„ICH KENNE KEINEN HASS AUSSER GEGEN DEN KRIEG”
ein Rückblick von Bernd Köhler (von ewo2.de / Fotos: Barbara Straube)
Eine gelungene Aktion im Sinne von „Sich die Straße wieder zurückholen” war die Veranstaltung am 5. August in der Carl-Friedrich-Gaus-Str. 6 in Ludwigshafen-Hemshof – Auf dem Bürgersteig und direkt vor dem Haus, in dem die engagierte Antifaschistin und Kinderärztin nach dem zweiten Weltkrieg ihre Arztpraxis bezog. Im ersten Stock eines Reihenhauses das die Bombennächte überstanden hatte. Dort kümmerte sie sich um die Kinder der Täter, sorgte dafür, dass sie die Nachkriegszeit überlebten. Im Rahmen der Veranstaltung gab es nicht nur Biografisches sowie deutsche und jiddische Liedbeiträge zu hören, sondern auch bewegende Berichte von Menschen, die damals von Edith Leffmann behandelt wurden. Sie hatten sich nach Aufrufen in der örtlichen Presse und im Sender SWR2 zu Wort gemeldet.
Ein ganz besonderes Dankeschön geht an die Getränkehandlung Lauer, welche die Aktion von Anfang an unterstützte und ihr Gelände zur Verfügung stellte. Außerdem an die Stadt Ludwigshafen, die diese besondere Gedenkveranstaltung in ihre „KulturSommer-Reihe” mit aufnahm und das Projekt auch finanziell unterstützte. Fotos von Edith Leffmann hatte Heinz Krüger zur Verfügung gestellt, der sie im Rahmen einer Projektarbeit in den 70er Jahren fotografierte. Die Fotos wurden im nahegelegenen Heimatmuseum ausgestellt.
Auszug aus einer Sendung von Annette Lennartz
In SWR-Kultur Regional vom 4.8.2016
„Der Hemshof, das ist ein Arbeiterviertel in Ludwigshafen. Hier praktizierte in der Nachkriegszeit die Kinderärztin Dr. Edith Leffman. Ein Stolperstein liegt für sie in Köln, dort hatte sie vor dem Krieg gearbeitet. Darauf steht: “Hier wohnte Dr. Edith Leffmann, geb. 1894 in Berlin, Flucht 1939, Belgien, Frankreich, interniert in Gurs. Tätig als Ärztin in der Résistance. Überlebt!” Das ist die knappe Zusammenfassung des Lebens einer unglaublich engagierten Frau, Jüdin, Ärztin, politische Aktivistin. 90 Jahre alt ist sie geworden. Schon zu Lebzeiten nannte man sie den „Engel vom Hemshof”.
Lebensretterin
Ihr Wartezimmer war ständig überfüllt von unterernährten Kindern und weinenden Müttern. Die Kinderärztin Dr. Edith Leffmann arbeitete in der Nachkriegszeit bis zur totalen Erschöpfung.
Kein Kind verließ ihre Praxis ohne ein Stück Schokolade oder ein Bonbon. Diese und viele andere Informationen hat Bernhard Wadle-Rohe, ein engagierter Ludwigshafener Performancekünstler, von Zeitzeugen. Per Zeitungsanzeige hat er sie gesucht und viele meldeten sich, so wie Monika Trautmann, die schrieb ihm Folgendes.
„Dr. Edith Leffmann hat mir das Leben gerettet. Ich hatte damals Lungenentzündung, Gelbsucht und Wasser in der Lunge.” Und die Mutter von Monika Trautmann schrieb auch, einen eigenen Brief. „Unsere Tochter Monika hatte mit vier Jahren plötzlich, nachts um ein Uhr, heftige Schmerzen. Ich rief die Frau Doktor an und sie kam sofort, drückte ihr auf den Bauch und rief: Sofort in die Kinderklinik nach Mannheim! Der Engel vom Hemshof hat ihr das Leben gerettet”, dreimal unterstrichen. Emma Schüssler rief an und erzählte über die Ärztin „Sie kam um die Babies zu besuchen direkt mit dem Taxi in die Häuser gefahren, ist dann von Patient zu Patient gefahren, um den kleinen Leuten zu ersparen im kalten Winter zu ihr in die Praxis zu kommen.”
Eine Gedenktafel reicht nicht aus
Seit eineinhalb Jahren gibt es eine Gedenktafel im Hemshof. Die wurde allerdings einmal abgerissen. Eine Gedenktafel reicht nicht aus, für so eine besondere Frau, sagt Bernhard Wadle-Rohe. Er organisierte jetzt eine Gedenkveranstaltung vor ihrem Haus, möchte den Engel vom Hemshof lebendig erhalten.
Der Liedermacher und Grafiker Bernd Köhler unterstützt ihn dabei. Er hat Edith Leffmann vor 40 Jahren noch persönlich kennen gelernt. Im Rahmen seines Studiums wollte er ein Buch über Antifaschisten gestalten. Die Ärztin war da bereits im Ruhestand, lebte in Mannheim. „Ich erinnere mich noch, wie wir da hoch sind in den 5. Stock, da machte jemand die Tür auf, den man nicht gesehen hat, weil sie so klein war. Unglaublich geschminkt, mit so einer sonorigen Stimme, eine tolle Frau. Sie hat uns dann auch später erzählt, dass sie sich damals, als sie nach Deutschland geschickt wurde von der Résistance, als Französin zurechtgemacht hatte. Das hat sie später beibehalten.” berichtet Bernd Köhler
Und dann erzählte sie aus ihrer Arbeit in der französischen Résistance. Sie war nämlich aus Deutschland geflohen, nach Belgien und später nach Frankreich. Dort wurde sie aber im Lager Gurs interniert, dem größten für deutsche Juden. Natürlich kümmerte sie sich auch hier um die Kranken. Kurz bevor der Transport nach Auschwitz abging, tauchte sie bei einem französischen Bauern unter.
IM AUFTRAG DER RÉSISTANCE NACH NAZIDEUTSCHLAND
Die Résistance schickte sie bald nach Deutschland, in sehr gefährliche Mission. Mit unglaublicher Courage ging die nur einmeterfünfzig kleine Frau als Fremdarbeiterin in die Höhle des Löwen. Sie arbeitete in einem Militärbetrieb mit falschem französischem Pass. Sabotage und Propaganda gegen den Krieg, das war ihr Auftrag und sie war erfolgreich, die Produktion sank dort nachweislich.
Obwohl Edith Leffmann das ganze Grauen des Nationalsozialismus am eigenen Leib erfahren hat, ihr Sohn und ihre Mutter wurden in Auschwitz ermordet, blieb sie in Deutschland. 1946 bereits eröffnete die Kinderärztin ihre Praxis in Ludwigshafen, denn sie wollte helfen, ein besseres Deutschland aufzubauen.
ICH KENNE KEINEN HASS, AUSSER GEGEN DEN KRIEG sagte sie einmal. Edith Leffmann arbeitete auch politisch weiter. Sie war Vorsitzende des Vereins der Verfolgten des Naziregimes in Ludwigshafen und später kandidierte sie für die Kommunistische Partei