Kandel: Rechte Demo und Gegendemos – Verletzter nach Biss von Polizeihund
Diesmal kam Kurz zu kurz. Ein breites demokratisches Bündnis stellte sich erfolgreich gegen die allmonatliche Terrorisierung der rechtspopulistischen Gruppierung “Frauenbündnis Kandel”. Einsatzkräfte der Polizei machten sich der schweren Körperverletzung schuldig.
Demokratische und antifaschistischen Kräfte aus der Region und darüber hinaus kooperieren so langsam miteinander und sorgen für einen zunehmend wirksamen Protest gegen Faschismus, Nationalismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit.
Seit Anfang 2018 ziehen monatlich Rechtspopulisten und Rechtsextremisten regelmäßig durch Kandel, ständig mit dabei PEGIDA Schweiz, die Identitäre Bewegung, Reichsbürger, Pro NRW, Biker für Deutschland, der „dritte Weg“ sowie rechtsextreme Hooligans. Die Südpfälzische Kleinstadt mit knapp 9000 Einwohnern ist mittlerweile bundesweit bekannt und wird in einem Atemzug mit Chemnitz und Köthen genannt.
Sechs Demonstrationen waren bei der Kreisverwaltung Germersheim angemeldet, an denen lt. Polizei rund 700 Personen teilnahmen.
300 Teilnehmern der rechtspopulistischen Gruppierung “Frauenbündnis Kandel” um Initiator Marco Kurz standen 400 Gegendemonstranten gegenüber. Marco Kurz sprach entgegen den polizeilichen Angaben von “eigenen” 650 Teilnehmern.
Mit Ausnahme der Demonstration vom 24. März 2018 an dem die Ministerpräsidentin von Rheinland Pfalz, Malu Dreyer, an der “Demo gegen Rechts” teilnahm, war die Zahl der Gegendemonstranten deutlich höher als die Anzahl der beteiligten Rechtsextremen.
Sehr wohl wissend, dass dem so war, heizte Marco Kurz seine Demonstrationsteilnehmer damit auf, dass er von weiteren 4 Reisebussen fabulierte, die vor den Toren von Kandel von der Polizei festgesetzt würden und forderte die Polizei umgehend auf, diese ‚Festsetzung‘ zu beenden und den angeblichen Demonstrations-Teilnehmern freies Geleit zu seiner Demo zu gewähren… Die Menge tobte und war sofort verbal aggressiv. Polizisten wurden als “Söldner des Systems” bezeichnet. Teilnehmer des Gegenprotestes wurden unter anderem als “gekaufte Nutten” oder “Hurensöhne” beschimpft.
Auf Nachfrage bei der Polizei und nach einigen Informationen von Kandeler Bürger*Innen, die per Fahrrad nach den mysteriösen Bussen Ausschau hielten, bestätigte sich schnell, das Kurz‘ Aussage reine Propaganda war, und dazu dienen sollte, den misslungenen rechtsextremen Aufmarsch zu kaschieren. Im weiteren Verlauf merkte er schnell, dass seine Lüge selbst bei seinen Teilnehmern verpuffte, und am Ende waren es dann sogar „Gegendemonstranten, die die Straße blockiert hätten“ und somit dafür gesorgt hätten, dass die Busse nicht ankamen. Aber auch diese ‚Blockaden‘ vor der Stadt gab es nie…
Ein breites demokratisches Bündnis will sich dem jetzt endlich gemeinsam entgegenstellen und dem Spuk ein Ende bereiten.
Kandel gegen Rechts (KgR) mit all seinen Bündnispartnern versammelten sich bereits gegen 12.00 Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz in Kandel zu einem solidarischen Schulterschluss. Das bürgerliche Bündnis “Wir sind Kandel” traf sich zur Kundgebung vor der Verbandsgemeindeverwaltung Kandel. Den Aufrufen zur Demo folgten Demokratische Parteien, Gewerkschaften, Vereine, Bürger*Innen und antifaschistischen Gruppen. Erfreulich war auch die angekündigte Unterstützung aus dem Nachbarort Wörth.
