Kampf um den Epiphanias-Kindergarten – Kampf um einen Bebauungsplan
Es ist ein Drama um Subsidiarität, um Restrukturierung der schrumpfenden Kirchen und um die Durchsetzung gesellschaftlicher Interessen im Rahmen der Kommune: Es geht um die drohende Schließung des 3-gruppigen Epiphanias-Kindergartens in Mannheim-Feudenheim. Einrichtungsträger ist die evangelische Kirchengemeinde.
Zwei Gruppen sollen in einiger Entfernung in einen dort bestehenden, abzureißenden und neu zu errichtenden Kindergarten der Evangelische Kirche integriert werden. Dies Projekt stößt bei den betroffenen Familien jedoch auf heftigen Widerstand, denn die Wege werden dadurch sehr viel weiter; außerdem reichen zwei Gruppen nicht, um den steigenden Bedarf zu decken. Auch sind die katholische und evangelische Gemeinde noch am Diskutieren, ob und wie sie ihre jeweils geplanten Neubauten zusammenlegen.
Hintergrund ist das Bestreben der evangelischen Kirche, das von ihr mit Kirche, Gemeindesaal, Pfarr- und Küsterhaus bebaute Areal „Epiphanias“ komplett zu räumen, abzureißen und als Premiumwohnlage zum Höchstpreis auf den Immobilienmarkt zu bringen. Dieser Tafelsilber-Verkauf soll zum einen den o.g. Kindergarten-Neubau finanzieren und andererseits die schrumpfende Liquidität der Kirche aufbessern. Die Geschichte handelt somit vom Überlebenskonzept der beiden Großkirchen: Wie können sie unter Beibehaltung ihrer bisherigen Prägung und unter der Bedingung dramatisch abnehmender Mitgliederzahlen und Steuereinnahmen bestehen? Die Antwort heißt für sie: Auflösung bisheriger Standorte und die Fusion bisher selbstständiger Kirchengemeinden, also z.B. Epiphanias in Feudenheim.
Kirche im Konflikt mit der Bürgerschaft
Nun hatte dieses kühne Immobilienkonzept auf dem Standort Epiphanias bereits einen ersten Schlag erlitten, weil sich eine gut bürgerliche Initiative gegen des Abriss der von dem Architekten Mitzlaff (u.a. Mannheimer Kunsthalle 1983, Abriss 2015) geplanten und ab 1963 gebauten Kirche erfolgreich zur Wehr setzte: Nicht zuletzt durch eine zweckgebundene 1,2-Millionen-Spende der Engelhardt-Stiftung entschloss sich der neu gegründete Trägerverein „Kulturkirche Epiphanias e.V.“, die Kirche selbst zu sanieren und zu bespielen. Damit war der Verkauf von Kirche und Kirchplatz schon mal vom Tisch. Bleiben Gemeindehaus mit dem Kindergarten und die beiden Wohnhäuser. Hierfür veranstaltete die Kirche einen Wettbewerb zur Planung eines Wohngebietes. Von den vier Preisträgern hat nur einer einen Kindergarten berücksichtigt. Die Kirche hat inzwischen auch zu Protokoll gegeben, an dieser Stelle ohnehin keinen Kindergarten mehr betreiben zu wollen. Das Subsidiaritätsprinzip sichert den Kirchen zwar zu, z.B. Kitas betreiben zu können, aber sie können sich auch fast beliebig wieder zurückziehen. Der Rückzug aus übernommenen öffentlichen Aufgaben geschieht aktuell beispielsweise auch bei ko-finanzierten Quartiermanagements oder den JobBörsen.
Das kirchliche Konzept auf Epiphanias sieht vor, einen Investor zu finden, der die Planungen umsetzt und für die Erhaltung des Kirchengebäudes aufkommt – nicht eben ein attraktives Angebot für Investoren.
Grundvoraussetzung für diesen Deal der Kirche, den man wirtschaftlich als Hebung von Buchgewinnen und somit als Immobilienspekulation bezeichnen muss, ist die Änderung des bestehenden Baurechts. Das bisherige Baurecht weist das Grundstück als „Gemeinbedarfsfläche“ aus. Die Kirche hatte es in der 60er Jahren entsprechend preisgünstig erhalten. Nun soll es als WA-Fläche („Allgemeines Wohngebiet“) ausgewiesen werden. Entgegen dem vom kirchlichen Verwaltungsdirektor Jooß in diversen Versammlungen und gegenüber den Kindergarteneltern vorlaut behaupteten Umschreibungsakt auf dem kleinen Dienstweg ist natürlich der Gemeinderat bzw. dessen beschließender „Ausschuss für Umwelt und Technik“, (AUT, zugleich Bauausschuss) zuständig.
