Mannheim ist Spitzenreiter bei Kindeswohlgefährdung
Gökay Akbulut – Der Ausschuss für Bildung und Gesundheit/Schulbeirat und Jugendhilfe des Gemeinderates hat in der ersten Sitzung dieses Jahres sich mit einer Informationsvorlage der Verwaltung zu Kindeswohlgefährdung in Mannheim auseinander gesetzt. Laut der vorgelegten Analyse für den Zeitraum 2009-2013 liegt Mannheim bei Kindeswohlgefährdung oberhalb des Bundes- und Landesdurchschnitts. Das statistische Landesamt Baden-Württemberg hatte bereits für das Jahr 2013 die Kindeswohlgefährdung in Mannheim landesweit als am höchsten eingeschätzt. Die Vorlage der Stadt legt anhand von verschiedenen Verfahren, die akute und latente Gefährdung von Kindern dar. Mannheim liegt mit einer Quote von 39% vor dem Landes- und Bundesschnitt, die jeweils bei 36 % liegen.
Während das Jugendamt im Jahr 2009 3.482 Fälle verzeichnete sind es im Jahr 2013 fast 3.700 Fälle, in denen Hilfen zu Erziehung von Eltern in Krisensituationen in Anspruch genommen wurde. In den Stadtteilen Hochstätt, Luzenberg, Schönau und Neckarstadt lag der Anteil hierbei am höchsten. Überforderung, Armut, Suchtprobleme und Schwierigkeiten in der Schule sind einige der Ursachen für Kindeswohlgefährdung. Immer mehr Kinder und Jugendliche müssen in unserer Gesellschaft leiden, weil ihre Eltern nicht mehr zurechtkommen. Seit dem Fall des kleinen Marcel, der 2012 durch Vernachlässigung sterben musste, herrscht allerdings eine erhöhte Sensibilität in der Stadt. Für 2013 wurden mehr als 806 Verdachtsfälle, meist aus dem familiären und Bekanntenkreis dem Jugendamt gemeldet. Bei 266 Fällen musste das Jugendamt mit Sofortmaßnahmen eingreifen und in 37 Fällen Kinder direkt in Obhut nehmen.
Das Jugendamt bietet verschiedene Hilfeleistungen für Eltern in Krisensituationen an. Erzieherische Hilfen durch Fachkräfte oder gemeinsame Wohnformen von jungen Eltern sind einige der Hilfen. Die Kosten haben sich in Mannheim 2013 im Vergleich zum Vorjahr jedoch lediglich um 3,4% auf 51,9 Millionen erhöht. Im Etat hatte die Verwaltung ursprünglich 55 Millionen an Ausgaben eingeplant.
Meine Frage, warum die eingeplanten 55 Millionen nicht komplett ausgeschöpft wurden, wurde von der Bürgermeisterin Freundlieb jedoch nicht beantwortet. Es ist nicht nachvollziehbar, wie die Stadt trotz ansteigender Fallzahlen 3,1 Millionen in diesem Bereich noch einsparen kann. Während die Bürgermeisterin von präzisem und wirkungsorientiertem Einsatz öffentlicher Gelder spricht, ist es mehr als offensichtlich, dass hier wieder auf Kosten der Schwächsten gespart wird. Und dies trotz einer erschreckenden Bilanz für unsere Stadt.
Aufgrund der steigenden Fallzahlen werden die Ausgaben für die Hilfeleistungen des Jugendamtes immer größer. Im Vergleich zu früher nehmen immer junge Eltern Hilfe von den Behörden entgegen. Das ist natürlich positiv zu bewerten. Aber die Ursachen liegen ganz klar im Sozialabbau, der dazu führt, dass immer mehr Eltern ihre Kinder nicht ausreichend ernähren und pflegen können.
Die Jugendämter versuchen zwar individuelle Lösungen für die Eltern und Kinder in Krisensituationen herauszuarbeiten, aber auch ihre Mittel sind begrenzt. Die wachsenden Aufgaben des Jugendamtes und die zunehmende Kinderschutzmeldungen müssen umfassend behandelt werden. Der Ausschuss hat daher den Beschluss gefasst, eine Fachtagung zu Kindeswohlgefährdung in Mannheim durchzuführen.
Der Sozialabbau wird weiterhin zu Kindeswohlgefährdungen führen, daher gilt es, ihn zu bekämpfen und den Kinderschutz weiter auszubauen. Denn solange Menschen in die Randbereiche der Gesellschaft abgeschoben werden haben auch ihre Kinder keine Chance auf eine gesunde und Erziehung und Entwicklung.