GRÜNE Verkehrspolitik in Mannheim
Wem gehört die Straße?
Die Verkehrswende kriecht in Mannheim im Schneckentempo
Über die Verkehrswende wird momentan viel diskutiert. Es scheint, als seien viele von ihrer Notwendigkeit überzeugt, dennoch will offenbar kaum jemand Einschränkungen der motorisierten Individual-Mobilität hinnehmen. Wenn es darum geht, zugunsten des Rad- und Fußverkehrs und des öffentlichen Raums den Autoverkehr und dessen Stellflächen einzuschränken, wird es schnell sehr still. Alternative Angebote seien noch zu schlecht und man müsse diesen erst ausbauen, bevor man den Autoverkehr einschränke.
Ehrlich gesagt, ich verstehe das nicht. In einer Stadt wie Mannheim ist der Rad- und Fußverkehr eine sinnvolle, und aufgrund der Gegebenheiten, eine gute mögliche Alternative. Das Zentrum der Stadt ist kompakt und zu Fuß innerhalb von 15 bis 20 Minuten für gesunde Menschen leicht zu durchlaufen. Der ganze weitere Stadtraum wäre bei guten Radverbindungen von Süd nach Nord oder Ost nach West in 30 bis 45 Minuten zu bewerkstelligen. Auch der ÖPNV bietet bereits eine nicht zu verachtende Alternative, die natürlich noch immer verbesserungswürdig ist, besonders am Abend und bei den Anschlüssen.
Wer gute und komfortable Alternativen auch für den Radverkehr will, muss dem Autoverkehr Raum nehmen. Uns bleibt kaum noch Zeit, der Klimawandel hat uns eingeholt, vielleicht schon überholt. Wir müssen jetzt und dringend handeln, vor allem in der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik, aber auch als Einzelpersonen, die durchaus etwas mit ihrem Verhalten bewirken können.
Bei Diskussionen um die Verkehrswende drehen sich Diskussionen oft um Ausnahmen. Das Auto soll ja auch nicht gänzlich verbannt werden, Menschen, die darauf angewiesen sind, nicht vergessen werden. Wenn der bestehende Bestand von rund 42 Millionen in Deutschland, auf „E-Autos“ umstellen würde, wäre uns auch wenig geholfen. Auch hierfür würden Rohstoffe und Ressourcen verbraucht und eine Unmenge an Flächen für fahrende und stehende Fahrzeuge verbraucht. In Hitzesommern tragen sie selbst beim einfachen Herumstehen noch zur Erhitzung des Umfeldes bei. Wer sich einmal in einem parkenden Auto in der Sommerhitze aufgehalten hat, kennt den „Backofeneffekt”.
Die Angebote der Autoindustrie sind zum größten Teil noch immer wenig nachhaltig. Nehmen wir einmal den Audi Q4 E-Tron Quattro, der gerade in den Werbespots durch leere (!) Stadtstraßen fährt. Er wiegt ca. 2.600 Kilo und belegt mit seinen rund 5×2 Metern eine Fläche von 10 bis 13Quadratmetern inkl. der Abstände. Fährt dieser, meist nur mit einer Person besetzt, durch Mannheims Quadrate, kann er in aller Regel die geforderten 1,50 Meter Abstand zu Radfahrer*innen unmöglich einhalten. In der Marktstraße reicht er mit seinen Außenspiegeln und den rechten Rädern in die ohnehin schon extrem schmale Fahrradspur und macht den schmalen Grat für Radfahrer*innen auf den wenigen Zentimetern Radweg mit zur rechten Seite sich öffnenden Autotüren zu einem Horrortrip. Solche Fahrzeuge sind, gelinde ausgedrückt, der reine Irrsinn. Kaum zu verstehen, dass sie noch immer nachgefragt sind und noch immer gebaut werden. Mit über 2,5 Tonnen ruinieren diese Fahrzeuge Gehwegplatten und Straßenbeläge, Baumscheiben haben schwer zu tragen und lassen Stadtbäume unter der Last schwer leiden. Für diese Schäden kommt die Allgemeinheit auf.
So weh es tun mag und so wenig es viele Politiker*innen sich trauen es laut zu sagen: Es bleibt nichts anderes übrig, als den Autos Raum zu nehmen und die Bedingungen für Haltung, Parken und Betreiben von Autos zu erschweren und sie den realen gesellschaftlichen Kosten anzupassen. Und ja, mit Einbezug der angesprochenen Ausnahmen.
Wenn gerade jetzt über die Gebühren für die Bewohner*innenparkausweise diskutiert wird, dann aus gutem Grund. Lange war diese Gebühr vom Bund gedeckelt. In Mannheim deckt der Betrag von 30,70 Euro im Jahr für 16.500 Parkausweise nicht einmal die Verwaltungskosten. D.h. die Allgemeinheit legt für das „Recht” auf Parken im Wohnumfeld noch drauf. Natürlich muss man dabei die sozialen Aspekte berücksichtigen und Lösungen dafür finden, aber es kann sicher nicht so bleiben, dass eine Tankfüllung mehr kostet, als das Abstellen im wertvollen und begrenzten öffentlichen Raum, der ja allen ausnahmslos zur Verfügung stehen sollte, momentan aber vor allem von „Stehzeugen“ beansprucht wird.
Wenig sozial ist längst die Spanne zwischen den öffentlichen Kosten für den Autoverkehr und denen für den Rad- und Fußverkehr. Denn gerade jene Stadtbewohner*innen, die sich kein Auto leisten können und auf das Fahrrad angewiesen sind oder den ÖPNV nutzen, sind die Leidtragenden der Diskussion.
Vergleicht man die jährliche Minigebühr des Bewohner*innenparkausweise mit einer Monatskarte in der ÖPNV-Großwabe mit einem Jahrespreis von 1.137,60 Euro, wird das drastische Missverhältnis offensichtlich. Aber auch der Vergleich mit einem Stellplatz im Parkhaus von im günstigsten Fall 648 Euro jährlich macht deutlich, welche sozialen Ungerechtigkeiten seit langem vorhanden und stillschweigend akzeptiert sind.
Ich bin gespannt, wie sich in Mannheim dieses Thema entwickelt und wie ehrlich sich dabei die Verwaltung und die Kommunalpolitik positioniert. Ich setze auch auf die wachsenden Initiativen und Bewegungen in der Stadt, die endlich das Tempo der Verkehrswende erhöhen wollen.
Gerhard Fontagnier, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen Gemeinderatsfraktion