Gegen Luxussanierung: Nachbericht zur Kundgebung in der Neckarstadt-West
Offenes Stadtteiltreffen Neckarstadt: Wahre Worte – laute Worte
Luxuswohnung mit Swimmingpool und Dachterrasse in der Neckarstadt-West?
Was zunächst wie ein makabrer Scherz klingt, soll mit dem Bauantrag des Immobilienunternehmens Hildebrandt und Hees in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Yalla Yalla Realität werden. Für die derzeitigen Bewohner*innen des Dachgeschosses wäre das bitterer Ernst, denn ihr Zuhause würde sich in Luft auflösen. Uns als Offenes Stadtteiltreffen Neckarstadt war schnell klar, dass der skandalöse Bauantrag zum Luxussanierungsumbau des Dachgeschosses der Dammstraße 19 auf keinen Fall unter den Tisch gekehrt werden darf.
Gemeinsam mit einem der Bewohner des Hauses einigten wir uns schnell, dass eine Kundgebung vor dem Wohnhaus diejenige Maßnahme ist, die wir unbedingt ergreifen sollten. In den vergangenen Wochen haben wir uns also darum bemüht, die Kundgebung zu planen, anzumelden und zu organisieren. Vergangenen Freitag, den 21.05.2021 war es so weit.
Ein eigener Redebeitrag des Offenen Stadtteiltreffens der Neckarstadt machte den Anfang. Die Erfahrung der vergangenen Monate und Jahre zeigte uns, dass die Dreistigkeit der Investoren in städtisch deklarierten Sanierungsgebieten kaum zu übertreffen ist. Was die Folgen für die Bewohner*innen solcher Stadtteile sind, und welche sozialen und finanziellen Folgen (Auswirkungen)sich daraus ergeben, wird dabei nicht berücksichtigt. In unserem Redebeitrag war uns darum wichtig herauszuarbeiten, dass das Vorhaben in der Dammstraße 19 kein Einzelfall ist, kein Alien in der Stadtentwicklung, sondern vielmehr ein weiteres unsoziales, gieriges Vorhaben zum Nachteil Einzelner.
Im Anschluss an unseren Redebeitrag folgte ein Grußwort von Dennis Ulas, der seine Solidarität mit den BewohnerInnen der Dammstraße 19 zum Ausdruck brachte und sich besorgt zeigte bezüglich der derzeitigen Entwicklungen in der Neckarstadt. Er schloss sich den Inhalten unseres Beitrags an und betonte die Bedeutsamkeit von Bürgerinitiativen im Stadtteil.
Als weiterer Redner trat Gabriel Höfle vom Mieterverein Mannheim auf, der seine Worte deutlich wählte, indem er die Kooperation der Stadt Mannheim mit genannten Großinvestoren benannte und die Verantwortung klar bei der Stadtpolitik Mannheim sieht. Herr Höfle wähnte sich aber auch hoffnungsvoll. So betonte er, dass das Vorhaben, welches aus dem Bauantrag hervor geht, bei jetzigem Stand nicht rechtens und nach Prüfung durch Juristen des Mieterverein Mannheim in jetziger Form nicht legal umsetzbar sei. Eine kleine Erleichterung, doch bei weitem nicht das Ende der Debatte. Die Problematik des Handelns von H&H sitzt tiefer als besagter Bauantrag des Unternehmens.
Darauf geht auch Toralf Hauspurg in seiner Rede ein. Er ist der Bewohner des Hauses in der Dammstraße 19, der von dem Luxusumbau im Dachgeschoss betroffen wäre, denn seine Wohnung ist eine der beiden, die diesem Bauvorhaben zum Opfer fallen würden. Herr Hauspurg ging emotional auf seine Situation und persönliche Betroffenheit ein. Es sei für ihn sehr belastend, sich vorstellen zu müssen, aus seinem zu Hause vertrieben zu werden. Mit einer derartigen Machenschaft konfrontiert zu sein, habe er sich niemals vorstellen können. Gleichzeitig ging er auf die Mechanismen und Hintergründe des Unternehmens Hildebrandt und Hees ein und verdeutlicht allen Anwesenden dadurch eindrücklich, wie eng vernetzt politische und unternehmerische Player in der Gestaltung der Neckarstadt sind, und wie eben diese Entscheidungsträger eindeutig und zweifelsfrei auf eine Hauptsache abzielen: Profite!
