LTK zum Sparhaushalt: Ankämpfen gegen die Folgen der Austerität. Warum Enthaltung?

LTK-Fraktionsvorsitzende Nalan Erol (Die Linke) bei ihrer Einlassung zu der Haushalts-Sprarvorlage. Bild: Screenschot youtube.com Stadt Mannheim

 Die Fraktion LTK (Die Linke, Tierschutzpartei, Klimaliste) hat bei der Abstimmung über die erste große Vorlage der Haushaltskonsolidierung, dem sogenannten Mannheimer Zukunftshaushalt2, in der Sitzung des Gemeinderats am 30. September mit Enthaltung gestimmt. Die Vorlage (V448/2025) umfasst das erste relevante Sparpaket, das zusammen mit weiteren Sparmaßnahmen im Nachtragshaushalt 2025/2026 am 21. Oktober beschlossen werden soll. Der Sparhaushalt umfasst Maßnahmen, um 2 Prozent der Dezernatsbudgets der Stadtverwaltung im Jahr 2025 und weitere 3 Prozent in den Jahren 2026ff einzusparen. Vor und nach dem 30. September wurde LTK von verschiedenen Seiten wegen ihrem Abstimmungsverhalten kritisiert. Manche forderten Zustimmung, andere, politisch weiter links Stehende, eine klare Ablehnung. Beides ist jedoch problematisch – wie die Enthaltung, die aber noch an wenigsten.

Keine Lücke, sondern chronische Unterfinanzierung

Zum Hintergrund: Aus einer Reihe von Gründen wie beispielsweise immer neue kommunale Aufgaben, die vom Bund den Kommunen aufgebürdet, aber nicht entsprechend finanziell hinterlegt werden, und die einbrechenden Gewerbesteuer-Einnahmen rutscht der Haushalt der Stadt Mannheim tief in die roten Zahlen. Oberbürgermeister Specht warf in einem Schaubild ein Szenario von 600 Millionen Euro Miese bis Ende 2028 an die Wand des Ratssaals, wenn sich an der aktuellen Einnahmen- und Ausgabensituation nichts ändert.

Das Hauptproblem benennt Specht dabei nicht, würde es aber wohl auf Nachfrage auch nicht leugnen: Die dauerhaft generell nicht auskömmliche Finanzierung der Städte und Gemeinden durch Bund und Länder. Leider zeigt sich hier eine wesentliche Schwäche der Kommunalpolitik. Weder die Verwaltung noch der Gemeinderat hat auch nur einen Hauch an Einfluss auf das Verteilungssystem der Bundesrepublik. Da die Kommunalpolitiker:innen aus den Regierungsparteien entweder nicht willens sind, für eine bessere finanzielle Ausstattung ihrer Städte und Gemeinden zu kämpfen, oder es ihnen schlicht an Einfluss mangelt, ist dieses System momentan unverrückbar. Daran ändert auch das Sondervermögen Infrastruktur als zeitlich begrenzter „Tropfen auf den heißen Stein“ nichts Grundsätzliches, zumal da der Verteilungsmodus noch unklar ist.

Wer sich als Mitglied eines deutschen Gemeinderats nicht fundamental dieser Mangel-Logik verweigern will, der oder dem bleibt nichts anderes übrig als sie hinzunehmen und sich an einer möglichst halbwegs gerechten Verteilung des schrumpfenden kommunalen Kuchens zu beteiligen.

Das Damoklesschwert der Zwangsverwaltung

Da diese Verteilung sicherlich nicht als auch nur halbwegs gerecht eingestuft werden kann, wäre doch die Ablehnung und ein klares Nein die logische Konsequenz – oder etwas nicht? Das Problem ist die reale Drohung eines Zwangshaushaltes bei weiter wachsendem Defizit durch das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe, das der Stadt Mannheim vom Land Baden-Württemberg übergeordnet worden ist. Das RP würde dann alle freiwilligen Maßnahmen so weit streichen, bis die kommunalen Ausgaben sich wieder im Gleichgewicht mit den Einnahmen befinden – ohne Rücksicht auf soziale oder ökologische Aspekte. Dabei sind es gerade die freiwilligen Leistungen, die so wichtig für das Leben in einer Stadt sind: Kultur, Sport, soziale Angebote für gesellschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit, ÖPNV, Klima- und Tierschutz.

