Entwicklung der Mieten in Mannheim und MA-Neckarstadt
Wie sieht die aktuelle Lage aus?
Die Neckarstadt-West galt lange als Stadtteil mit niedrigen Mieten. Ja, es gibt noch günstige Mieten, allerdings nehmen diese ab, und es trifft immer mehr nur noch bei Bestandsmieten für langjährige Mietverhältnisse zu. Aber auch hier erhöhen die Vermieter immer mehr die Miete und gehen bis an die Grenze dessen, was erlaubt ist. Das sind in Mannheim, wo die Mietpreisbremse Anwendung findet, immerhin noch 15% in 3 Jahren, bis der Mietspiegelwert erreicht ist. Der Mietspiegel, in dem durch die Erhebung von Stichproben die abgeschlossen Mietverträge der letzten 6 Jahre, abgebildet werden, hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt (Schaubild 1). Die allgemeine Preissteigerungsrate und die Lohnentwicklung bleiben insbesondere seit 2010 deutlich zurück.
Dadurch, dass der Gesetzgeber vorgegeben hat, dass Altmietverträge älter als 6 Jahre unberücksichtigt bleiben, wirkt der Mietspiegel als mietpreistreibend. Zum 1. Januar 2020 wurde zwar der Betrachtungszeitraum von vier Jahren auf sechs Jahre verlängert, aber er konnte die Mietpreisentwicklung nicht aufhalten.
Noch höher sind die Mieten und die Mietpreisentwicklung bei Neuvermietung (siehe Schaubild 2). Die Erhöhung wird in Gesamt-Mannheim von 2010 bis 2018 mit 40% angegeben in der Neckarstadt-West mit 33%. Rechnet man die Mietpreisentwicklung von 2018 auf 2020 dazu, die mindestens so hoch wie beim Mietspiegel (8,6%) sein dürfte, kommt man auf Steigerungsraten für die Neckarstadt von ca. 42% und bei der Stadt Mannheim auf 49%.

Quelle: Stadt Mannheim, Wohnungsmarkt-Monitoring 2019, S. 31
Die GBG ist da etwas günstiger
Bezüglich den Angebotsmieten und dem Mietspiegel liegen die Mieten der Wohnungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GBG deutlich darunter (Schaubild 3). In Mannheim besitzt die GBG 19.000, in Neckarstadt-West 1.700 Wohnungen von über 10.000 Wohnungen (17% des Wohnungsbestandes). Bezieht man die Mietpreissteigerungsraten nur auf private Vermieter, kann man erahnen, dass diese noch mal um einiges höher sein wird.
Mietpreisentwicklung = Gentrifizierung?
Die Stadt Mannheim erhebt ja die Daten zum Mietspiegel und zum Wohnungsmarkt-Monitoring. Die Zahlen sind also bekannt. Trotzdem wird die Gefahr der Gentrifizierung – Vertreibung der angestammten Bewohner*innen durch zu hohe Mieten – nicht gesehen. „Von Gentrifizierung lässt (…) sich kaum reden.“ (2. LOS-Bericht 2019/2020, S. 27 *). In der Vorlage V622/2020 hebt die Stadt hervor, dass die Mietpreissteigerungsrate in der Neckarstadt-West unter derjenigen der Stadt liege. Die Angebotsmiete für 2018 in der Neckarstadt-West liegt mit 9,29€ ganze 69ct unter dem gemittelten Stadtniveau.
Man kann die Sache auch anders sehen: 69ct Unterschied pro qm Wohnraum sind doch ziemlich wenig Unterschied im Vergleich zur Wohnqualität in anderen Stadteilen wie Oststadt, Lindenhof und Almenhof. Geschätzte 10€ Angebotsmiete pro qm und kalt sind nicht nur für Menschen mit Transfer-Leistungen zu viel sondern auch für die viel zitierte Krankenschwester oder Feuerwehrmann. Das ist das praktische Problem, das sich für die meisten Menschen, bei einem Umzug in der Neckarstadt-West stellt. Der Stadtteil wird zum Wohnen zu teuer. Insofern ist der Begriff Gentrifizierung richtig. Die Neckarstadt-West gilt als Stadtteil mit der höchsten Fluktuationsrate. Das hat sicherlich auch andere Ursachen. Der Anteil der Student*innen, die naturgemäß kommen und gehen, ist stetig gewachsen. Auch der Anteil Hinzugezogener aus Rumänien und Bulgarien ist ständig gewachsen und der höchste aller Mannheimer Stadtteile. Dem stehen aber Wegzüge von fast 2.000 Menschen aus dieser Bevölkerungsgruppe gegenüber.
