnitt unterhalb des gesetzlich zulässigen Mietpreises.“

Offensichtlich gilt die Mietpreisbremse z.T. in Gemeinden mit vergleichsweise niedrigerem Mietniveau als in Gemeinden mit höherem.

Zweifel an der Systematik und Wissenschaftlichkeit des Gutachtens

Es werden deshalb berechtigte Zweifel an der Systematik des Gutachtens geäußert.

„Die extrem hohen Angebotsmieten in vielen Kommunen des Landes zeigen den angespannten Wohnungsmarkt mehr als deutlich und dass das Gutachten und die zugrundeliegenden Kriterien zwingend zu überarbeiten sind. Es kann nicht sein, dass immer mehr Menschen keine bezahlbare Wohnung mehr finden, es immer weniger Sozialwohnungen gibt, die Baugenehmigungen im Keller sind und gleichzeitig das einzige Instrument gegen unverhältnismäßig steigende Angebotsmieten trotz großem Wohnungsmangel beseitigt werden soll“, so Rolf Gaßmann vom DMB Baden Württemberg weiter.

Und weiter der DMB: „So gibt es gute Argumente dafür, drei statt vier Kriterien als Nachweis für mangelnde Wohnraumversorgung für ausreichend zu erachten. So interagieren die Kategorie des Wohnungsversorgungsgrads sowie die Kategorie des Verhältnisses der Zuzüge von Haushalten und der Neubaustätigkeit miteinander. Wenn die Zahl der Haushalte wächst, ist zwangsläufig auch ein Zuzug von Haushalten mit enthalten. In Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten erreicht das Bevölkerungswachstum eine Grenze: Wenn es keine freien Wohnungen gibt, kann die Bevölkerung auch nicht mehr wachsen.“

Die Linke, die Fraktion LTK, SPD und Grüne halten dagegen

Die Linke und die Fraktion LTK fordern eine Offenlegung der Kriterien für die Mietpreisbremse auch für die Gemeinden, die nicht unter die Mietpreisbremse fallen. Aufgrund der systemischen Mängel des vorliegenden Gutachtens fordern sie, dass die Stadt Mannheim mit anderen Kommunen ein alternatives Gutachten beauftragt. Sie fordern Oberbürgermeister Specht auf, sich aktiv diesbezüglich gegen die Landesregierung zu wehren. Gegebenenfalls sollte die Stadt Mannheim den Klageweg beschreiten.

Die Landesregierungen der einzelnen Bundeländer haben in ihrer Rechtsverordnung eine gewisse Gestaltungsfreiheit bzgl. der Umsetzung der Mietpreisbremse.

In der Rechtsverordnung in Baden-Württemberg wurde festgelegt, dass bei den Gemeinden von fünf Indikatoren mindestens vier zutreffen müssen, damit die Mietpreisbremse gilt. In Mannheim haben offensichtlich nur drei Indikatoren zugetroffen. Es könnte sein, dass drei Indikatoren übererfüllt worden sind, zwei Indikatoren knapp gerissen. Dann fällt die Gemeinde aus dem Geltungsbereich. Andersherum kann eine Gemeinde vier Indikatoren gerade so erfüllen, ein fünfter Indikator klar verfehlen, so erhält diese Gemeinde die Einordnung als Gemeinde mit angespanntem Wohnungsmarkt.

Mietpreisbremse von der Landesregierung in Baden-Württemberg unerwünscht?

In Bayern fallen 208 Gemeinden unter die Mietpreisbremse, in Baden -Württemberg sind es 130 Gemeinden. Wie ergibt sich dieser Unterschied von über 50%, obwohl der Bevölkerungsunterschied von Baden-Württemberg zu Bayern nur 18 % beträgt? Offensichtlich sind die Vorgaben der Baden-württembergischen Landesregierung so gestaltet, dass die Zahl der Gemeinden mit Mietpreisbremse prozentual wesentlich viel niedriger in Baden-Württemberg als in Bayern.

