Wohnungspolitik: Und sie bewegt sich doch…ein bisschen
ttr – Am 20. Januar fand im Hauptausschuss eine Generaldebatte über die Mannheimer Wohnungspolitik statt, die am 10. Februar im Gemeinderat abgeschlossen werden soll. Grundlage ist die Fortschreibung des Wohnungspolitischen Programms „Wohn.Raum.Stadt“ aus dem Jahr 2010. In der Beschlussvorlage geht die Verwaltung auch auf Anträge aus dem Gemeinderat ein. So hatte DIE LINKE in den Jahren seit 2012 vier Anträge und Anfragen gestellt, die SPD zwei und die Grünen einen Antrag und aktuell eine Anfrage zum Adolf-Damaschke-Ring.
Der Hauptausschuss empfahl die Vorlage nach zweieinhalbstündiger Diskussion schließlich dem Gemeinderat zur Annahme. Nur Christopher Probst, OB-Kandidat der ML stimmt dagegen.
Beschluss kann man das Ganze eigentlich gar nicht nennen, denn das einzig Konkrete war eine mündlich von Baubürgermeister Quast vorgetragene Ergänzung der Vorlage um Richtlinien für das Wohnungsprogramm auf dem Konversionsgebiet Benjamin-Franklin-Village (dazu siehe unten). Ansonsten handelt es sich um die Erteilung des Grünen Lichts für die Weiterarbeit des Fachbereichs 61 Städtebau und Stadtentwicklung, wo auch die Steuerung der kommunalen Wohnungspolitik verankert ist.
In „Wohn.Raum.Stadt II“ sind einige Daten zusammengetragen über den Status Quo sowie einige Prognosen. Ferner wird ein ganzes Bündel von Maßnahmen, wie sie teilweise auch in den genannten Anträgen der Parteien vorgeschlagen wurden, bewertet und überwiegend für das weitere Handeln der Verwaltung zugrunde gelegt.
Die wohnungspolitische Diskussion ist vor allem durch die Frage geprägt, welche Interessen besonders gefördert werden sollen. Die Verwaltung mit dem OB an der Spitze hatte in den letzten Jahren immer wieder geltend gemacht, Mannheim brauche – um sich insgesamt zu stabilisieren und zu wachsen – unbedingt mehr Angebote im gehobenen Wohnungssektor. Qualifizierte Einpendler sollen gewonnen werden, auch ihren Wohnsitz in Mannheim zu nehmen. Dies soll das Image der Stadt fördern, Kaufkraft binden und nicht zuletzt Mannheim höhere Anteile aus der Einkommensteuer bringen, um die vielseitigen Aufgabe der Stadt besser stemmen zu können.
Vermehrt mischte sich in die Debatte der letzten Jahre – nicht zuletzt durch die zu diesem Thema intensive Arbeit der LINKEN im Gemeinderat – der Anspruch, mehr preisgünstige Wohnungen bereitzustellen und vorhandene zu sichern. Die Notwendigkeit ergibt sich aus der Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse und aus der Zunahme der Altersarmut. Der aktuellste Wohnungspolitische Konflikt ist das Konzept der städtischen Baugesellschaft GBG, ca. 210 im Stadtteil Feudenheim Wohnungen mit einem Quadratmetermietpreis von knapp über 6 Euro abzureißen und komfortable Neubauwohnungen zu errichten. Die sollen den Vorstellungen zufolge dann 10 bis 12 Euro kosten. Es regt sich erheblicher Widerstand. DIE LINKE hatte hierzu einen Antrag im Gemeinderat gestellt mit dem Ziel einer Umorientierung der GBG: Sie solle den Plan, billige durch teure Wohnungen zu ersetzen, nicht weiter verfolgen.
Insgesamt muss wohnungspolitisch in nächster Zeit festgelegt werden, wie auf den Konversionsgeländen vorgegangen werden soll. Im Zentrum steht dabei natürlich Benjamin-Franklin-Village mit über 2.000 Wohneinheiten aus US-Beständen.
