„AfD im Bundestag – was nun?“ – Der Versuch einer Analyse
Anlässlich der Wochen gegen rechte Gewalt und Rassismus, organisiert vom Netzwerk gegen Rechte Gewalt und Rassismus Ludwigshafen – Vorderpfalz, kam auf Einladung der Bündnisregionalgruppe Aufstehen gegen Rassismus Rhein-Neckar der Soziologe und Autor Andreas Kemper mit seinem aktuellen Vortrag “AfD im Bundestag – was nun?” am 17.11.17 in die Stadt. Rund 20 interessierte Personen lauschten dem spannenden Vortrag und beteiligten sich äußerst rege an der Diskussion. Moderiert wurde die Abendveranstaltung von Ewald Heimann, einem der Mitgründer von Aufstehen gegen Rassismus Rhein-Neckar.
Rechtspopulistisch und neoliberal oder völkisch-faschistisch?
Andreas Kemper beleuchtete in seinem Vortrag nicht nur die unterschiedlichen Strömungen innerhalb der rechtspopulistischen, neoliberalen Partei, die im September diesen Jahres in den Bundestag einziehen konnte, sondern insbesondere deren Abgeordnete in den Parlamenten.
Am Beispiel des Björn Höcke (AfD-Fraktionsführer im thüringischen Landtag) machte der Autor deutlich, welche Gefahren für die freiheitliche Demokratie von solchen Parteivertretern ausgeht. Andreas Kemper hatte für den AfD-Bundesvorstand eine Expertise erstellt, aus der hervorgeht, dass Höcke besagter “Landolf Ladig” sein muss, der in rechts-nationalen Publikationen sein völkisches Gedankengut verbreitet hat. Das Parteienausschlussverfahren gegen Höcke wird vom AfD-Schiedsgericht in Thüringen seit rund einem Jahr verschleppt. Mit einer Entscheidung wird Anfang 2018 und damit erst nach dem Bundesdelegiertenkongress der AfD am 02./03.12.17 in Hannover zu rechnen sein.
Beatrix von Storch, bis zu ihrem Einzug in den deutschen Bundestag, Mitglied des Europäischen Parlaments und Mitglied des AfD-Bundesvorstands, schrieb in ihrem Facebook-Profil im Dezember 2016, so der Autor: „Damit ist Weihnachten auch ein Fest der Ungleichheit“. Gemeint hat von Storch damit, dass es selbst beim Weihnachtsfest in der Familie keine Gleichheit geben darf. Die strikte Einhaltung einer rückwärtsgerichteten Hierarchie im Familienverbund scheint ihre Maxime zu sein.
Nach dem Ausscheiden verschiedener führender AfD-Politiker aus diversen Parlamenten, und der Exodus scheint anzuhalten, u.a. mit Frauke Petry mit der Neugründung der Partei „Die Blauen“ befindet sich die AfD nunmehr noch stärker auf dem Rechtskurs. Eine Frage die sich anschließt ist, welche Rolle die sogenannte „Alternative Mitte“ innerhalb der AfD künftig spielen wird.
Einwurf: Diese Fragestellung lässt sich exemplarisch und direkt auf Mannheim übertragen, wo der AfD Kreisvorsitzende Robert Schmidt im innerpolitischen Streit mit dem Landtagsabgeordneten Rüdiger Klos steht.
Jörg Meuthen, derzeit einziger Bundessprecher der AfD und Fraktionsvorsitzender seiner Partei im Stuttgarter Landtag zieht es in die Europapolitik. Damit dürfte er beim Delegiertenkongress im Dezember in Hannover nicht wieder in dieses Amt gewählt werden.
Alexander Gauland, ein bekennender Höcke-Unterstützer („patriotischer Flügel“) wird zusammen mit Alice Weidel, die Höcke öffentlich bislang eher kritisiert als unterstützt hat, in Hannover eine wegweisende Verantwortung zusammen mit den weiteren eher aristokratisch, rechts-fundamentalistischen, klerikalen Kräften zukommen, um die Zukunft der Partei zu bestimmen.