Während SPD, Grüne(*), Linke und der Deutsche Mieterbund für ein Bestehen und einen Ausbau der Mietpreisbremse werben, ist die Wirkung nicht unumstritten: Marktkonforme Politiker, einige marktkonforme Ökonomen und Interessenvertreter wie Haus und Grund meinen, die Preisbremse hemme den Wohnungsbau und die Vermietung.

Bauministerin Razavi erklärte am 14.10.: „Mir wäre es am liebsten, wenn wir dieses Instrument nicht bräuchten.“ Sie hoffe, dass es gelingt, den Wohnungsbau in den kommenden Jahren mit passenden Maßnahmen so zu fördern, dass die jetzige Verlängerung die letzte ist und die Mietpreisbremse Ende 2029 endgültig ausläuft.“

Offensichtlich ist die Mietpreisbremse von dieser Landesregierung gar nicht gewollt. Entsprechend ist das Ergebnis.

(*) Die Grünen erklären sich zwar gegen den Rausfall Mannheims und anderer Kommunen aus dem Geltungsbereich der Mietpreisbremse. Sie hätten sich aber auf den Kompromiss eingelassen, um die Verlängerung der Mietpreisbremse nicht grundsätzlich zu gefährden. Die Erklärung klingt doch ziemlich wachsweich. Immerhin stellen sie in Baden-Württemberg den Ministerpräsidenten, der von seiner Richtlinienkompetenz hätte Gebrauch machen können.

Eile ist geboten.

Wenn politische Parteien und Verbände die beschlossene Rechtsverordnung zur Mietpreisbremse zu Fall bringen wollen, ist dringende Eile geboten. Wann das Gespräch von OB Specht und den anderen betroffenen Bürgermeistern stattfindet ist unbekannt. Der Termin wird aber unmittelbar bevorstehen.

Die Forderungen sind klar:

  • Genaue Überprüfung des Gutachtens auf Transparenz und Sinnhaftigkeit durch Parteien, Verbände und die betroffenen Kommunen. Eine Zusammenarbeit aller betroffenen Kommunen wäre wünschenswert.
  • Änderung der baden-württembergischen Rechtsverordnung, damit mehr Gemeinden in den Geltungsbereich der Mietpreisbremse kommen.
  • Wenn alle Stricke reißen, sollte von den betroffenen Kommunen der Klageweg bestritten werden.

Es darf nicht sein, dass sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt weiter verschärft, sich dies aber nicht in der Umsetzung der Mietpreisbrems wiederfindet.


Hintergrund: In den Kommunen, in denen die Mietpreisbremse greift, darf die Miete bei Neuvermietung die ortsübliche Vergleichsmiete um höchstens zehn Prozent überschreiten. Ausgenommen sind Neubauten, die nach dem 1. Oktober 2014 erstmals vermietet wurden sowie umfassend energetisch sanierte Wohnungen und möblierter Wohnraum. Bereits heute gilt auch außerhalb der betroffenen Kommunen eine 20-Prozent-Grenze als Höchstwert, deren Überschreitung mit Bußgeldern belegt werden kann. Klagen muss aber jeweils der Mieter. Es gilt hier bedauerlicher Weise der Grundsatz: wo kein Kläger ist, ist kein Richter. Bei Mieten, die mehr als 50 Prozent über dem Vergleich liegen, droht bundesweit eine strafrechtliche Verfolgung wegen Mietwuchers. Ein Wegfall der Mietpreisbremse würde zu einer weiteren Steigerung der Mietpreise führen. Aufgrund der Ausnahmeregelungen und der Klageerfordernis durch den Mieter gilt die Mietpreisbremse allerdings als kein scharfes Schwert. Ein bundesweiter Mietendeckel, wie es Die Linke befürwortet, wäre als zusätzliches Instrument natürlich sehr sinnvoll.


Roland Schuster

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