„EduAction“- Bildungsgipfel im Mannheimer Rosengarten – ein Bericht
Thema dieses Kongresses vom 1.-2. Juli mit über 1900 TeilnehmerInnen: „ZukunftsBildung gemeinsam gestalten“. Ausgerichtet wurde der Kongress von der Metropolregion Rhein-Neckar mit dem Finanzvorstand von SAP und Vorstandsvorsitzenden „Zukunft Metropolregion Rhein-Neckar e.V.“, Luka Music an der Spitze, sowie dem Berliner Genisis-Institut. Entsprechend war der Verlauf stark von der Interessenlage der Wirtschaft geprägt.
Aus unterschiedlichen Beweggründen – und mit entsprechenden Schlussfolgerungen – waren sich alle einig: Das praktizierte Bildungssystem arbeitet mit Vorgaben, die an allen Ecken und Enden mit den aktuellen gesellschaftlichen Anforderungen kollidieren. Wer allerdings die erforderlichen finanziellen Mittel für gewünschte Strukturänderungen bereitstellen soll, wurde mit keiner Silbe erwähnt.
In etlichen Impulsvorträgen versuchten vor allem die Vertreter aus der Wirtschaft zu vermitteln, dass durch die Digitalisierung von Schulen die grundlegenden Probleme des Bildungssystems gelöst werden könnten.
Luka Music: „An den Schulen muss das Thema Digitalisierung stärker in den Mittelpunkt rücken“ … „Viele Schulen sind noch nicht ausreichend darauf eingerichtet, digitale Kompetenzen zu vermitteln …Hier könnte sich die Wirtschaft einbringen, auch was die Qualifizierung von Lehrern betrifft.“ In den etablierten Fächern sollten Schulen das Thema digitale Kompetenz gleich mitdenken, beispielsweise in Gemeinschaftskunde, Politik und Naturwissenschaften …. Insbesondere sozial benachteiligte Schichten müssen einen besseren Zugang zu höheren Bildungsqualifikationen bekommen“. Auch hier könnten sich Unternehmen engagieren – und damit auch etwas gegen den Fachkräftemangel tun.
Rainer Dulger, Präsident von ‚GesamtMetall und der Landesvereinigung Baden-Württembergischer Arbeitgeberverbände findet es „fatal, dass das Thema der europäischen Jugendarbeitslosigkeit so in den Hintergrund gedrängt wurde und dieses Potential offensichtlich kaum noch jemanden interessiert.“ Qualifizierte Zuwanderung aus Drittstaaten müsse auf der politischen Agenda ganz oben stehen. Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren, könne auch eine Antwort auf den hier bereits existierenden Fachkräftemangel sein. Mehr Ganztagsschulen müssten her, bessere Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, „damit mehr Frauen zur Verfügung stehen“. Teilzeitausbildung solle ermöglicht werden für „Benachteiligte“ und „Pflegende“.
Für den Ausbau digitaler Bildungsangebote in Schulen warb Jörg Dräger vom Vorstand der Bertelsmann-Stiftung. „Unser heutiges Bildungswesen ist ein Massengeschäft“, sagte er. Das Schulsystem werde der zunehmenden Vielfalt an Menschen und Berufen nicht mehr gerecht. Die „digitale Bildungsrevolution“ könne Abhilfe schaffen, da sie unter anderem das Interesse junger Menschen etwa durch den Einsatz individueller Lernsoftware fördere. Beispiel USA: Seit 2008 wäre eine 129% Kostensteigerung im Bildungswesen erfolgt. Der Anstieg der Lesekompetenz wäre aber bei 0 geblieben. Ursache: Die Vielfalt der unterschiedlichen Anforderungen werde immer größer und damit ein entsprechend größerer Aufwand erforderlich, um zumindest den bisherigen Stand zu halten. Entlastung durch Digitalisierung mit Hilfe von sinnvoller Lernsoftware sei Teil der Lösung für mehr Chancengleichheit – um damit den Lehrenden mehr Zeit für individuelle Pädagogik durch geben.
Fredmund Malik, österreichischer Wirtschaftswissenschaftler mit Forschungsschwerpunkt Managementlehre, Inhaber und Leiter eines Management-Beratungsunternehmens in St. Gallen: „Nichts bleibt wie es ist; wir brauchen neue Führungskräfte und engere Netzwerke; wenn wir wollen, dass die Demokratie erhalten bleibt, müssen wir sie ändern – wie es ist, reicht es nicht.“
Gesine Schwan, Politikwissenschaftlerin und frühere Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) mahnte an, es müsse gelingen, die Fantasie und Lösungskompetenz in der Gesellschaft zu fördern. Dazu sei es wichtig, dass junge Menschen gemeinschaftlich handelten. Das Bildungssystem sei aber nicht darauf ausgerichtet. Die Vielzahl gegenwärtiger Krisen belege, dass Lösungsansätze oftmals nicht langfristig ausgelegt seien. Es sei eine dringende Aufgabe von Bildung, das Selbstwertgefühl und die Fantasie junger Menschen zu fördern. Beides führe zu gemeinschaftlichem Handeln und zu langfristigen Lösungen von Problemen der Zivilgesellschaft. Denken in Zusammenhängen, Nebenwirkungen beachten. „Man darf keine Flüchtlingspolitik machen, die die Grundwerte mit Füßen tritt“. „Etwas zusammen zu schaffen steht gegen das Wettbewerbssystem, wie es das Bildungssystem in den letzten 25 Jahren gepflegt hat“. (Sie hat für ihren Beitrag den weitaus größten Applaus aus dem Publikum erhalten.)
Margret Rasfeld, Direktorin der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ (private Gemeinschaftsschule), Mitinitiatorin der „Schule im Aufbruch“: Schulen eröffnen bisher nicht die Möglichkeit, zusammen zu arbeiten. Alles würde dem Diktat der Lehrpläne, die gnadenlos durchgezogen werden müssten, untergeordnet. Die zaghaften Versuche, mittels Gemeinschaftsschulen sinnvollere Lernmethoden anzuwenden, würden aktuell schon wieder zurückgedreht.
Es schlossen sich etliche Diskussionsrunden an – u.a. zum Thema: „Gesellschaftliche Problemlösungskompetenz als Bildungsaufgabe. Wie bringen wir Integration zum Gelingen?“: Dazu der Autor und Journalist Dr. Franz Alt: Die Energiewende sei ein Schlüssel, wenn Bildung gelingen soll. Wer Waffen exportiert, kriege Flüchtlinge zurück. Die von der Bundesregierung genehmigten Waffenexporte haben sich seit 2014 fast verdoppelt. Auch Klimaflüchtlinge seien von den westlichen Ländern verursacht.
Gesine Schwan unterstrich aber auch folgendes: Bildung sei nicht nur ein Schulsystem; daneben gebe es auch gesellschaftliche Bildung; und hier habe sich durchaus etwas weiterentwickelt: Die hauptsächlich von Initiativen geleistete Willkommenskultur sei vor 30 Jahren in diesem Umfang noch nicht möglich gewesen.
Irmgard Rother