Andreas Kemper hat in seiner Analyse herausgearbeitet, dass es wissenschaftlich betrachtet keine eindeutigen Hinweise gibt, dass die AfD bei der zurückliegenden Bundestagswahl besonders stark von Arbeitslosen oder Mitgliedern einer christlichen Kirche gewählt wurde, wenn man die Wahlanteile in den Bundesländern und Kommunen untersucht, was er getan hat. Der Autor berichtete in seinem Vortrag auch über eine aktuelle Studie des DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund), wonach überproportional viele Gewerkschaftsmitglieder die AfD bei der Bundestagswahl 2017 gewählt hätten. Woher das Wahlverhalten 2017 kommt, kann an der allgemeinen Unzufriedenheit unter den Wähler*Innen ausgemacht werden und an der massiv von der AfD eingesetzten „Macht“ des Internets, durch einen auf soziale Netzwerke und Online-Kanäle fokussierten Wahlkampf mit Hass- und Hetzparolen.
“Die AfD ist Wegbereiter eines rechten Faschismus in der Bundesrepublik”, so Andreas Kemper sinngemäß.
Was nun?
Ein noch genauerer Blick erscheint lohnenswert, wenn man sich die tiefer gelagerten Verbindungsstrukturen der AfD betrachten möchte. Tore und Türen scheinen in dieser Partei offen zu stehen, um Mitglieder der (vom Verfassungsschutz beobachteten) Identitären Bewegung integrieren zu wollen (auch die der Identitären Aktion?) und die Aufnahme ehemaliger z.B. NPD-Mitglieder oder was die Anstellung von Mitarbeitern aus rechts-nationalen Burschenschaften in Parlamenten angeht.
Noch bedenklicher wird der Blick auf bestimmte deutsche Aristokraten, also Adlige die sich der Oberschicht zurechnen, die zum Teil erheblichem Einfluss auf bestimmte Bevölkerungsschichten und erzkonservative Organisationsstrukturen haben. Neben Beatrix von Storch zählen dazu u.a. Paul von Oldenburg, Georg Habsburg und Philipp von Preußen.
Link: https://afdwatchafd.wordpress.com/tag/paul-von-oldenburg
Der Referent, Andreas Kemper, animierte die Teilnehmer der Vortragsveranstaltung dazu, hin zu schauen, wo die AfD Versuche unternehmen würde, Initiativen, Organisationen und Strukturen zu diffamieren und für deren Verbot zu plädieren. Aus der Runde der Diskutanten wurde hier beispielhaft der Versuch genannt, die SJD – die Falken, in Rheinland-Pfalz zu diskreditieren. Die AfD scheint in diesem Fall Schützenhilfe von der CDU im Mainzer Landtag zu erhalten.
Kommentar
Andreas Kemper, den ich bei der Bundesauftaktkonferenz von Aufstehen gegen Rassismus im April 2016 im DGB-Haus in Frankfurt/Main kennen gelernt habe, ist ohne Zweifel eine kontroverse
Persönlichkeit, meiner Meinung nach im positiven Sinne.
Der Soziologe und Autor aus Münster wird von vielen Menschen in unserem Land als „der AfD“-Experte, der ersten Stunde, also seit 2013 bezeichnet. Einem solchem Votum schließe ich mich an.
Bei seinem Vortrag in Ludwigshafen verstand Andreas Kemper es, für den „Otto-Normalverbraucher“ schwierige, oft unbekannte wissenschaftliche Begriffe und Formulierungen in der Art und Weise dem Publikum rüber zu bringen, so dass alle inhaltlich davon partizipieren konnten und damit eine gute Grundlage für die Diskussionsrunde entstand.
Leider musste der Veranstaltungsort relativ kurzfristig geändert werden, was aber nicht an den Veranstaltern lag. In Erkenntnis dessen, dass nicht alle interessierte Menschen ihre Informationen täglich online beziehen, sondern darauf vertrauen was Wochen vorher als Programm gedruckt in die Verteilung kam, wird Aufstehen gegen Rassismus Rhein-Neckar im Bedarfsfall künftig entsprechend agieren.
(Christian Ratz)