„Wohn.Raum.Stadt II“ – Die Defizite
Was das wohnungspolitische Programm nach wie vor nicht bietet, ist eine produktive Auseinandersetzung mit der in Mannheim stark ausgeprägten sozialen Segmentierung der Stadt. Diese hat negative Folgen für die Bildungspolitik (ungleiche Startvoraussetzungen für die Kinder, je nach Stadtteil), und z.B. auch für die integrativen Bemühungen. Beide Aspekte spielen schon auf dem Deckblatt der Vorlage keine Rolle. Dort werden stets diejenigen der sieben strategischen Ziele angekreuzt, für deren Verfolgung die Vorlage relevant ist. Angekreuzt sind: „Stärkung der Urbanität“ und „Talente überdurchschnittlich gewinnen, entwickeln und halten“. Auf „Toleranz bewahren, zusammenleben“ wird in diesem Zusammenhang ebenso wenig Bezug genommen wie auf das strategische Ziel N5. 5: „Bildungserfolg der in Mannheim lebenden Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen erhöhen“.
Zur Wohnraumversorgung von Menschen mit geringem Einkommen stellt „Wohn.Raum.Stadt II“ lakonisch fest:
„Die soziale Wohnraumversorgung, d.h. die Versorgung von Haushalten mit Zugangsschwierigkeiten zum allgemeinen Wohnungsmarkt (Haushalte im Transferleistungsbezug und/oder mit Wohnberechtigungsschein), wird in Mannheim im Bestand der GBG – Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft mbH gesichert.“ (S. 49)
Damit ist dieser Kreis von Menschen auf die Stadtteile verwiesen, wo die GBG stark vertreten ist.
Ein weiteres Grundproblem der kommunalen Wohnungspolitik gerade auf dem Hintergrund der riesigen Konversions-Baulandflächen ihren ist die mangelnde Kenntnis über die tatsächlichen Einkommensverhältnisse der Mannheimer Haushalte. Eine solche Kenntnis gibt es nur bezüglicher der Transferleistungshaushalte. Wie viele Haushalte werden jedoch in Altersarmut leben, wie viele Haushalte verfügen nur über geringe Arbeitseinkommen, wie viele unterliegen prekären und nicht planbaren Einkommensverhältnissen?
Es gibt keinen Abgleich zwischen der Struktur des Mannheimer Wohnungsbestandes und den Einkommens- und Lebensverhältnisse der Bewohner/innen. Das rückt z.B. den Streit über das GBG-Vorhaben: „Abriss und Neubau von Wohnhäusern am Adolf-Damaschke-Ring“ in den Bereich von Glauben und Vermutungen. DIE LINKE sagt: Auf diese und weitere Bestandswohnungen von um die 6 Euro Miete je Quadratmeter (ca. 300 Wohnungen) können wir nicht verzichten. Die GBG-Geschäftsführung meint, sie müsse allmählich die Bestände aus den 50er Jahren schrittweise erneuern. Die Stadtplanung meint offensichtlich nichts dazu. Ihr mangelt es auch an belastbaren Daten. Auf die Forderung der LINKEN, endlich diese Daten zu beschaffen reagiert der Baudezernent Quast mit dem Hinweis, die Abteilung sei zu schwach besetzt, als dass sie da große Forschungen anstellen könne. Aber man werde mal ein paar Umfragen veranstalten.
So operiert die Stadtplanung denn auch mit soziologischen Begriffen wie „junge Familien“ und „alternde Wohnbevölkerung“ oder „Menschen mit Behinderungen“. Die soziale Wirklichkeit dieser Gruppen tritt aber nicht hervor: Wer braucht innerhalb der Gruppe welches Angebot, was kann man sich leisten, was wird angeboten?