Hinzu kommt, dass die Stadt einen genehmigungsfähigen Haushalt benötigt, damit der Klinikverbund Mannheim-Heidelberg umgesetzt wird und die Stadt nicht weiter das hohe Defizit des Uniklinikums ausgleichen muss. Voraussetzung hierfür ist, dass die Stadt sich mit 200 Millionen Euro am Bau der „Neuen Mitte“ des Uniklinikums beteiligt. Damit die Stadt dies tun kann, muss sie einen Kredit in dieser Höhe aufnehmen, wofür wiederum ein vom RP genehmigter Haushalt erforderlich ist.

Was ein Zwangshaushalt bedeutet, können wir bei einem Blick über den Rhein auf Ludwigshafen sehen, wo bis auf die Pflichtleistungen alles extrem heruntergefahren ist. In anderen Städten, exemplarisch im Ruhrpott, werden durch die Zwangsverwaltungen sogar öffentliche Theater, Schwimmbäder und Sporthallen geschlossen, nachdem längst alle anderen „freiwilligen“ sozialen Leistungen gekappt sind.

In diesem Punkt sind sich die LTK-Mitglieder mit den meisten anderen Fraktionen und dem OB einig: Das muss verhindert werden. Wer mehr als Fundamentalopposition praktizieren will, kann – so wurde ihnen in langer interner Diskussion klar – nicht mit „nein“ und damit für den Weg in die Zwangsverwaltung durch das RP stimmen. Da LTK aber bei all den sozialen und ökologischen Grausamkeiten nicht wie die SPD mit ein bisschen Gezeter und die Grünen ganz loyal zum Austeritätsdiktat dem Sparpaket zustimmen kann, blieb am Ende nur die Enthaltung.

Bei CDU, FDP und ML ist die Zustimmung zum Kürzungen ohnehin das gewohnte Bild. Die „bürgerlichen“ Fraktionen monieren seit Jahren die hohen Ausgaben und vielen Projekte der Stadt und haben schon immer zum Sparen (an sozialen, kulturellen und ökologischen Themen) aufgerufen. Gleichzeitig verhindern sie Mehreinnahmen für die Stadt. Diese könnten beispielsweise durch die Erhöhung der Gewerbesteuer, Beherbergungssteuer und der Parkgebühren erfolgen.

LTK stimmte auch unter dem Aspekt nicht zu, dass eine praktisch einhellige Zustimmung für derart harte Sparmaßnahmen das politisches Signal an RP, Land und Bund senden würde, es sei doch alles in Ordnung. Fatalerweise könnte bereits durch die große Mehrheit des Gemeinderats genau dieser Eindruck an die politisch übergeordneten Ebenen vermittelt worden sein.

Als einzige dagegengestimmt haben übrigens die AfD – unter anderem mit der Begründung, dass weiterhin das JUZ Zuwendungen erhält – und der rechtsoffene Einzelstadtrat Julien Ferrat, der am liebsten allen Kultureinrichtungen sofort alle Zuschüsse streichen würde.

Der ersten Einspar-Welle folgen die nächsten

Die Abstimmung am 30. September war erst der Anfang. Bereits am 21. Oktober soll (und wird), wie eingangs erwähnt, der nächste Schwung an Einsparungen im Rahmen des Nachtragshaushalts 2025/2026 beschlossen. Schließlich ist das Ziel für die nächsten Jahre, mindestens 5 Prozent des gesamten Haushaltsvolumens einzusparen. Das klingt überschaubar, aber in Anbetracht der fixen Kosten, Pflichtaufgaben, vertraglichen Verpflichtungen wie die 200 Millionen Euro Kostenbeteiligung am Klinikum und des gewaltigen Sanierungsbedarfs der öffentlichen Infrastruktur, neben dem NTM vor allem Schulen, Straßen und Brücken, geht es ans Eingemachte der Daseinsvorsorge. Was die nächsten Wellen alles niederreißen werden, lässt sich nur erahnen. Die Stadtverwaltung legt – bestimmt auch aus taktischen Gründen – die einzelnen Sparpakete nur häppchenweise und kurz vor den jeweiligen Abstimmungen dem Gemeinderat vor. Der mühsam erkämpfte Minimalausgleich für Teilhabe und Chancenverbesserung vulnerabler Gruppen und Menschen in Armut bzw. mit geringen Einkommen wird jedenfalls mehr und mehr aufgekündigt. Der Kampf gegen den Klimawandel wird als lässlicher Luxus heruntergefahren. Und an Projekte für preiswertes Wohnen und für eine Verkehrswende ist vermutlich gar nicht mehr zu denken. Die Tierthemen wie die bereits zugesagten, aber bisher nicht realisierten Taubenschläge, die Sportförderung für Hundesportvereine und der Wildtierschutz wie z.B. ein Waschbärenmanagement drohen völlig unter die Räder zu kommen.

