SPD-Mitglieder initiieren Offenen Brief zur Asylpolitik
Vorbemerkung des Kommunalinfos
“Eintreten für Würde” Unter dieser Losung initiierten ca. 30 bekannte SPD-Mitglieder den hier wiedergegebenen Offenen Brief zur Asylpolitik. Unter Bezug auf sozialdemokratische Werte betont der Brief die Bedeutung der Menschenrechte und formuliert eine scharfe Kritik der asylpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung. Initiiert haben den Brief etwa die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission Gesine Schwan, Juso-Chef Philipp Türmer und weitere Juso-Landesverbände, Mitglieder des Bundestages, des Europaparlaments und verschiedener Landtage. Bis heute (2.10.) haben über 13.000 Menschen unterschrieben, davon über 7.000 Nicht-SPD-Mitglieder. Das ‘Rote Quadrat’, der wöchentliche Newsletter des SPD-Kreisverbandes Mannheim, gibt in seiner aktuellen Ausgabe den Offenen Brief wieder. Bei den Unterzeichnenden finden sich viele aus Mannheim und der Region – mit und ohne Parteibuch.
Kommunalinfo Mannheim veröffentlicht gerne diesen Offenen Brief.
Initiative „Eintreten für Würde“
Offener Brief an unsere Genoss*innen im Bundeskabinett, im Bundestag, im Willy-Brandt-Haus
Eintreten für Würde: Menschenrechte wahren, Asylrecht verteidigen, sozialdemokratische Werte leben!
Die Sozialdemokratie hat stets und allen Widerständen zum Trotz die Menschenwürde verteidigt und sich seit ihrer Gründung vor über 160 Jahren für internationale Solidarität eingesetzt. Als Sozialdemokrat*innen ist es unsere historische und immerwährende Aufgabe, uns für diejenigen einzusetzen, die auf Schutz angewiesen sind, ihre Würde zu wahren und allen Ressentiments entschieden entgegenzutreten. Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sind unsere Grundwerte, die uns insbesondere in schwierigen, krisenhaften Zeiten leiten sollten. Kaum eine andere Partei steht so überzeugt und kämpferisch für die Europäische Idee, für das Friedensprojekt Europa und die Europäische Integration.
Das islamistische Attentat in Solingen verurteilen wir auf das Schärfste. Es hat einmal mehr die Gefahr aufgezeigt, die von religiösem Fanatismus insgesamt und dem Islamismus im Speziellen ausgeht.
Unser Staat muss in der Lage sein, seine Bürger*innen zu schützen und effektiv gegen jegliche Formen des Extremismus vorzugehen. Dafür müssen wir umso mehr auf migrantische Stimmen hören, die vom Islamismus bedroht sind.
Es kann und darf jedoch nicht der Fall sein, dass das Ziel, Bürger*innen zu schützen, genutzt wird, um Menschen pauschal auszugrenzen, ganze Gruppen der Gesellschaft zu stigmatisieren und rassistische und fremdenfeindliche Narrative zu bedienen. Die Debatte der letzten Tage ist ein Weckruf zur Verteidigung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und ganz konkret der Menschenrechte.
Mit Trauer, Wut und Entsetzen mussten wir in den vergangenen Tagen mitverfolgen, wie führende Sozialdemokrat*innen einen Diskurs der Ausgrenzung und Stigmatisierung mitbefeuert haben, indem Maßnahmen von Zurückweisungen an den Grenzen vorangetrieben und grenznahe Inhaftierungen als vermeintliche Lösung für ein so komplexes Problem wie Extremismus vorgeschlagen wurden. Eine ganze Menschengruppe wird mit dieser Politik für die Tat eines Einzelnen pauschal unter Terrorismusverdacht gestellt und in ihren Rechten substanziell eingeschränkt.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen der Kürzung der Sozialleistungen unter das Existenzminimum und Hinderung der Einreise entmenschlichen Asylsuchende und sind dabei weder mit dem europäischen Gedanken, dem europäischen Recht, noch mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar. Diese Maßnahmen sind nicht nur ineffektive Scheinlösungen gegen islamistischen Terrorismus, sondern sie legitimieren rechtspopulistische und rechtsextreme Narrative gegen Geflüchtete und verstärken auch einen migrationsfeindlichen, rassistischen Diskurs von Rechts, der insbesondere von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in diesem Land mit großer Sorge aufgenommen wird.
Islamismus und Rechtsextremismus eint ihre fundamentale und hasserfüllte Ablehnung von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und unserer liberalen, pluralistischen Gesellschaft. Sie eint die Strategie, Angst zu verbreiten und die Gesellschaft zu spalten. Die Aufgabe der Sozialdemokratie ist es, sich jedweder Form von Terror, Demokratie- und Menschenfeindlichkeit konsequent entgegenzustellen.
Die SPD darf nie die menschenfeindlichen Narrative und Positionen rechter Parteien aufgreifen und damit normalisieren. Die Sprache der Rechten zu übernehmen, wenn es um Asylsuchende geht, die vor Krieg und Chaos fliehen, und geschlossene Grenzen innerhalb Europas zu planen – ein solcher Schwenk befeuert die Positionen der extremen Rechten. Ihnen gelingt damit eine für unsere Demokratie und unsere Gesellschaft brandgefährliche Verschiebung des Diskursraumes. Die klare, uneingeschränkte Brandmauer gegen Rechts muss sich stattdessen in den politischen Taten und Worten der Sozialdemokratie widerspiegeln.
Wir stehen für unsere Grundwerte, Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität und für die unantastbare Würde des Menschen. Wir stehen gegen Populismus, Rassismus, Menschenfeindlichkeit.
In diesem nun eingeschlagenen Kurs, der sich immer weiter entfernt von unseren Grundüberzeugungen und -werten, sehen wir keine Zukunft für die Sozialdemokratie. Es geht uns nicht nur darum, dass die Sozialdemokratie wieder gestärkt wird – uns geht es um nichts weniger als um den Fortbestand unserer parlamentarischen Demokratie. Das Nachgeben der demokratischen Parteien vor rechten Forderungen gefährdet die Demokratie und unsere Gesellschaft nachhaltiger, als es Faschisten alleine jemals könnten. Gerade wir als Sozialdemokratie sollten das aus der deutschen Geschichte gelernt haben.
Wir fordern daher die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung und des Bundestages auf, sich wieder für eine humane Asylpolitik einzusetzen, die keine rechten Fantasien von geschlossenen Grenzen reproduziert und stattdessen europäisches Recht sowie internationale Solidarität achtet. Wir fordern Euch auf, Euch auf unsere Grundwerte als handlungsweisend für politische Entscheidungen und Debatten zu besinnen und nicht vermeintlichen Umfragen oder Stimmungen hinterherzulaufen.
Wir fordern Euch auf, euch für eine effektive Bekämpfung des Extremismus durch Prävention, Förderung des Zusammenlebens und durch Stärkung des Rechtsstaats einzusetzen.