Verbesserung der Rechtslage für Mieter*innen bei Modernisierungen
Wenn Vermieter eine Wohnung modernisieren, dürfen sie die Jahresmiete um acht Prozent der auf die Wohnung entfallenden Modernisierungskosten erhöhen. Höchstens darf die Miete wegen Modernisierungen innerhalb von sechs Jahren um drei Euro je Quadratmeter und Monat steigen. Beträgt die monatliche Miete vor der Mieterhöhung weniger als 7€/qm, so darf die Mieterhöhung nicht höher als 2€ sein. Dies gilt erst durch die vom Bund beschlossene Änderung des BGB §559 seit Anfang 2019. Vorher hat es diese Beschränkung auf 3 bzw. 2€ nicht gegeben. Das ist zwar immer noch nicht ausreichend, stellt aber eine wichtige Verbesserung für Mieter*innen bei Modernisierungen dar.
Eine grundsätzliche Änderung in der Wohnungspolitik ist notwendig
Auch wenn es einige wenige Verbesserungen im Mietrecht gegeben hat, so haben sich die Maßnahmen als vollkommen unzureichend erwiesen. Hierzu bedarf es eines Paradigmenwechsel in der Wohnungspolitik auf kommunaler, Landes- und Bundesebene. Das höchstrichterliche Urteil zum Mietendeckel in Berlin hat deutlich gemacht, wie wichtig hierbei die Bundesebene ist.
Zentrale Forderungen hierbei sind:
- Der bezahlbare Wohnraum darf nicht weiter abnehmen, sondern muss stattdessen forciert werden!
- Aktive Maßnahmen zur Mietpreisbegrenzung!
- Kommunale Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften und gemeinwohlorientierte Sozialwohnungen müssen Vorrang haben vor Rendite-orientierten Privatinvestoren!
Was sollte von der Stadt Mannheim als nächstes getan werden:
- Das 2019 vom Gemeinderat beschlossene 12-Punkte-Programm ist ein wichtiger erster Schritt, muss aber in vielerlei Hinsicht ausgebaut werden.
- Der Kommunalen Grundstückspool wird begrüßt, muss aber ausgeweitet werden.
- Das Vorkaufsrecht durch die Stadt zugunsten preiswerten Wohnraums sollte erweitert werden.
Außerdem gehören auf die Agenda:
- Zweckentfremdungsverbot
- Reglementierung von Investoren
- stärkere Beratung und Unterstützung für Wohnprojekte und Genossenschaften
- Unterstützung bei Wohnungstausch
- Unterstützung für Wohnungssuchende und Wohnungsbetreuung
- Überprüfung und Einhaltung der Mietpreisbremse
Auf Landesebene stehen an:
- Mehr Förderung für den sozialen Wohnungsbau
- Wiedergründung einer landesweiten Wohnungsbaugesellschaft
Auf Bundesebene:
- Änderung des Mietenspiegels, damit er alle Mieten abbildet
- Einführung einer neuen Gemeinnützigkeit für gemeinwohlorientierte Wohnungsbaugesellschaften
- Bundesweiter Mietendeckel
- Mietenstopp in angespannten Wohnlagen
- Einführung eines Sozialen Bodenrechts
Endlich regt sich nun auch in Mannheim etwas, was gesellschaftliche Bündnisse für bezahlbares Wohnen angeht. Ein Wohnnetzwerk für bezahlbares Wohnen mit vielen Akteuren aus Parteien, Verbänden, Wohngruppen und Initiativen ist zur Zeit am Entstehen. Nun hat auch Baubürgermeister Eisenhauer angekündigt, dass die Verwaltung die Initiative für ein „Bündnis Wohnen“ starten will, das sich zweimal im Jahr treffen soll. Man kann gespannt sein, wie sich diese Projekte in Zukunft entwickeln. Kommunalinfo wird berichten.
Roland Schuster
(*) Der LOS Bericht 2019/2020 Lokale Stadterneuerung stellt eine Vielzahl von positiven Maßnahmen der Stadt Mannheim für die Stadtteilentwicklung in der Neckarstadt-West dar. Ein Schwachpunkt ist allerdings der wohnungspolitische Teil.