Kommentar: “Halbherzige Umbenennung der Rheinauer Straßennamen”
Leserbrief zum Thema Straßenumbenennung in Mannheim-Rheinau
Laut Mannheimer Morgen wurde der Vorstoß des AFD-Stadtrates Finkler, die Umbenennung von Straßen in Rheinau Süd, die in der Nazizeit nach sog. Kolonialpionieren benannt worden waren, laut beklatscht. Dies sei eine „Riesensauerei“, von „ideologisch gesteuerten Menschen“ in Gang gesetzt.
Die AFD lehnt in ihren Programmen Straßenumbenennungen und „Entkolonialisierung“ als „„antiweißen“ Affekt“ ab. Sie wehrt sich gegen „Schuld- und Schamkultur“ bzgl. der Kolonialverbrechen. Die Ermordung von zehntausenden Menschen in bspw. Namibia und Ostafrika, Zwangsarbeit und Prügelstrafen, Landraub, Raub von Bodenschätzen und Kulturgütern in der Deutschen Kolonialzeit sieht sie in ihrer Tradition von völkischer Politik „differenziert“.
Der Widerstand dieser Geschichtsrevisionisten gegen die Umbenennung der Straßennamen ist also Programm.
Erstaunlicher erscheint, dass im Rheinauer Bezirksbeirat auch von anderer Seite dem Arbeitskreis Kolonialgeschichte Mannheim vorgeworfen wird, er sei „ideologisch“ – wie immer das gemeint ist. Ist es nicht ‚ideologisch‘ eine Straße lieber wieder nach einem Kolonialisten oder nach Isabelle Eberhardt einer mehr als zweifelhaften Persönlichkeit zu benennen, als nach der weltweit geehrten Umweltaktivistin und Friedensnobelpreisträgerin Maathai, nur damit partout keine Straßen nach afrikanischen Menschen geehrt werden? Der AK Kolonialgeschichte Mannheim und andere haben die Verstrickung von Mannheimer Persönlichkeiten und Institutionen in Kolonialverbrechen nachgewiesen. Mit den Folgen leben die Nachkommen in den ehemaligen Kolonien bis heute, nicht wenige sind immer noch landlos.
Andere Städte, die durch koloniale Ausbeutung reich geworden sind wie Hamburg, Bremen, Köln oder Hannover, arbeiten ihre Kolonialgeschichte auf. Sie gründen bspw. Beiräte und entwickeln Konzepte zur Aufarbeitung der Kolonialverbrechen, die auf Rassismus gegründet waren.
Die Aufarbeitung der Kolonialen Verantwortung der Stadt Mannheim ist mit der halbherzigen Umbenennung der Rheinauer Straßennamen noch lange nicht abgeschlossen. Im Gegenteil. Der Ausgang der Wahlen zeigt: Übernahme von Positionen der Rechten wird nicht honoriert. Höhnisch zitierte die AFD auf der Kundgebung am Paradeplatz Kanzler Scholz zur Abschiebung von Geflüchteten. Solidarisches Handeln und klare Positionen gegen Rassisten sind so dringlich wie lange nicht. Auch, aber nicht nur bei der Umbenennung von Straßennamen.
Margarete Würstlin
Zum Kontext: Pressemitteilung der Stadt Mannheim, Politik & Verwaltung – 11.07.2024
Beschluss für Straßenumbenennung Rheinau
Mit großer Mehrheit hat der Gemeinderat die Umbenennung von vier Straßen im Stadtteil Rheinau beschlossen. Damit geht ein breit angelegter Prozess zu Ende, der mehr als zwei Jahre andauerte und an dem alle Mannheimerinnen und Mannheimer beteiligt wurden.
Die Gustav-Nachtigal-Straße wird in Marco-Polo-Straße umbenannt.
Die Leutweinstraße wird in Ida-Pfeiffer-Straße umbenannt.
Die Lüderitzstraße wird in Neumayerstraße umbenannt.
Der Sven-Hedin-Weg wird in Isabelle-Eberhardt-Straße umbenannt.
Die neuen Benennungen haben ihre Gültigkeit zum nächsten Quartalsbeginn, welches drei Monate nach Bestandskraft des Beschlusses folgt. Dies ist der 01.01.2025, soweit kein Widerspruch eingelegt wird. Die aufgrund der Umbenennung notwendigen Adressenänderungen werden für die Betroffenen kostenfrei sein. Der Hauptausschuss hat sich zudem positiv darüber ausgesprochen, dass Gewerbeleute und freiberuflich Tätige eine Unterstützungsleistung in Höhe von 500 Euro erhalten. Die Entscheidung trifft der neue Gemeinderat in seiner ersten Sitzung am 23. Juli.
Den Grundsatzbeschluss der Umbenennung hatte der Gemeinderat im Februar 2022 gefasst. Die neue Namensgebung wurde in einem mehrstufigen Bürgerbeteiligungsprozess vorbereitet. Im März dieses Jahres konnten alle Mannheimerinnen und Mannheimer zwei Wochen lang aus 18 geprüften Vorschlägen ihre Favoriten für die neuen Straßennamen bestimmen. Insgesamt 3.377 gültige Stimmen gingen ein, davon kamen 27,5 Prozent aus dem betroffenen Stadtteil Rheinau-Süd. Die vier Namen mit den meisten Stimmen deckten sich mit den favorisierten Vorschlägen der Siedlergemeinschaft: Marco Polo, Ida Pfeiffer, Georg Balthasar Neumayer und Isabelle Eberhardt. Das Ergebnis wurde dem Bezirksbeirat Rheinau am 12. Juni vorgestellt und dort einstimmig befürwortet. Der vollständige Prozess ist unter www.mannheim-gemeinsam-gestalten.de/dialoge/strassennamen-rheinau-sued abgebildet.
Stadt Mannheim