„Wohn.Raum.Stadt II“ Wohin die Stadt mit Macht steuert
Das zentrale Problem für die Verwaltung ist nach eigenen Aussagen die Bindung bzw. Gewinnung von zahlungskräftigen (Neu-)BürgerInnen. Das Schreckensszenario sind die 30-40-Jährigen, die in Mannheim kein geeignetes Einfamilienhaus finden und in den Odenwald bzw. an die Weistraße ausweichen, mit viel Auslauf für ihre Kinder auf eigenem Grundstück. Dass solche Angebote in urbanen Verdichtungsräumen schwerlich herstellbar sind (unter 500.000 Euro), tut dieser Zielsetzung offenbar keinen Abbruch. So konnte der CDU-Stadtrat Schlichter sich in der Debatte denn auch höchst zufrieden zeigen; der Baudezernent wollte sich denn aber so auch nicht richtig verstanden wissen. Man wolle ja gerade auch für die Menschen mit mittlerem Einkommen etwas tun.
Dass es junge Familien mit Kind geben mag, die nicht wegen Mangel an Einfamilienhäusern Mannheim verlassen, sondern weil Ludwigshafen beispielsweise ein deutlich niedrigeres Mietniveau aufweist, weil sie dort die Wohnung finden, die sie in Mannheim nicht finden, und weil dort die auch Kita im Regelangebot gebührenfrei sind – das bewegt die Verwaltung offensichtlich weniger.
Neue positive Tendenzen: Konzeptausschreibungen
Trotz dieser kritikwürdigen Befunde finden sich doch auch positive Überlegungen, die so neu sind, dass sie in der eigentlichen Beschlussvorlage noch gar nicht dokumentiert sondern mündlich ergänzt wurden. Man darf davon ausgehen, dass hinter den Kulissen einige Auseinandersetzungen zwischen dem eher behäbigen Fachbereich und der MWSP GmbH stattgefunden haben, der städtischen Projektentwicklungsgesellschaft, der das gesamte Konversionsgeschäft übertragen ist. Das Stichwort heißt „Konzeptausschreibung“: Investoren sollen durch entsprechende Vorgaben von vornherein veranlasst werden, eine Vielzahl von Kriterien einzuhalten. Dies mag die Mieten / Preise der Wohnungen betreffen wie auch ökologische und sonstige Faktoren. Auf BFV soll nun das nachgeholt werden, was auf Turley, der ersten großen Konversionsfläche, die schon voll im Bebauungs- bzw. Sanierungsprozess steckt, versäumt wurde. Die Idee der Konzeptausschreibung ist in Hamburg oder ähnlich auch in München bereits seit längerem Praxis, um in diesen Metropolen noch irgendwie zu einigermaßen erschwinglichem Wohnraum für „mittlere Einkommen“ (zwischen Transferleistung und „gehobenem“ Einkommen) zu kommen. In diesen Metropolen können Investoren allerdings auch im oberen Bereich wesentlich höhere Preise und Margen durchsetzen und damit die Konzeptauflagen mit Leichtigkeit gegenfinanzieren. In Mannheim liegt das gesamte Preisniveau denn doch deutlich niedriger. Man darf auf die laufenden Verhandlungen mit potenziellen Investoren gespannt sein. Am Ende wird die Projektentwicklungsgesellschaft bei den Bodenpreisen doch Zugeständnisse machen müssen, mit Auswirkungen auf den Kommunalhaushalt, der letztlich für die MWSP geradestehen muss. Zunächst geht die Verwaltung davon aus, dass das gesamte Konversions- und darin das Wohnungsbauprogramm „haushaltsneutral“ abgewickelt werden kann.
Die LINKE hatte bereits 2012 der Verwaltung die Anfrage gestellt, was sie von städtebaulichen Verträgen mit Investoren halte, die zum Bau erschwinglicher Wohnungen verpflichten. Nun konnte man sich zu einer positiven Antwort durchringen. Mit dieser „Neuerrungenschaft“ widerspricht die Verwaltung ihren eigenen Aussagen in „Wohn.Raum.Stadt II“, in denen sie ausführt:
„Haushalte mit mittleren Einkommen verspüren den größten Druck auf dem freien Wohnungsmarkt. Diese Haushalte verfügen zwar über Einkommen oberhalb der Grenzen zur sozialen Wohnraumversorgung (Wohnberechtigungsscheine), können aber die Mietpreiserwartungen der vornehmlich im gehobenen Segment neu entstehenden Wohnbauprojekte nicht leisten.