Zahnloser Verwaltungsvorschlag fällt durch
Folgerichtig hat die Stadtverwaltung dem Bezirksbeirat Feudenheim am 28.6. und dem AUT am 11.7. den Aufstellungsbeschluss für einen neuen Bebauungsplan vorgelegt. Man möchte der Kirche durchaus entgegenkommen und die Voraussetzungen für einen Grundstücksverkauf schaffen. Um auch das Interesse an der Erhaltung eines Kindergartenstandortes irgendwie zu berücksichtigen, hat die Verwaltung in den Anhang mit der erforderlichen Planbegründung den Passus aufgenommen: „Planungsziel ist eine städtebauliche Neuordnung und zeitgemäße Nachverdichtung der Flächen des Plangebiets. Unter Zugrundelegung der o.g. Überlegungen soll auf der gesamten Fläche zukünftig die wohnbauliche Nutzung (allgemeines Wohngebiet) und Gemeinbedarfsfläche für kulturelle Nutzungen festgesetzt werden. Damit können alle derzeit vorgesehene Nutzungen unter Berücksichtigung des vorhandenen Bestandes ermöglicht werden. Aus Sicht der Stadt Mannheim ist bei der Neubebauung ein 2-gruppiger Kindergarten in die Bebauung zu integrieren. Die EKMA wird daher eine Investorenausschreibung für das Grundstück durchführen, bei der als Vorgabe ein 2-gruppiger Kindergarten in die Bebauung integriert werden soll.“
Und wenn nun die Kirche eine andere „Sicht“ hat? Wenn sie z.B. eine Investorenausschreibung ohne Kindergarten durchführt, obwohl sie es anders „soll“? Dann ist das neue Baurecht erteilt, und die Stadt und die Familien haben das Nachsehen.
So zahnlos freilich braucht sich die Stadt nicht zu geben: Das Baugesetzbuch gibt der Kommune durchaus die Möglichkeit, ihr öffentliches Interesse durchzusetzen: Beispielsweise kann sie den an der Änderung des Baurechts interessierten Grundstückseigentümer verpflichten, die Errichtung eines Kindergartens durchzusetzen, und zwar nachhaltig, auch bei Weiterverkauf an einen Investor. Dies wäre dann ein städtebaulicher Vertrag nach § 11 BauGB. Oder sie kann nach § 12 einen „vorhabenbezogenen Bebauungsplan“ aufstellen mit einem sog. Durchführungsvertrag. Das Vorhaben wäre dann der Kindergarten.
DIE LINKE brachte deshalb nach all den Diskussionen zwischen der unwilligen Kirchleitung und den Eltern bzw. dem Bezirksbeirat einen Änderungsantrag in den AUT ein, der genau die Nutzung dieser Möglichkeiten verlangt, und der außerdem statt des 2-gruppigen einen 3-gruppigen Kindergarten fordert. Nach Unterstützung für den Änderungsantrag durch die Grünen und sehr vorsichtiger Positionierung der SPD und einigem Hin und Her stellte der Baudezernent Quast schließlich fest: „Ich kann auch erstmal ohne Aufstellungsbeschluss leben. Wir müssen eine Einigung suchen.“ Im Bürgerinformationssystem steht nun als „Bemerkung“ unter dem Tagesordnungspunkt: „Die städtebaulichen Fragestellungen werden vorerst zurückgestellt; vorrangig sind Bedarfe an das Grundstück hinsichtlich Kindergartenplätzen zu klären. Verwaltung erarbeitet Lösung, die den zuständigen Ausschüssen vorgelegt wird.“
Die Kirchenverwaltung wird sich jetzt damit auseinanderzusetzen haben, dass es nicht einfach nach ihrem Willen geht. Wer den Kindergarten dann betreibt, steht auf einem anderen Blatt. Von Seiten der (immer etwas kirchenkritischen) FDP kam noch der Hinweis: Es sei unklug, wenn nach wertsteigernder Umwidmung des Plangebietes einem Kindergartenträger oder am Ende womöglich der Stadt selbst hohe Kosten entstünden. Dann solle doch lieber die Stadt vor Umwidmung ein geeignetes Grundstück im Plangebiet kostengünstig erwerben. Wo die FDP Recht hat, hat sie Recht! Nun darf man erstmal gespannt sein. Die Befassung im AUT war bisher jedenfalls für die Familien ein Erfolg!
Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE