Für Kirche und Verwaltung gehen Investoreninteressen vor Gemeinwohl

Die Evangelische Kirche Mannheim (EKMA) schließt in Feudenheim einen Kindergarten, um das Grundstück gewinnbringend zu veräußern. Die Verwaltung will ganz unverblümt den Bebauungsplan so ändern, dass sich der maximale Profit erzielen lässt.

An der Andreas-Hofer-Straße sieht Feudenheim so aus, wie es sich die meisten Mannheimer vorstellen: Hinter gepflegten Vorgärten stehen Stadtvillen und luxuriöse Einfamilienhäuser. An der Ecke Scheffelstraße liegt eine Grünanlage mit altem Baumbestand. Daneben steht die Epiphaniaskirche, ein Klinkerbau im Stil der klassischen Moderne, entworfen von Hans Mitzlaff, und das ehemalige Gemeindehaus sowie zwei Wohngebäude. Kirchenschiff und Glockenturm hätte die EKMA trotz Denkmalschutz aufgrund von Baumängeln abreißen lassen, wenn sie nicht durch einen Förderverein und eine großzügige Privatspende gerettet worden wären. Zukünftig muss der Förderverein den aufwändigen Erhalt des Hauses sicherstellen. Die EKMA mietet sich nur für die Gottesdienste ein. Risiko-Outsourcing nennt man das wohl.

Das Gemeindehaus dient im Erdgeschoss seit der Fusion der beiden Feudenheimer evangelischen Kirchengemeinden ausschließlich als Kindergarten. Im oberen Stockwerk befinden sich ein vielgenutzter Musik-Proberaum und ein Saal, in dem unter anderem die öffentlichen Treffen der Feudenheimer Flüchtlingsinitiative stattfinden. Im Jahr 2015 haben die Kirchengemeinde und die EKMA beschlossen, den Kindergarten mit 54 Plätzen zu schließen und das Areal des ehemaligen Gemeindehauses und der Wohngebäude zu veräußern. Zwar soll der zweite evangelische Kindergarten im Stadtteil in einem Neubau deutlich vergrößert werden, dennoch fällt eine Gruppe für Kinder ab 3 Jahren komplett weg. Nur durch zähes Ringen einer Elterninitiative und des Bezirksbeirats (BBR) konnte erreicht werden, dass die zuständige Behörde für Bildung, Jugend, Gesundheit und Sport das Angebot eines freien Trägers, der InFamilia e.V., akzeptiert, zur Kompensation einen Naturkindergarten zu errichten. Inzwischen wurde von der Freundlieb-Behörde die Einrichtung weiterer Gruppen angekündigt, um die selbst mit der Naturgruppe unterdurchschnittliche Betreuungsquote des Stadtteils zu erhöhen. Doch das sind momentan nicht mehr als Absichtserklärungen.

Das gesamte der EKMA gehörende Areal ist aufgrund eines Bebauungsplanes (B-Plan) aus den 1960er Jahren als Evangelische Gemeindefläche ausgewiesen. Um das Grundstück veräußern zu können, muss die Kirche eine Änderung des B-Plans erreichen. Immerhin will die EKMA nach eigenen Angaben für das Filetgrundstück 3 Millionen Euro Verkaufserlös erzielen. Aufgrund des öffentlichen Drucks sah sie sich gezwungen, einen Ideenwettbewerb auszuloben. Darin sollte eine starke Betonung einer sozialen Nutzung berücksichtigt und der Baumbestand erhalten werden. Doch der Ideenwettbewerb ist, wie ein Kirchenvertreter auf der öffentlichen Sitzung des BBR Feudenheim am 22. Februar einräumen musste, nicht bindend. Wenn der B-Plan entsprechend dem EKMA-Antrag zu einer Allgemeinen Wohnbebauung geändert wird, kann ein Investor bauen, was er will. Da der Verkauf an keinerlei Auflagen gebunden ist, wird wohl der Meistbietende den Zuschlag erhalten und versuchen, schon zur Refinanzierung des Grundstücksankaufs die maximale Rendite zu erreichen. Was das heißt, kann sich jeder an fünf Fingern abzählen: Exklusives Wohnen für eine gehobene Klientel. Der alte Baumbestand wird ziemlich sicher einer Tiefgarage geopfert. Feudenheim wird noch teurer, die Segregation schreitet voran. Wo Eltern, die auch aus dem eher kleinbürgerlichen Alt-Feudenheim und der GBG-Siedlung am Adolf-Damaschke-Ring kommen, ihre kleinen Kinder unterbringen, ist ebenso ihr Problem wie die Suche nach Proberäumen für Musiker und nach Veranstaltungsräumen für Initiativen und Kulturschaffende.

Die EKMA hat einen willigen Helfer: Die Verwaltung der Stadt Mannheim. Auf der BBR-Sitzung am 22. Februar betonte Markus Grein vom Stadtplanungsamt, dass der neue B-Plan sich an den Bedürfnissen möglicher Investoren orientieren müsse. Die Forderungen nach dem Erhalt gemeinbedarflicher Nutzungen für die Kinderbetreuung, Senioren, Vereine und das kulturelle Leben im Stadtteil, die vom Bezirksbeirat selbst aus den Reihen der CDU (Herr Götz) und FDP (Frau Sandner-Schmitt) laut wurden, sah er durch die B-Plan-Festlegung auf Allgemeines Wohngebiet als gewährleistet an. Das bedeute ja schließlich die Möglichkeit, neben Wohnen auch soziale Nutzungen anzusiedeln. Die planmäßige Festschreibung dieser Nutzung hielt er in vollkommener Einigkeit mit dem Kirchenvertreter für überflüssig und abwegig. Der EKMA-Vertreter betonte die sozialen Aspekte der Siegerentwürfe aus dem Ideenwettbewerb trotz ihrer Unverbindlichkeit. Warum ein Investor, der einen hohen Grundstückspreis berappen muss, zugunsten gemeinnütziger Einrichtungen auf die Rendite aus der Vermietung oder dem Verkauf von Luxuswohnungen verzichten soll, erklärte weder der Verwaltungs- noch der Kirchenmann.

Der Ausschuss für Umwelt und Technik (AUT) des Mannheimer Gemeinderats wird voraussichtlich am 11. Juli dieses Jahres über die B-Plan-Änderung entscheiden. Wenn die Gemeinderäte mehrheitlich der Empfehlung der Verwaltung und vielleicht auch Einflüsterungen potenzieller Investoren folgen sollten, heißt es: Adieu Kindergarten, hallo Luxuswohnungen!

 

BOR