Es geht um Daseinsvorsorge und Menschenrecht: AG Barrierefreiheit führt Kundgebung für Umsetzung des Toilettenkonzepts durch

An die 100 Menschen waren am 6. September auf dem Paradeplatz versammelt, um der Forderung nach mehr öffentlichen barrierefreien Toiletten Nachdruck zu verleihen. Außerdem sammelten sie Unterschriften unter die diesbezügliche Petition, die auch online erreichbar ist: https://www.openpetition.de/petition/online/haushaltsmittel-fuer-barrierefreie-toiletten-in-mannheim. Der Heidelberger Beschwerdenchor unterstützte die Kundgebung musikalisch. Anwesend waren u.a. auch die Stadträtinnen Birgit Reinemund (FDP) und Jessica Martin (LTK, Klimaliste.) Auch der Mannheimer Seniorenrat und der VdK waren vertreten. (Foto: Claudia Kittendorf-Wolf)
Auf der Kundgebung sprachen Bernd Kittendorf vom Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter und der Geschäftsführer der AG Barrierefreiheit André Neu (Bild). Er führte u.a. aus:
„Bereits vor über sechs Jahren war die Arbeitsgemeinschaft Barrierefreiheit in die Planungen für ein neues strategische Toilettenkonzept der Stadt Mannheim mit eingebunden. Es fanden viele Treffen und ein produktiver Austausch statt. Wir waren optimistisch, dass sich die Situation speziell für Menschen mit Behinderungen verbessern wird. Nach vielen Treffen und Gesprächen gab es den Vorschlag, 20 öffentliche und barrierefrei Toiletten inklusive Trinkwasserspender umzusetzen. Dieses Konzept wurde als Beschlussvorlage vom Gemeinderat am 30.6.2023 an den zuständigen Ausschuss für Umwelt und Technik (AUT) gegeben. Dort hat man am 5.12.2023 die Vorlage beschlossen und die Verwaltung beauftragt, die Umsetzung vorzubereiten.
Nach den Beratungen des Doppelhaushaltes der Stadt Mannheim für die Jahre 2025/2026 mussten wir feststellen, dass kein einziger Euro zur Umsetzung des Konzeptes und ohne jegliche Terminplanung in den Haushalt eingestellt bzw. von den Fraktionen mehrheitlich beschlossen wurde.
Dieser Zustand kann von uns nicht länger toleriert werden. Für das menschlichste aller Bedürfnisse sind zeitnah neue öffentliche Toiletten zu schaffen.
Deshalb haben wir auf der Plattform OpenPetition unseren Aufruf „Haushaltsmittel für öffentliche und barrierefreie Toiletten in Mannheim“ gestartet und bitten Euch, dass ihr uns hier unterstützt. Wir sammeln deshalb auch heute hier Unterschriften dafür. Wir möchten den Gemeinderat auffordern hier die Finanzmittel einzustellen um die beschlossenen Toiletten zu bauen. Das können wir einfacher, wenn viele Mannheimer:innen uns hier unterstützen und dies fordern.
Noch drei Anmerkungen:
- Es sind nicht nur die Kommunen verantwortlich, die Situation der öffentlichen Toiletten zu verbessern. Bund, Länder und auch die Privatwirtschaft , Geschäfte und Gastronomie sind aufgefordert zu handeln und müssen für eine verantwortliche Verbesserung der barrierefreien Toiletten sorgen. Die Nichtumsetzung mit Verweis auf die prekäre Haushaltslage halten wir für nicht haltbar. Der Mannheimer Haushalt ist fast zwei Milliarden schwer. Der Haushalt darf nicht vor den Wohlhabenden Halt machen: Starke Schultern müssen stärker in die Verantwortung genommen werden.
- Es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung handelt. Es ist eine Frage der Priorisierung von notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung von elementaren Menschenrechten. Ausreichende Versorgung mit Toiletten und Trinkwasser halten wir in einer lebenswerten Stadt für dringend geboten.
- Wir stehen für gesamtgesellschaftliche Solidarität. Es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung endlich das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) überarbeitet, um die Privatwirtschaft zur Barrierefreiheit zu verpflichten. Auf Bundesebene müssen die erforderlichen Mittel bereitgestellt werden: zur Stärkung der öffentlichen und gemeinnützigen sozialen Infrastruktur, für gesellschaftlichen Zusammenhalt und für Klimagerechtigkeit.
Das Manager Magazin hatte Zahlen veröffentlicht, die zeigen, dass ungeachtet der gegenwärtigen Krisen die Anzahl an Milliardär*innen zunimmt und die größten Vermögen weiter wachsen. Währenddessen bleibt die Armut in Deutschland mit 16,6 Prozent auf einem inakzeptabel hohen Niveau. Die öffentliche Infrastruktur und Daseinsvorsorge verfallen zunehmend. Dies halte ich für eine Gefahr für die Demokratie.
Deshalb sind wir und sind wir laut, weil der Gemeinderat keine Toiletten baut!“
Die Petition wurde bisher von 1.330 Personen unterzeichnet, davon 1.022 Menschen aus Mannheim. Die Sammlung soll bis 28.10. durchgeführt werden; eine Verlängerung ist jedoch nicht ausgeschlossen.
tht