Die Fraktion LTK, da sind sich die Linken Nalan Erol und Dennis Ulas mit der Klimaliste-Stadträtin Jessica Martin und dem Tierschutzpartei-Stadtrat Andreas Parmentier einig, wird als einzige konsequent dagegenhalten. Zwar kommen auch von der SPD, den Grünen sowie anderen Fraktionen Forderungen nach anderen Prioritäten und Vorschläge für Einsparungen und Mehreinnahmen, die den Menschen und der Umwelt nicht spürbar schaden. Aber erstens hat sich schon im ersten Durchlauf gezeigt, dass die Verwaltung mit diesen Vorschlägen trotz einem eigens gegründeten nichtöffentlichen Unterausschuss Haushalt intransparent verfährt und von ihren grundsätzlichen Sparmaßnahmen kaum abrücken wird. Und zweitens wird ein sehr großer Teil des Gemeinderats, zu dem auch die SPD und vor allem die Grünen gehören, weiterhin alles durchwinken, so dass die Mehrheiten für weitere Kürzungen nie wirklich in Gefahr sind.

Von der AfD ist übrigens bis jetzt erwartungsgemäß nichts Konstruktives gekommen, sondern nur die üblichen kackbraunen Forderungen nach der Schließung des JUZ, Auflösung des Migrationsbeirates und Beendigung der Förderung queerer Aktivitäten.

Weiter streiten bis zur Schmerzgrenze

Die Fraktionsvorsitzende Nalan Erol hat in ihrem Redebeitrag zum Sparhaushalt in der Gemeinderatssitzung am 30. September bereits skizziert, was neben der Forderung nach besserer finanzieller Ausstattung der Kommunen durch Bund und Land die wichtigsten Vorschläge der Fraktion LTK in Bezug auf Einsparungspotentiale und Mehreinnahmen sind. Auch unter diesen Vorschlägen sind welche dabei, die zu öffentlichen Diskussionen geführt haben, vor allem die stärkere Beschneidung des Nationaltheater-Budgets durch Reduktion bzw. Zusammenlegung der Intendanzen. Dabei sehen die LTK-Mitglieder eine Möglichkeit, ohne Verschlechterung des Theaterbetriebs und -angebots relativ große Summen einzusparen, die weder auf Kosten der sozialen Teilhabe und Bildungsgerechtigkeit noch des Klima- und Tierschutzes gehen.

Natürlich stellt sich auch die Fraktion LTK immer wieder aufs Neue die Frage, wie weit das kommunale Leistungsangebot auf Druck der Austeritätspolitik beschränkt werden darf, ohne eigene Ansprüche völlig zu verraten. Bis jetzt beteiligt sich die Fraktion noch an der konstruktiven Suche nach der Erstellung eines Sparhaushaltes mit alternativen Vorschlägen. Gespart werden könnte neben dem NTM bei Großveranstaltungen wie dem Neujahrsempfang, bei einigen Leistungen der Wirtschaftsförderung, bei Bürgerdiensten oder beim Flughafen. Mehreinnahmen könnten entstehen durch Erhöhung der Beherbergungssteuer und der Bußgeldeinnahmen durch konsequenteres Ahnden von Rasern und Falschparken sowie bei der Zweckentfremdung von Wohnraum. Der Neubau des Kultur- und Sportzentrums Wallstadt könnte um zwei bis drei Jahre nach hinten verschoben werden. Damit wären die finanziellen Spielräume geschaffen, um die Kita-Gebühren weiterhin zu bezuschussen sowie für Themen wie Bodenfonds, Ausbau des ÖPNV-Angebots, Entsiegelung, Begrünung, Taubenschläge und Wildtierschutz weiter anzugehen.

Sollte die Verwaltung mit OB Specht an der Spitze jedoch weiterhin in keiner Weise auf die Forderungen und Vorschläge der Fraktion eingehen, wird die fortlaufende Überprüfung der eigenen Vorgehensweise auch zu anderen Ergebnissen kommen können. Noch ist offen, wie sich die Fraktion beim Beschluss des nächsten Sparpakets und des Nachtragshaushaltes am 21. Oktober verhalten wird. Doch so oder so muss der Druck auf den Gemeinderat und die Stadtverwaltung auch und gerade von der Straße und der Stadtgesellschaft ausgehen – nicht nur in Mannheim, sondern in allen Kommunen. Nur so können die Landesregierungen und Bundesregierung zu Kurskorrekturen gedrängt und damit vielleicht das Schlimmste, das völlige Aushöhlen des sozialen Miteinanders, noch verhindert werden.

LTK-Fraktion