Eine Vertreterin von KgR sprach davon: „Wir würden uns freuen, wenn mehr Kandeler Bürger auf die Straße gehen um diesem Spuk endlich ein Ende zu bereiten, die monatliche Belagerung rechtsextremer Ströme betrifft aber nicht nur Kandel alleine, sondern ist ein gesamtgesellschaftliches Problem“. Wir dürfen den Faschisten nicht die Straße überlassen. Die nächste Möglichkeit sich einem demokratischen Protest anzuschließen besteht bereits am 3. November 2018, das rechtsextreme ‚Frauenbündnis Kandel‘ ruft an diesem Wochenende wieder dazu auf, Kandel für seinen Hass und seine Hetze zu missbrauchen.
Deutliche Redebeiträge:
Wörths Bürgermeister Dennis Nitsche (SPD), SPD-Fraktionschef im Landtag Rheinland Pfalz, Alexander Schweitzer und Nico de Zorzi (Die PARTEI Germersheim und SÜW), sprachen auf Demonstrationen von Antifa und „Kandel gegen Rechts”.
Dennis Nitsche: „Es ist wichtig das wir alle zusammen stehen und auf die Straße gehen um unsere Demokratie vor denen zu schützen, die sie untergraben wollen. Antifaschismus ist heute wichtiger denn je. Wir sind klar die Mehrheit und wir alle dürfen es nicht zulassen, dass diese ‚geistigen Brandstifter‘ ihre politischen Machtphantasien, ihren Hass und ihre Hetze auf dem Elend von Minderheiten aufbauen. Darum stehen wir heute alle hier. Wir müssen gemeinsam unsere Gesellschaft verteidigen!”
Alexander Schweitzer sagte gleich zu Beginn seiner Rede: “Ich bin Antifaschist weil ich Demokrat bin”. Er appellierte deutlich an die verschiedenen Kandeler Bündnisse an einem Strang zu ziehen, nicht gegeneinander, sondern gemeinsam zu arbeiten nur so könne Kandel wieder zur Ruhe kommen. Es ist die Pflicht aller Demokraten sich rechten Populisten entgegenzustellen. Zersplitterung und gegenseitiges Abwerten ist absolut kontraproduktiv und dient nur der Stärkung von Rechtspopulisten. Zudem sagte Schweitzer “es wäre wünschenswert das mehr Parteifarben bei antifaschistischen Kundgebungen zu sehen sind”.
Nico de Zorzi: “Wie jeden ersten Samstag im Monat, und mittlerweile auch an manchem Sonntagmorgen (wir berichteten), legt ein Reichsbürger mit seinen Kumpanen und einigen Verwirrten, das schöne Kandel lahm. Der von einem Hörschaden geplagte Mann, welcher mit seinen narzisstischen Zügen seine Gruppe beflügelt und an einem leichten Aggressionsproblem knabbert, scheint sich in unserem idyllischen Städtchen wohl zu fühlen. Natürlich wollen wir die kostbare Redezeit auch nutzen um das Wissen bei den hysterischen Hutbürgern
aufzufrischen. Wer sich mit völkischen Symbolen, Hitlergrüßenden NPD-lern, Schlachtrufen der Hitlerjugend und rassistischer Kackscheiße umgibt, und auch noch “Wir sind das Volk” skandiert, sollte sich darüber im Klaren sein, dass es einer schizophrenen Störung gleicht wenn er von sich auf andere schließt…
Man könnte Stunden so weiter führen, doch wir beenden hier mit einer kurzen Betrachtung, was das Frauenbündnis um Marco Kurz bisher in Kandel erreicht hat………….. 5 4 3 2 1. Danke für ihre Aufmerksamkeit.
Lukas Hartmann (Bündnis90/Grüne): sprach darüber, dass alle Aktionen, ob Stricken, Backen oder Ähnliches, nicht abwertend betrachtet werden solle. „Den jeder trägt auf seine Weise zum Erfolg bei.“
Holger Heim, Sprecher der Kurfürstlich Kurpfälzischen Antifa sagte uns gegenüber: Neben Verschwörungstheorien und völkisch-nationalistischen Parolen, werden auch immer mehr antisemitische Narrative (u.a. Soros) bedient und Bundeskanzlerin Merkel, sowie der ehemalige Kanzlerkandidat Schulz von Teilnehmern der Fascho-Demo als “Juden” bezeichnet – als sei dies eine allumfassende Abwertung. Immer deutlicher wird auch, dass der gewaltsame Tod in der Agenda des sogenannten “Frauenbündnis” nur noch Gründungsmythos ist.
