Außer Konkurrenz soll eine chinesische Auswahl ab Herbst in der Regionalliga Südwest mitkicken
Kommerzialisierung total – Widerstand kündigt sich an
Die Kommerzialisierung im Profi-Fußball kennt keine Grenzen. Das Land, wo sich neue Millionen und Milliarden umsetzen läßt, heißt China. Immer mehr Fußballprofis spielen in der chinesischen Profiliga. Jetzt steht Kölns Torjäger Anthony Modeste vor einem Wechsel.
Borussia Dortmund, Bayern München und Schalke 04 reisen im Laufe des Sommers zu Testspielen nach China. Bayern München hat im Frühjahr ein Büro in China eröffnet und betreibt schon länger eine Fußballschule. Letztlich geht es darum, sich den riesigen chinesischen Markt zu öffnen für den Verkauf von Übertragungsrechten, Fanartikel usw.
Chinesische Auswahl in der Regionalliga Südwest
Nun soll zwischen dem chinesischen Verband und dem deutschen Fußballbund auf eine völlig neue Ebene gerückt werden. Ab Herbst soll die U20-Auswahl Chinas (Jahrgang unter 20 Jahren) in der Regionalliga Südwest, der viertklassigen Fußball-Liga, außer Konkurrenz am regelmäßigen Spielbetrieb teilnehmen und Spielpraxis für Olympia 2020 in Tokio sammeln. Langfristig will China nämlich auch im Fußball zu einer Großmacht werden.
DFB-Präsident Grindel hat hierüber mit dem chinesischen Verband eine Vereinbarung abgeschlossen (siehe Bild). Eine Managertagung der Regionalliga Südwest muss diese Vereinbarung aber noch absegnen und soll dies am 11. Juli tun.
Drewitz, DFB-Vize und Präsident des südwestdeutschen Regionalverbandes hat schon einmal Zustimmung signalisiert, dass „man dem Plan grundsätzlich positiv gegenüber stehen würde“. Die Kommerzialisierung ist auch in den unteren Klassen voranzutreiben. Jeder Klub solle für die Spiele mit der chinesischen Auswahl 15.000 € bekommen. Außerdem würden sich neue Vermarktungsmöglichkeiten eröffnen.
Wo die chinesische Auswahl residieren soll, ist noch offen. Geredet wird von Offenbach und St.Leon-Rot. Bei letzterem Ort kann man sich nicht des Gedankens erwehren, dass Dietmar Hopp eine entscheidende Rolle spielt. Besitzt er in St-Leon-Rot doch ein Golfareal einschließlich Trainings-, Tagungs- und Übernachtungszentrum.
Der DFB hat behauptet, dass die Fußballfunktionäre der Regionalliga Südwest Zustimmung signalisiert hätten. So wird der kaufmännische Leiter der Stuttgarter Kickers zitiert: „Wir freuen uns schon heute auf die beiden Heimspiele und rollen dem chinesischen Olympiateam den Roten Teppich aus“.
Am 5. Juli soll der Plan in Berlin in Anwesenheit von Chinas Staatspräsident XI Jinping vorgestellt werden.
Nicht nur Zustimmung sondern auch vehementer Widerstand
Seit einigen Tagen gibt es aber nicht nur Zustimmung in der Regionalliga, sondern hat sich heftiger Widerstand angekündigt. Offensichtlich war sich der DFB der Sache zu sicher und hat lediglich eine telefonische Unterrichtung der Vereine vorgenommen.
Kritische Stimmen gibt es auch aus anderen Regionalligen, vor allem aus dem Westen aus Nordrhein-Westfalen.
SV Waldhof dagegen
Aus dem Südwesten hat sich nun der Traditionsverein SV Waldhof Mannheim eindeutig und vehement dagegen ausgesprochen und angekündigt, nicht gegen die chinesische Auswahl zuspielen. Er wird hierbei unterstützt von dem offiziellen Fandachverband Pro Waldhof. Ebenso hat der FC Pirmasens sich extrem negativ zu den DFB-Plänen geäußert, musste er doch unter sportlich fraglichen Gründen absteigen (auf die hier nicht näher eingegangen werden kann). Der Antrag der Pirmasenser auf Erhalt der Spielklasse und Aufstockung der Liga um eine Mannschaft, wurde vom DFB abgelehnt. Umso mehr fühlen sich die Pirmasenser Vereinsvertreter nun brüskiert, da nun die Liga um eine chinesische Mannschaft erweitert wird.
Hier nun einige Stellungnahmen:
SV Waldhof:
“Der SV Waldhof Mannheim hat einer Teilnahme an den beiden Partien gegen die Asiaten nicht zugestimmt und wird nach interner Absprache auch an keinem Spiel teilnehmen”, hieß es in einer Erklärung auf der Facebook-Seite der Mannheimer. Stattdessen habe man dem FK 03 Pirmasens ein Freundschaftsspiel angeboten.“
Wir haben dem Verband gegenüber bereits beim ersten Telefonat unsere Bedenken geäußert und um vorherige Klärung von Detailfragen gebeten. Eine schriftliche Zustimmung zur Teilnahme ist nicht erfolgt”, erklärte SVW-Geschäftsführer Markus Kompp und führte aus: “Auch wenn ein solches Spiel eine gute Vermarktungsmöglichkeit bietet, sollte man den regionalen Bezug nicht komplett verlieren. In den Regionalligen und bei den Vereinen gibt es wichtigere Probleme, welche unserer Meinung nach vorrangig zu klären sind.”
