Öffentliches Gelöbnis in Mannheim? CDU-Versuchsballon abgestürzt

ttr – Die CDU-Gemeinderatsfraktion hatte noch vor der Sommerpause einen Antrag eingebracht: Die Verwaltung möge sich bei der Bundeswehr dafür einsetzen, ein öffentliches „Rekruten-Gelöbnis“ z.B. im Ehrenhof des Schlosses zu veranstalten. Die Soldaten der „Parlamentsarmee“, die sich „für unsere Demokratie und unsere Werte“ weltweit einsetzten, hätten es verdient, wieder „in die Mitte der Gesellschaft“ gerückt zu werden, auch weil die Bundesmarine über 5.000 Flüchtlinge gerettet habe. Im Hauptausschuss wurde der Antrag aufgerufen.

Ein frivoler Versuchsballon mit Tradition

Der Antrag der CDU-Fraktion ist gerade zum jetzigen Zeitpunkt frivol. Er versteht sich als Beitrag, die deutsche Gesellschaft zu militarisieren, passend zu der seit Jahren festzustellenden Militarisierung der deutschen Außenpolitik.

Traute sich die Bundeswehrführung bis 1980 mit Gelöbnis-Veranstaltungen überhaupt nicht in die Öffentlichkeit, so blieb es 1998 dem damaligen Bundesverteidigungsminister Volker Rühe vorbehalten, eine „Offensive öffentlicher Gelöbnisse“ auszurufen. Es war das Jahr des Kosovo-Krieges, und es war der Versuch, dem Kriegseinsatz der Bundeswehr höhere Weihen zu verleihen. Das Eingreifen der NATO-Streitkräfte in den Kosovokrieg unter Beteiligung der deutschen Luftwaffe erfolgte bekanntlich ohne UN-Mandat und unterstützte die albanische Terrormiliz UCK. Ziel war ein Change-Government in der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien. Eine riesige Flüchtlingswelle war die Folge. Erst im Juni diesen Jahres wurde das Kosovomandat im Bundestag erneut verlängert. Und ganz aktuell wird über die Schnellabschiebung von Migranten aus dieser Region in das angeblich sichere Drittland entschieden.

Der 1998 begonnene Krieg weist alle Bestandteile der in den 2000er-Jahren geführten desaströsen Militäraktion der NATO auf, die meist unter direkter, mindestens aber indirekter Beteiligung der Bundeswehr stattfanden und –finden: Den Versuch von Change-Government aus geostrategischen und Rohstoffgründen, das Ergebnis der Destabilisierung bis Zerschlagung ganzer Staaten, die Herbeiführung eines unbeschreiblichen und blutgetränkten Chaos, die Freisetzung terroristischer Milizen, die Auslösung eben genau der Fluchtbewegungen, mit deren Folgen wir uns auch in Mannheim nun fast stündlich befassen müssen. Das Engagement der Bundesrepublik Deutschland und des Bündnisses in diesen auf ganzer Linie gescheiterten Militäraktionen mit Tausenden ziviler Opfer als „Einsatz für unsere Demokratie und Werte“ zu bezeichnen, ist eine Versündigung an der Demokratie und an „unseren Werten“, wenn denn diese Werte nicht auf die Börsenwerte reduziert werden.

Frivol ist es insbesondere, die Seenotrettung durch die Bundesmarine herauszustellen, ohne von FRONTEX und dem Versuch der Abschottung der Europäischen Außengrenzen zu reden. Zur Seenotrettung von Flüchtlingen aus ihren furchtbaren Kuttern und Schlauchbooten braucht es keine Kanonen an Bord.

Seit der großen Strukturreform der Bundeswehr, weg von einer Wehrpflicht-Armee der Territorialverteidigung hin zu einer out-of-area-Kampfeinsatz-Berufsarmee nach Art der GSG 9 ist auch der von der CDU bemühte „Staatsbürger in Uniform“ ein romantisches Relikt.

Mehr Realitätssinn beweist da der ehemalige Heeresinspekteur, Generalleutnant a. D. Hans-Otto Budde, der vor 11 Jahren bereits öffentlich sinnierte: „Der ‚Staatsbürger in Uniform‘, der mit seiner Familie in unserer Nachbarschaft wohnte und um siebzehn Uhr dreißig nach Hause kam, hat ausgedient. ‚Wir brauchen den archaischen Kämpfer und den, der den High-Tech-Krieg führen kann‘“. (welt online 29.02.2004)

Es ist geradezu ein positives Zeichen, wenn die Bundeswehr ihre z.B. bei „Sport und Spiel am Wassertum“ oder auf dem Maimarkt oder bei der Ausbildungs-Messe „fit for future“ angeworbenen Berufsanfänger in den Kasernen das Gelöbnis abnimmt, dort, wo sie in Zukunft auch bleiben sollten. Übrigens ist das Werben für den Beruf des Soldaten unter Kindern und Jugendlichen in Schulen und auf öffentlichen Veranstaltungen ein Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention.

Testballon abgestürzt

Zu einer Diskussion über den Antrag der CDU kam es erst gar nicht: Oberbürgermeister Peter Kurz erklärte, die Verwaltung übernehme das Anliegen nicht. Man habe sich bei der BW-Verwaltungshochschule in Mannheim erkundigt. Dort lege man derzeit keinen Wert auf öffentliche Gelöbnisse, außer im Bendlerblock in Berlin am 20. Juli. Außerdem habe sich 2011 auf dem Stuttgarter Schlossplatz gezeigt, dass ein öffentliches Gelöbnis einen großen logistischen Aufwand erfordere, und dass außerdem mit einem großen Polizeieinsatz zu rechnen sei. Die CDU nahm es hin.