Im Verlauf der Kundgebung versuchten Gegendemonstranten die rechtsextreme Kundgebung zu stören.
Mit Trillerpfeifen und Sirenen drückten Gegendemonstranten ihren Protest aus, was dazu führte das Marco Kurz seine Kundgebung unterbrach. Er forderte die Polizei auf, sein Versammlungsrecht durchzusetzen. Die Polizei reagierte, und forderte die Gegendemonstranten zweimalig über eine Lautsprecheranlage auf, das Tröten und aufheulen von Sirenen zu unterlassen.
Nach der zweiten Aufforderung und der Androhung, den Protest um 50m nach hinten zu versetzen, kamen die Gegendemonstranten der Aufforderung der Polizei nach und stellten die Störung soweit ein, das die Ansprachen des ‚Frauenbündnisses‘ durchaus störungsfrei hätte von statten gehen können.
Für Marco Kurz reagierte die Polizei allerdings nicht wunschgemäß und er forderte den Einsatzleiter der Polizei mehrmals lautstark auf, die Gegendemonstration zu räumen. Allerdings gab es absolut keinen Grund für eine Räumung.
Fortlaufend wurden nun verbale Attacken gefahren und die Teilnehmer skandierten “Räumen, Räumen” in Richtung Polizei. Auch wurden die Einsatzkräfte einer Straftat bezichtigt; sie würden das Versammlungsrecht nicht durchsetzen. Das ‚Frauenbündnis‘ setze die Kundgebung trotz einer vorhandenen Möglichkeit nicht fort.
Nach zwei Stunden begab sich der rechtsextreme Aufzug auf ihre eigentliche Demostrecke, die angeblich ebenfalls von Gegendemonstranten blockiert sein sollte. Auch das konnte die Polizei uns nicht bestätigen…
Zwischenstopps für Hass und Hetze
Neben der pauschalen Ablehnung einer weltoffenen und toleranten Gesellschaft und der faschistoiden Rückbesinnung auf “Volk” und “Nation” nehmen mittlerweile auch Themen wie Naturschutz, Umweltschutz, Rundfunkgebühren und Systemkritik immer breiteren Raum in den Redebeiträgen ein – immer eingebettet in einen nationalistischen Deutungsrahmen.
Hierbei stellt man sich als Opfer internationaler Verschwörungen dar und behauptet, das “deutsche Volk” solle durch eine “Umvolkung” ausgelöscht werden. Ohne es zu sagen werden auch hier die widersinnigsten Verschwörungstheorien über ein “internationales Finanzjudentum” bedient, welches das angeblich überlegene “deutsche Volk” durch eine willfährige dumpfe Masse im Dienste der Kapitalmehrung “der Juden” ersetzen wolle. Als Beleg dafür dient die angebliche Schaffung der “Vereinigten Staaten von Europa” einerseits, der “Migrationspakt der Vereinten Nationen”, welcher in absehbarer Zeit beschlossen werden soll, andererseits.
Ohne diese angeblichen Pläne untermauern oder belegen zu können, werden handelnde Politiker als kriminelle, korrupte oder dumme Menschen diskreditiert, der Gegenprotest als von SPD und Gewerkschaften bezahlte Demotouristen abgewertet und allen, die gegen die Agenda der Faschisten aufstehen die Prädikate Antifa, Linksextreme, Volksverräter, gewalttätige Kriminelle, Lügenpresse oder schlicht Schlafschafe angehängt.
Polizei muss dringend ihre Einsatzstrategie überdenken
Wieder war die Polizei nicht in der Lage die Demolager konsequent zu trennen. Mehrfach wurden Teilnehmer der rechten Demonstration nicht darin gehindert, sich ihren Weg durch die Gegenproteste zu bahnen was zur Folge hatte, das es immer wieder zu verbalen Auseinandersetzungen kam. Hier wurden Problemzonen künstlich geschaffen.
Unverhältnismäßiger Polizei-Einsatz endete mit massiver Körperverletzung. Ersthelfer des Platzes verwiesen.
