„Niemals Frieden im Nahen Osten?” Gut besuchte Veranstaltung im Gewerkschaftshaus Mannheim
Informations- und Diskussionsveranstaltung mit Andreas Zumach
Der Informations- und Diskussionsbedarf ist offensichtlich bei diesem komplexen und schwierigen Thema sehr groß: “Israel/Palästina, Libanon, Syrien… niemals Friede im Nahen Osten?” lautete der Titel einer Veranstaltung, zu der die Deutsche Friedensgesellschaft / Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mannheim/Ludwigshafen und die IPPNW Mannheim/Rhein-Neckar (Internationale Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzt*innen in sozialer Verantwortung e.V.) am 6. Februar eingeladen hatten. Der große Saal des Gewerkschaftshauses Mannheim war mit seinen 120 Sitzplätzen bis auf den letzten Platz gefüllt.
Mit Andreas Zumach (*), Journalist und Publizist, konnte ein Referent gewonnen werden, der sich mit dieser Thematik exzellent auskennt.
Es ist nicht möglich im Rahmen eines Berichtes die ganze Rede von Andreas Zumach widerzugeben. Er befasste sich mit der Gegenwart des Nahostkonflikts, der nur aus seiner Historie zu verstehen sei. Schon der Bezeichnung dieser Weltregion als „Naher Osten“ zeige ein Problem. Werde hiermit doch die Sichtweise aus Europa ausgedrückt, geografisch gesehen müsste es Westasien heißen. Ansonsten ging Zumach keiner Fragestellung aus dem Wege.
Was hält er von BDS? Zumach hat BDS nicht unterschrieben, ist also nicht Teil der BDS-Bewegung. Aber er legt dar, dass BDS ein legales und vom Völkerrecht begründetes Mittel der palästinensischen Zivilgesellschaft sei. BDS sei nicht antisemitisch. Insofern führten Beschlüsse von Institutionen wie der Deutsche Bundestag oder Stadtparlamente wie des Mannheimer Gemeinderats in die Irre.
(Anmerkung: BDS steht für “Boycott, divestment, sanctions”. Deutsch “Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“)
Der Begriff des Antisemitismus wäre ungenau und werde in der politischen Auseinandersetzung oft instrumentalisiert. Der Begriff Judenfeindlichkeit wäre hilfreich und präziser.
Was hält er von der Hamas? Zumach ließ keinen Zweifel daran, dass er den Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 als menschenverachtend und genozidal verurteilt. Aber Zumach machte deutlich, dass dieser Angriff zwar nicht zu rechtfertigen sei, aber doch eine Vorgeschichte habe. Seit seiner Gründung hintertreibt Israel das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat und verstößt gegen entsprechende UN-Beschlüsse. Die Einstufung des Gaza-Krieges als großer Genozid komme nicht von ungefähr. Zumach hält nichts davon, die jeweilige andere Seite zu dämonisieren. Friedensverhandlungen seien niemals dadurch zu Stande gekommen, dass man der anderen Seite die Verhandlungspartner vorschreibt.
Auch die aktuelle Waffenruhe im Gaza-Streifen und die Freilassung von Geiseln ist durch internationale Vermittlung zwischen Hamas und Israel zu Stande gekommen. Momentan werde die Hamas von einer sehr großen Mehrheit der Palästinenser in Gaza aber vermutlich auch in der Westbank unterstützt.
Auch wenn es zur Zeit sehr düster ausschaut, so gebe es doch keinen anderen Weg als Verhandeln und nochmals Verhandeln. Nur so könnten längerfristig gesehen auch die Hardliner auf beiden Seiten in die Schranken verwiesen werden.
Was hält Zumach vom Trump-Plan für Gaza? Der Plan sei absurd und realitätsfern. 2,5 Mio. Menschen sollen nach diesem Plan in die Nachbarländer transferiert werden. Ägypten und Jordanien haben vehement abgewinkt. Ebenso Saudi-Arabien, das für die Finanzierung der ethnischen Vertreibung auch noch aufkommen soll. Aber der Plan ist trotzdem gefährlich, da eine wirkliche politische Lösung blockiert werde und die palästinensische Zivilbevölkerung weiter hin leiden lasse.