Presseerklärung der Fanvereinigung „Pro Waldhof“:
„Es reicht – Die totale Kommerzialisierung muss gestoppt werden!
Der DFB will mit klammen Traditionsvereinen wie dem 1. FC Saarbrücken, dem SSV Ulm, Kickers Offenbach, Hessen Kassel, TuS Koblenz und unserem Waldhof in Fernost Geld verdienen und alle sollen dafür jeweils 15.000 Euro bekommen. Glauben diese Funktionäre in der Frankfurter Zentrale denn mittlerweile alles und jeden kaufen zu können?
Unser SV Waldhof Mannheim sagt „Nein“ dazu, aber es liegt an uns, unserem Sportverein den Rücken zu stärken – auch finanziell. Schließlich übt der Verband schon jetzt Druck auf verschiedenen Ebenen auf unseren Verein aus, die getätigten Aussagen zurückzuziehen und angebliche Zusagen einzuhalten, die es nie schriftlich gegeben hat.
Die Pläne, eine sportlich nicht qualifizierte Mannschaft in die Regionalliga einzukaufen, widersprechen dem Grundgedanken des sportlichen Wettbewerbs. Das Herkunftsland der Mannschaft spielt dabei nicht dir geringste Rolle. Auch Mannschaften aus Katar, den USA oder Russland würden auf unsere Ablehnung stoßen“, sagt PRO Waldhof-Vorstand Achim Schröder, weshalb eine chinesische Mannschaft in der deutschen Regionalliga niemals akzeptabel wird. Wenn jetzt von verschiedenen Seiten, die Karte „Völkerverständigung“ gespielt wird, dann ist das der blanke Hohn und völlig am Thema vorbei. Der SV Waldhof pflegt bereits seit den 1980er Jahren Kontakte nach China und war auch eine der ersten Mannschaften, die bereits vor Jahrzehnten einen chinesischen Spieler in ihrem Kader hatte.“
FK Pirmasens:
Der nach 38 Spieltagen sportlich abgestiegene FK Pirmasens reagiert entsetzt auf die geplante Eingliederung der chinesischen U-20-Nationalmannschaft in die Regionalliga Südwest. “Ich habe dafür keine Worte mehr, im Verein herrscht komplette Fassungslosigkeit”, sagte Geschäftsstellenleiter Christoph Radtke am Donnerstag dem Magazin “ZEIT ONLINE”. “In Regionalliga steckt ja auch das Wörtchen Region. Wir sind einer der zwei bis drei Amateurvereine und fliegen jetzt aus dieser Liga raus. Sechs Mannschaften steigen ab, und nun holt der DFB die chinesische Nationalmannschaft. Wir müssen das wohl hinnehmen, aber für mich ist das purer Kapitalismus!”
Rot-Weiß Oberhausen:
Das ist Kirmes, eine Verarschung. Warum sollen wir uns in Zukunft noch den Arsch aufreißen?”, schimpfte Präsident Hajo Sommers von Rot-Weiß Oberhausen gegenüber “Reviersport”.
Rot-Weiß Essen:
“Wir haben das Gefühl, dass der DFB nicht mehr erkennt, wo die Grenze der Kommerzialisierung liegt”, meinte Michael Welling, Präsident vom West-Regionalligisten Rot-Weiß Essen, bei sportbild.de: “Wollen wir für 30.000 Euro wirklich die Seele des Fußballs verkaufen? Ich nicht!”
Der Verband zeigte sich inzwischen vom Vorgehen des SV Waldhof “überrascht und verärgert”, wie es in einer E-Mail heißt, die Felix Wiedemann, der stellvertretende Geschäftsführer der Regionalliga Südwest, an alle Vereine schickte. Darin heißt es außerdem: “Die Darstellung des SV Waldhof Mannheim, ‘man habe nicht zugestimmt’, entspricht keinesfalls dem tatsächlichen Geschehen. Im Rahmen mehrerer Telefonate wurde ausdrücklich erklärt, an dieser Kooperation teilzunehmen.”
Der SV Waldhof reagierte darauf. Er habe von vornherein sich eine schriftliche Stellungnahme vorbehalten.
Ob die Eingliederung der chinesischen Auswahl tatsächlich umgesetzt wird, soll bei der Managertagung der Regionalliga am 11. Juli entschieden werden. Dort wird der Spielplan für die am 28. Juli beginnende Spielzeit festgelegt.
Der Widerstand eines Teils der Fußballvereine gegen die fortschreitende Kommerzialisierung des Fußballs sollte von der demokratischen Zivilgesellschaft unterstützt werden.
Roland Schuster
Quellen: Mannheimer Morgen, Junge Welt, verschiedene Meldungen und Artikel des Fußballmagazins Kicker, Website „Pro Waldhof“.