Nachruf auf Winfried Wolf – er hat auch in Mannheim seine Spuren hinterlassen
Politiker, Aktivist, Buchautor, Journalist – Revolutionärer Sozialist und zeitweise Bundestagsabgeordneter
Am 22. Mai 2023 verstarb Winfried Wolf im Alter von 74 Jahren in Berlin. Es sind schon einige Nachrufe und Würdigungen zu Winfried Wolf geschrieben und publiziert worden. Zuletzt erschien in der Wochenendausgabe der TAZ vom 3. Juni eine von vielen Mitstreitern unterstützte halbseitige Todesanzeige.
Als zeitweiser politischer Mitstreiter will auch ich im Kommunalinfo Mannheim an Winfried Wolf erinnern, denn er hat auch hier in Mannheim tiefe Spuren hinterlassen. Wolf war von 1994 bis 2002 Bundestagsabgeordneter der PDS, die 2007 zusammen mit der WASG einer der Gründerorganisationen der LINKEN sein sollte. Der bundesweit einschlägig bekannte Wolf war zunächst nicht Mitglied der PDS, wurde aber trotzdem als Spitzenkandidat für die Landesliste der PDS Baden-Württemberg aufgestellt. 1998 kandidierte Wolf außerdem erfolgreich als Wahlkreiskandidat für den Wahlkreis Mannheim. Als Wolf 2002 noch einmal kandidierte, scheiterte die PDS an der 5%-Hürde.
Wolf engagierte sich in vielerlei Hinsicht auf bundesweiter Ebene. Erinnert sei an die Bereiche Verkehrs- und Friedenspolitik, später engagierte er sich außerdem in der Ausarbeitung eines neuen Parteiprogramms. Trotzdem fand Wolf die Zeit, auch in Mannheim seine Spuren zu hinterlassen. Erinnert sei an die monatlichen „Jour fixe“, die „Neues aus Bonn“ später „Berlin“ brachten. Kenntnisreich und nie langweilig und immer gut vorbereitet, brachte der die Fragestellungen von Bundes-, ja Weltpolitik, nach Mannheim und konnte einiges berichten, was für das Publikum im wahrsten Sinne des Wortes neu war. Wolf war dabei immer sehr engagiert, ohne dabei in platte Propagandahülsen zu verfallen. Deshalb wurden die diskussionsfreudigen Veranstaltungen immer gerne besucht und strahlten weit über die Parteimitgliedschaft hinaus.
Wie erwähnt, engagierte sich Wolf in herausragender Weise insbesondere in zwei Bereichen. Winfried Wolf kämpfte für die Abkehr von der Autogesellschaft und vom „Autowahnsinn“, lange bevor das Wort „Verkehrswende“ bekannt, geschweige denn in aller Munde war. Mit „Bürgerbahn statt Börsenbahn“ z.B. kämpfte er gegen die Privatisierung der Deutschen Bahn und arbeitete unermüdlich an Bündnissen für eine andere Verkehrspolitik. Ausgelöst durch den Nato-Krieg gegen Jugoslawien gehörte die Friedenspolitik zu Wolfs zentralem politischem Engagement. Bis zu seinem Tod war Wolf verantwortlicher Mitherausgeber der „Zeitung gegen den Krieg“. Die letzte Ausgabe erschien im März 2023.
Wolf, der aus der politischen Strömung des Trotzkismus entstammt und sich dieser auch immer zugehörig gefühlt hat, verstand sich als revolutionärer Sozialist. Da er aber wusste, dass man für politische Veränderungen den eigenen Wirkungskreis verbreitern muss, versuchte er mit seinem Wirken in vielen anderen politischen Zusammenhängen, auch als Bundestagsabgeordneter und in der PDS, neue Wege zu gehen und Brücken zu schlagen.
Notgedrungen begab er sich wie viele andere radikale Linke in einen strategischen Dauerkonflikt Reformpartei versus Revolutionspartei, Regierungspartei oder Daueropposition. Sein Kampf gegen die damals regelrecht in Mode gekommen Privatisierung öffentlichen Eigentums war hierbei sehr hilfreich. Dabei machte der von CDU / FDP / SPD und Grünen betriebene Privatisierungswahn auch nicht vor Teilen der PDS halt. Erinnerts sei an die Verkäufe der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften in Berlin und Bonn.
Andererseits verkämpfte sich Wolf in mancherlei Hinsicht durch unnötige Frontstellung. Seine überragende und schnelle Auffassungsgabe war durchaus auch gepaart mit revolutionärer Ungeduld und politischer Rigorosität, die zu vorschnellen Schlüssen führen konnte.
Die Auseinandersetzung um das neue Parteiprogramm der PDS führte letztlich 2004 zu seinem Austritt. Über die WASG fand der zunächst wieder in die gemeinsame LINKE Partei, obwohl deren Programmatik mitnichten „revolutionärer“ war. Der Bundestagsabgeordneten Sabine Leidig, verkehrspolitische Sprecherin der LINKEN-Fraktion, stellte er seinen Sachverstand zur Verfügung und arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Bundestagsbüro.
Noch ein Bezug zu Mannheim, der aber auch Wolfs vielfältiges politisches Wirken zeigt: Anlässlich der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise gründete Wolf 2008 die quartalsweise erscheinende Zeitschrift „Lunapark21 – Zeitschrift zur Kritik der politischen Ökonomie“. Für die Gestaltung dieser Publikation ist der mit ihm befreundete und in Mannheim ansässige Bernd Köhler verantwortlich.
Wolf oder „Winnie“, wie er von seinen Freunden genannt wurde, war Politiker, Aktivist, Journalist und Buchautor in einer Person. Bis zu seinem Tod arbeitete und kämpfte Wolf für seine sozialistischen Ideale und eine bessere Welt. Noch am 21. Februar dieses Jahres sprach er anlässlich des Jahrestags des russischen Krieges gegen die Ukraine in einem voll besetzten Raum im Mannheimer Gewerkschaftshaus über die Hintergründe dieses Krieges und wie denn dieser beendet werden könnte.
Nur sechs Wochen später erlag Winfried Wolf einer schweren Krankheit.
Roland Schuster