Auch wir als OST empfinden die oberflächlich positiven Bestrebungen von LOS bzw. MWSP, den Lokalpolitikern von SPD und Grünen sowie das Reinemach-Image von H&H als heuchlerisch. Vordergründig werden die Motive genannter Akteure als Aufwertung und Verbesserung unseres Stadtteils für alle verkauft. Es solle hier hübscher werden, sauberer, freundlicher. Weniger Kriminalität, mehr familienfreundliche Orte. Diese bestimmt unterstützenswerte Entwicklung wird nicht durch ein schickes Café in der Lutherstraße und auch nicht durch eine Wohnung mit Swimmingpool erreicht. Diese Ziele sollten mit Unterstützung von Anwohner*innen, als auch fachlicher Einbeziehung von Pädagog*innen, Soziolog*innen und Sozialarbeiter*innen erfolgen. Nur so kann eine Bewohner- statt einer profitorientierten Veränderung zugunsten der Menschen im Stadtteil stattfinden.
Die Veränderung der Partizipationsmöglichkeiten innerhalb des Systems und die Berücksichtigung aller Lebensrealitäten und -welten innerhalb eines Stadtteils sind dazu unabdingbar. Unabhängige Bürgerinitativen sollten ernst genommen und geachtet, gehört und respektiert werden. Wie wir am vergangenen Freitag feststellen durften, gibt es von Seiten der Bürger*innen Mannheims großes Interesse am derzeitigen Verlauf der Geschehnisse rund um die Dammstraße 19, die bei weitem nur die Spitze des Eisbergs bilden. Unter den gut 150 Teilnehmer*innen der Kundgebung waren neben den Aktivist*innen des Offenen Stadtteiltreffens und den Bewohner*innen der Dammstraße 19 selbst, auch Vertreter*innen der Interventionistischen Linken, FairMieten, des Ewwe Longts, des Hausprojekts Viertel 8, des Mieterverein Mannheim, des Mietshäusersyndikates Mannheim und viele weitere interessierte Menschen aus dem Stadtteil präsent.
Bis auf die Anwesenden der Partei die Linke gab es keine Politiker*innen der Stadt Mannheim, die den Weg zu uns fanden. Hatten sie sich auf dem Weg verlaufen oder wäre die direkte Konfrontation mit Betroffenen doch zu nah für deren Geschmack gewesen? Ein SPD-Politiker gab erst in einem kürzlich geführten Gespräch mit dem Offenen Stadtteiltreffen an, dass er selbst sehr an Bürgernähe interessiert sei und den direkten Kontakt mit den Mannheimer*innen suche. Als Leiter der Steuerungsgruppe der Lokalen Stadterneuerung sei ihm das eigentlich ein großes Anliegen. Auch ein grüner Politiker, der nur einen Steinwurf entfernt von der Dammstraße 19 wohnt, schien mehr mit der Pflege seiner Rooftop-Terrasse beschäftigt, statt sich mit Themen zu befassen, die seine potentiellen Wähler*innen interessieren. Leider glänzte auch das Quartiersmanagement der Neckarstadt-West mit durch Abwesenheit. Doch durch Ignoranz werden wir nicht stummgeschaltet, durch Abwertung werdet ihr nicht besser, uns kleinzureden macht euch nicht größer. Wir erwarten einen achtsamen Umgang mit allen Neckarstädter*innen, und das nicht nur unter der Bedingung, dass sie sich 14€/qm Kaltmiete leisten können.
Wir sind sehr froh und dankbar, dass so viele Menschen an der Kundgebung zur Dammstraße 19 teilgenommen und zugehört haben, sich einsetzen und kritisch bleiben. Für uns war diese Kundgebung ein wichtiger Schritt in eine Richtung, die Bewohner*innen schützt und stützt! Wir konnten weitere Unterschriften sammeln und im Anschluss an die Veranstaltung viele spannende Gespräche führen. Wir durften Kontakte knüpfen und Freundschaften pflegen. Das hat uns nicht nur für die Zukunft Kraft geschenkt, sondern auch unterstrichen, wie groß das Interesse der Bevölkerung zum am Thema Gentrifizierung ist und bleibt! Vergangenen Freitag wurde aufgeklärt, solidarisiert und gekämpft. Wir sind bereit für weitere Aktionen, Kundgebungen und Austausch und freuen uns über jeden und jede die dazu beitragen möchte, unseren schönen Stadtteil bewohn- und bezahlbar zu halten!
OSTwind statt Westwind!
Nachbericht des Offenen Stadtteiltreffens OST von der Kundgebung vom 21-05-2021 in der Neckarstadt