Der Wohnungsnachfrage dieser Gruppe ist kurzfristig nur über die Sicherung und laufende Modernisierung bzw. Sanierung der bestehenden Wohnungsbestände zu begegnen. Mittelfristig bieten auch die vorhandenen Wohngebäude auf den Konversionsflächen, insbesondere auf Benjamin-Franklin-Village, in Teilen die Möglichkeit zur Bereitstellung zusätzlicher Wohnungen im mittleren Preissegment. Im Wohnungsneubau sind Wohnungen im unteren und mittleren Preissegment („bezahlbarer Wohnraum“) aufgrund der momentanen Baukosten und gesetzlichen Anforderungen an Gebäude nicht zu realisieren.“ S.50)
Immerhin liefert die Verwaltung hier ein zwingendes Argument, warum die Häuser am Adolf-Damaschke-Ring oder auch an der Main-/Kinzig-Straße nicht abgerissen und durch unsubventionierte Neubauten ersetzt werden dürfen. Denn – auch darauf weist sie in ihrer Ausarbeitung hin: Das Landeswohnraumförderungsprogramm setzt die GBG nicht in die Lage, neue Sozialwohnungen zu erstellen, weil es lediglich die Subventionierung der historisch niedrigen Zinsen vorsieht und Zuschüsse, die die Absenkung der Sozialmiete auf 33% unter das Mietspiegelniveau nicht ausgleichen.
Ein weiterer Aspekt ist in dem Papier noch hervorzuheben: Die Bildung kleiner Mietergenossenschaften halte man für praktikabel und unterstützenswert. Dieses wohnungspolitische Instrument hatte die LINKE vorgeschlagen, um dem Verkauf von Mehrfamilienhäusern (v.a. der 20er Jahre) in begehrten Stadtteilen wie Neckarstadt-Ost an Luxussanierer etwas entgegensetzen zu können. Oft erfolgen solche Verkäufe durch Erbengemeinschaften, die sicherlich auch eine abgesicherte Genossenschaft verkaufen würden. Es ist manchmal eher eine Frage der Zeit als der Höhe des Angebots, dass solche Objekte an Sanierer gehen.
Den Erwerb solcher gefährdeter Objekte durch die GBG lehnt diese ebenso ab wie den Erwerb von Belegungsrechten. Auch das Thema Milieuschutz-Satzungen hat die Stadt nun bewertet. Sie hält diese nicht gerichtsfest durchsetzbar und daher untauglich.
Viel ist es also nicht, was gegen die schleichende Gentrifizierung in Neckarstadt-Ost und anderswo angeboten wird. Und das Wenige muss auch erst weiter ausgelotet und in Stellung gebracht werden. Und dafür braucht es dann auch erst einmal Mehrheiten. Aber den Versuch ist es wert!
Konzeptausschreibung
Benjamin-Franklin-Village (BFV) Mitte – Wohnraumportfolio
- ca. 181.000 m² Bruttobauland Zielsetzung
- soziale Durchmischung der Mannheimer Bevölkerung auf BFV im Kleinen abbilden
- ca. 40% Miete / ca. 60% Eigentum
- ca. 20% aller Wohnungen als Mietwohnungen in Stufe 1+2 (6,50€ / 7,50€), d.h. ca. 50% aller Mietwohnungen
- ca. 20% aller Wohnungen als Eigentumswohnungen in Stufe 1+2 (2.200€ / 2.700€), d.h. ca. 33% aller WE in Eigentum
- ca. 5% aller Wohnungen als Einfamilienhäuser unter 300.000 €
- ggf. Erweiterung der Flächen zu späterem Zeitpunkt bei entsprechender Nachfrage