Antifaschist Michael Csaszkóczy vor dem Heidelberger Landgericht
Freispruch im Berufungsprozess von Michael Csaszkóczy !
Der Mannheimer Morgen hat am 13. Januar 2021 einen Artikel zum anstehenden Berufungsprozess von Michael Csaszkóczy veröffentlicht. Wir dokumentieren die dem Artikel zu Grunde liegende gemeinsame Pressemitteilung von DGB, GEW, ver.di, IG Metall Heidelberg im Wortlaut und vollständig (die Red.).
Am 10.02.2021 soll vor dem Landgericht die Berufungsverhandlung des Heidelberger Antifaschisten Michael Csaszkóczy beginnen. Der Realschullehrer wurde im September 2018 in einem haarsträubenden Prozess zu 20 Tagessätzen Geldstrafe verurteilt, weil er im Mai 2017 an einer öffentlich beworbenen AfD-Versammlung im Hilde-Domin-Saal der Stadtbücherei Heidelberg als Beobachter teilnehmen wollte. Das Gericht sprach Csaszkóczy das in der Verfassung verbriefte Recht der Versammlungsfreiheit ab. Er sei „Rädelsführer der Heidelberger Linken“ und gelte damit durch bloße Anwesenheit als „Störer“. Daher habe er „Hausfriedensbruch“ begangen und den Schutz des Artikel 8 Grundgesetz verwirkt.
Die Unabhängigkeit der Jurisdiktion ist ein hohes Gut in der Gewaltenteilung. Diese Unabhängigkeit unterstellen wir auch
der kurzfristig bestellten Richterin. Sie ist mit dem für seine rassistische Tiraden bekannt gewordenen AfD-Bundestagsabgeordneten Glaser verwandt. Obwohl der „gesetzliche Richter“ gemäß Rechtsstaatsprinzip vor einem Prozess feststehen muss und familiäre Beziehungen laut Strafprozessordnung schon beim Anschein einer Befangenheit anzuzeigen sind, wurde eine eingereichte Besetzungsrüge abgelehnt. Auch eine von der Verteidigung als Zeugin benannte Stadträtin der Bunten Linken wurde vom Gericht nicht zugelassen – mit der grotesken Begründung, durch die Anhörung von AfD und Polizeizeugen sei der „Sachverhalt ausreichend aufgeklärt“.
Nicht weniger bizarr waren die äußeren Begleitumstände der sechsstündigen Verhandlung: Abtasten aller Besucherinnen und Besucher, Abgabe der Handys, Ausweisvorlage, Kontrollen und Durchleuchten der Taschen. Wie bei einem Prozess gegen Schwerverbrecher waren im und um den Gerichtssaal 12 Polizisten postiert. Eine juristische Begründung dieser „Sicherheitsvorkehrungen“ wurde erst nach Protest ausgehängt.
Auch für die anstehende Berufungsverhandlung wurde eine ähnlich befremdliche sitzungspolizeiliche Verfügung erlassen: Besucher müssen sich von der Polizei körperlich durchsuchen lassen und für die Dauer der Verhandlung ihre Ausweise abgeben. Die Anwesenheit von Justizwachtmeistern und Einsatzkräften im Gerichtssaal ist ebenfalls angeordnet. Öffentlichkeit ist damit, verbunden mit coronabedingten Einschränkungen, nur bedingt gewährleistet.
Die AfD ist der parlamentarische Arm der extremen Rechten. Anfang 2019 hat sie im Landtag beantragt, ein erneutes Berufsverbot gegen Michael Csaszkóczy zu verhängen. Dass Nazis in diesem Land wieder den Hitlergruß zeigen und morden können, ist unerträglich. Sich dem entschlossen entgegenzustellen, ist Pflicht aller demokratischen Menschen und Organisationen.
Der DGB Heidelberg und die Einzelgewerkschaften kennen Michael Csaszkóczy als einen seit Jahren antifaschistisch engagierten GEW-Kollegen. Gegen sein 2003 verhängtes, vom Verwaltungsgerichtshof als grundrechtswidrig aufgehobenes Berufsverbot als Lehrer und seine bis heute andauernde Überwachung durch den Inlandsgeheimdienst Verfassungsschutz haben wir öffentlich Stellung bezogen. In einem ähnlichen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht am 14.12.2020 nach 15 Prozessjahren die 38 Jahre dauernde Beobachtung des Bürgerrechtlers und Rechtsanwalts Rolf Gössner für rechtswidrig erklärt.
Wir halten es für einen unglaublichen Vorgang, dass Gerichte von der AfD instrumentalisiert werden können. Umso solidarischer stehen wir hinter unserem Gewerkschaftskollegen, der sich seit vielen Jahren für Demokratie und gegen die Rechtsentwicklung in Gesellschaft und Staat engagiert.
Im November 2020 wurde anlässlich 75 Jahre Beendigung der Naziherrschaft in den Räumlichkeiten des Landgerichts eine von Schülern aus Mannheim und Lyon erstellte Wanderausstellung „Mannheim-Izieu-Auschwitz“ eröffnet. Angesichts der Verpflichtung „Nie wieder Faschismus“ hoffen wir, dass Michael ein faires, rechtsstaatliches Verfahren erhält. Die unterzeichneten Gewerkschaften bekräftigen, was wir schon nach der erstinstanzlichen Verhandlung in einer Pressemitteilung im Oktober 2018 erklärt haben:
„Wir erwarten, dass Michael Csaszkóczy in der Berufung freigesprochen wird. Außerdem fordern wir die Landesregierung vorsorglich auf, keine erneuten disziplinarrechtlichen Maßnahmen oder gar ein zweites Berufsverbot gegen den Lehrer zu erlassen.“
Presseerklärung von DGB, GEW, ver.di, IG Metall Heidelberg, 11.01.2021