Durch völlig überforderte Einsatzkräfte ist es zu einer massiven Körperverletzung gekommen. Zwei junge Männer der Gegendemonstration pendelten über den Sparkassenparkplatz zwischen den Gegendemonstrationen und wurden direkt von der Polizei aufgehalten.
Einer der hatte Beamten führte einen Hund ohne Maulkorb mit sich, der von Anfang an aggressiv und angriffslustig war. Der Hund reagierte unkontrolliert und als der Mann sein Bein hob, als Schutzreaktion vor dem Hund, ließ der Polizist seinen Hund los. Dieser verbiss sich sofort in das Bein des Demonstranten und anschließend in den Arm. Währenddessen kamen mehrere Polizist*Innen hinzu, die den Mann zu Boden drückten, schlugen und fesselten. Obwohl der Mann schon lange überwältigt war, ließ der Hund die ganze Zeit nicht von ihm ab und biss weiter zu
Der Demonstrant wurde so schwer verletzt, dass ein Rettungswagen gerufen werden musste. Ersthelfer der Sanitätsgruppe Südwest, die vor Ort im Einsatz waren, erheben schwere Vorwürfe gegen die Polizei und gegen die Besatzung eines Rettungswagens des DRK Kandel. Der Verletzte wurde unverhältnismäßig lange mit auf den Rücken fixierten Händen von mehreren Beamten gegen ein Fahrzeug der Polizei gedrückt, obwohl er massive Schmerzen signalisierte und um Hilfe bat.
Auch im Rettungswagen weigerte sich die Polizei die Handschellen abzunehmen, wodurch eine Behandlung nur schwer möglich war. Die Sanitäter selbst setzten sich nicht, wie es ihre Pflicht gewesen wäre, für den Verletzten ein, sondern meinten, er trage ja selbst die Verantwortung für seine Verletzungen. Als der verletzte Demonstrant dann ausdrücklich darum gebeten hat vom Demosanitäter behandelt zu werden, hat die Polizei den Ersthelfer des Platzes verwiesen.
Der betroffene Demonstrant liegt Augenblicklich stationär in einem Krankenhaus und hat an mehreren Körperstellen massive Bisswunden. Eine Operation kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgeschlossen werden.
Hinter einem Zaum in unmittelbarer Nähe zum Geschehen übten einige Demonstranten lautstark ihren Unmut über die unverhältnismäßige Festsetzung der Polizei und wurden mit weiteren Diensthunden ohne Maulkorb regelrecht in Schach gehalten.
Eine weitere Person wurde nur kurze Zeit vorher von der Polizei verletzt und musste mit einer Platzwunde am Kopf ins Krankenhaus gebracht werden.
Zeugen sprachen uns gegenüber davon, dass der Hund deutlich sichtbar, sehr aggressiv gegenüber allen Personen selbst gegen Polizeibeamten war und der Diensthundeführer ihn absolut nicht unter Kontrolle hatte. Aufgrund uns vorliegenden Videos und Bilder dieses Einsatzes kann man den Zeugenaussagen durchaus Glauben schenken.
Bundestagabgeordneter von der Polizei bedroht
Der Bundestagsabgeordnete der Linken Michel Brandt Twitterte „Irrsinn in #Kandel“. Der Polizeieinsatzleiter drohte konkret mit Schlägen („du kriegst auf die Fresse“). Als der Abgeordnete sein Handy zur Dokumentation des Namens des Beamten aus der Tasche holte, versuchte der Beamte ihm das Telefon zu entreißen.
Journalisten wurden observiert und dokumentiert
Zum wiederholten Male wurden Journalisten von Teilnehmern der rechten Demos gezielt gefilmt und abgelichtet. Das sind ein klarer Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung, Verletzung des Persönlichkeitsrechts und ein Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz. Diese Aufnahmen dienen einzig und alleine dazu, Journalisten in ihrer Arbeit zu stören und einzuschüchtern. Einige der Videos und Bilder wurden bereits auf diversen rechtsorientierten Internetseiten veröffentlicht und Journalisten werden dort bedroht und diffamiert.
(Text: jb | Bilder: jb, eb)
Bildergalerie
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