Leserbrief „Zukunftshaushalt“ Mannheim – Ein Haushalt, der spaltet

Die Politik in Mannheim spart an den Falschen – und niemand übernimmt Verantwortung. Es ist Zeit, wütend zu werden.

Grafik: Stadt Mannheim https://buergerinfo.mannheim.de/buergerinfo/getfile.asp?id=8225962&type=do

Es ist ein stilles Ja, das sich als Enthaltung tarnt. Die Fraktion LTK (Linke, Tierschutzpartei, Klimaliste) im Mannheimer Gemeinderat hat sich bei der Abstimmung über den sogenannten „Zukunftshaushalt“ enthalten – in einer Situation, in der man nicht neutral sein kann. Enthaltung heißt in diesem Fall Zustimmung zu einem Etat, der die eigentlichen Ursachen der städtischen Finanzmisere nicht bekämpft, sondern nur ihre Symptome kurzfristig dämpft. Man streicht, kürzt, verschiebt – aber man wagt keine grundsätzliche Korrektur der falschen Richtung. Und indem man sich enthält, lässt man es geschehen.

Der sogenannte „Zukunftshaushalt“ ist ein Spardiktat, das – wie so oft – nicht bei den Profiteuren eines ausgehöhlten Steuersystems ansetzt, sondern bei denen, die sich am wenigsten wehren können: Familien, Alleinerziehende, Menschen mit geringem Einkommen. Kita-Gebühren steigen, soziale Angebote werden zusammengestrichen, Stadtteilkultur wird zur freiwilligen Leistung erklärt. Die strukturelle Schieflage, die sich bis 2028 auf hunderte Millionen Euro beläuft, wird damit nicht gelöst. Was hier passiert, ist kein Zukunftshaushalt – es ist ein Rückzug des Sozialstaats im Lokalen.

Und der Oberbürgermeister? Christian Specht von der CDU trägt das Ganze mit, als wäre es alternativlos. Kein Wort der Kritik an seiner eigenen Partei, obwohl man sie sehr wohl anbringen könnte – ja müsste. Die CDU hat in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland über 50 Jahre in Regierungsverantwortung gestanden. Über ein halbes Jahrhundert politische Gestaltungsmacht auf Bundesebene – und was bleibt, ist ein Flickenteppich aus Steuerprivilegien für Superreiche, unterfinanzierten Kommunen und einer Sozialpolitik, die bestenfalls repariert, was sie selbst zerbrochen hat. In Mannheim spart man, weil der Bund sich weigert, Vermögende gerecht zu besteuern. Weil man lieber Cum-Ex durchwinkt, als flächendeckend Steuerprüfungspersonal aufzustocken. Weil man bei jedem Vorschlag nach oben zu greifen, reflexhaft den „Mittelstand“ vorschiebt, während unten längst die Luft wegbleibt.

Dabei fehlt es nicht an konkreten Beispielen, wie viel öffentlicher Schaden durch die politischen Netzwerke der „bürgerlichen Mitte“ angerichtet wurde. Die Maskenaffäre um Jens Spahn ist nur ein prominenter Fall. Hunderte Millionen Euro für Masken, die überteuert und teils unbrauchbar waren. Verträge, abgeschlossen in Hinterzimmern, vorbei an Kontrollmechanismen. Das ist keine Anekdote. Das ist symptomatisch für eine Politik, die Verantwortung delegiert, aber nicht übernimmt. Und die Kosten dafür landen – wieder – bei den Städten, bei den Haushalten, bei denen, die nichts damit zu tun hatten.

Es ist Zeit, dass wir aufhören, Verständnis zu heucheln für eine Politik, die sich als Vernunft tarnt, aber in Wahrheit ein Klassenprojekt ist. Eine Politik, die Reichtum schützt und Armut verwaltet. Die Oben entlastet und Unten belehrt. Es darf nicht sein, dass immer wieder die breite Bevölkerung, die arbeitende Mitte und der prekär lebende Teil der Gesellschaft die Fehler bezahlen, die oben gemacht wurden – und dass man ihnen dann auch noch erklärt, dass „leider kein Geld da ist“.

Doch! Es ist Geld da. Es ist nur falsch verteilt. Und diese Verteilung ist kein Schicksal. Sie ist politisch gemacht – und könnte jederzeit politisch geändert werden. Denn die Gewinne großer Konzerne werden privatisiert, während Verluste sozialisiert werden. Das muss aufhören und Superreiche müssen endlich wieder besteuert werden. Milliarden könnten jährlich in die öffentliche Hand fließen, wenn Vermögende endlich gerecht besteuert würden. Und nein – das wäre nicht verfassungswidrig.

Was es braucht, ist Empörung. Nicht aus Prinzip, sondern aus Gerechtigkeit. Wut, nicht als Stimmung, sondern als politische Antwort auf eine Ordnung, die sich moralisch längst selbst disqualifiziert hat.

Wer jetzt nicht laut wird, wird später vielleicht nichts mehr zu sagen haben.

#Taxtherich

Mannheim, 10.10.25   Sebastian Reich