Gibt es überhaupt eine Perspektive? Auch wenn es zur Zeit sehr trostlos aussehe, scheint für Zumach keine andere Perspektive gegeben als eine Zwei-Staatenlösung. Eine Ein-Staaten-Lösung, ob als Israel oder als Palästina, hat als binationale Lösung in den jeweiligen politischen Lagern keinerlei Unterstützung. Eine Zwei-Staatenlösung, auch wenn diese ebenfalls in weiter Ferne zu sein scheine, sei noch am realistischsten. Diese werde auch vom Völkerrecht gedeckt. Allerdings müsse auch dieser Weg politisch gewollt werden. Israel müsse die Siedler im Westjordanland abziehen.
Das Recht auf Staatlichkeit gebe es nach dem Völkerrecht für Israel aber auch für Palästina.
Für die deutsche Bunderegierung ist die Zwei-Staaten-Lösung zu einem „billigen unehrlichen Lippenbekenntnis“ verkommen. Denn man tue nichts für deren Verwirklichung sondern stehle sich aus der Verantwortung.
Der Internationale Gerichtshof hat wegen Völkermords in Gaza einen Haftbefehl gegen den israelischen Präsidenten Netanjahu erlassen. Kanzlerkandidat Merz hat angekündigt, im Falle seiner Kanzlerschaft Netanjahu nach Berlin einzuladen. Trump hat ihn zwar auch in den USA empfangen. Allerdings hat die USA im Gegensatz zu Deutschland den IGH nie anerkannt. Es wird eine offene Frage sein, ob sich Merz so offen gegen Internationales Recht stellen kann.
Bei der Veranstaltung wurde auf die gewaltfreie Arbeit von Friedensorganisationen in Israel hingewiesen, deren Arbeit durch die Kürzung von Mitteln durch die Bundesregierung beeinträchtigt wird. Möglichkeiten der Solidarität nennt die DFG-VK-Gruppe MA-LU auf ihrer Homepage hier: https://is.gd/U8xdbv.
Auch zur Situation in Syrien äußerte sich Zumach. Während der Einfluss Irans und Russlands zurückgedrängt sei, treten die Türkei und Israel immer mehr auch durch direkte militärische Interventionen in Erscheinung. Diese seien die zwei Hauptgründe, die einer friedlichen Entwicklung entgegen stehen.
Zum Schluss wiesen die Veranstalter darauf, wie schwierig es sei, eine Veranstaltung zu besagtem Thema durchzuführen. Auch in Mannheim konnte die Veranstaltung erst im dritten Anlauf durchgeführt werden. Israel-kritische Positionen werden als antisemitisch diffamiert. Im Hintergrund agieren u.a. die Deutsch-Israelische Gesellschaft mit tatkräftiger Unterstützung einiger Gemeinderäte. Letztlich verhindert eine solche Haltung den notwendigen gesellschaftlichen Diskurs zu einem wichtigen Thema. Zumach verwies darauf, dass er alle einschlägigen Verfahren juristisch gewonnen habe. Der Vorwurf des Antisemitismus sei jeweils ins Leere gelaufen. Trotzdem bleibt das politische Problem, dass eine Veranstaltung geschweige denn ein demokratischer Diskurs erst gar nicht stattfinden soll.
Roland Schuster
(*) Andreas Zumach, Jahrgang 1954, ist ein deutscher Journalist und Publizist. Von 1988 bis 2020 war er Schweiz- und UN-Korrespondent für die Tageszeitung taz sowie für andere deutsch- und englischsprachige Print-, Rundfunk- und Fernsehmedien mit Sitz am europäischen Hauptsitz der Vereinten Nationen in Genf.
Zumach beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Themen des Völkerrechts, der Menschenrechtspolitik, der Sicherheitspolitik, der Rüstungskontrolle und internationaler Organisationen.