Kommentar: Heidelberg, 9. November: Stiller Protest (k)eine Option (?)
„Vor 80 Jahren fingen Leute wie ihr an zu morden“, das geht mir beim Thema AfD in Kirchheim am 9.November durch den Kopf. Das macht mit Recht wütend. Doch aufgesetzte Theatralik ist unnötig und streut wieder einmal ein Bild, das dem Antifaschismus nicht gerecht wird. Nicht an diesem Tag.
Wenn die AfD in Heidelberg keine Lokalitäten mehr findet, die zu köstlicher Provokation einladen, dann findet sie eben ein Datum, das diesen Zweck genau so gut erfüllt. Der Protest, den das auf den Plan ruft, dürfte dem ein oder anderen da ein süffisantes Grinsen ins Gesicht zaubern, stellt er doch am Ende das dar, was die AfD nur allzu oft als Antifaschismus zu deklarieren versucht und lässt den Protest auf der Stelle treten.
Wer sich als waschechter Antifaschist sieht, der schweigt halt nicht. Das ist gut, aber wenn die Würde eines Datums wie der 9. November auf dem Spiel steht, muss man vielleicht überdenken, ob man vom gewohntem Schema des Protests einen Schrift zurück tritt. Die Option des Schweigens ist kein Maulkorb, sie ist kein Irrtum. Es ist engstirnig sich nicht der Option des Schweigens zu bereichern und sich mit unerwarteten Mitteln gegen die AfD zu stellen. Gerade an einem Tag, es ist hier dazu noch der 80. Jahrestag des Novemberpogrom, wie diesem fordert es der Respekt vor der Geschichte, die AfD mit Schweigen zu strafen statt mit dem, was sie gerne für sich ausschlachten, zu belohnen. Darin liegt auch wohl das Fehlen der Beteiligung von Heidelberger FDP und CDU begründet, fürchtet man sich doch noch immer so sehr vor dem, was die AfD im Nachgang daraus macht.
Es ist wichtig, viele Menschen auf die Straße zu bringen. Es ist wichtig, Präsenz zu zeigen und zwar in einer Masse, die die Besucher und Organisatoren von AfD-Veranstaltungen klein macht, auch wenn das bedeutet, mit geballter Faust in der Tasche am Platz zu stehen. Das Schaffen eines breiten Bündnisses, das diese Massen erreicht, erfordert Kompromisse. Lauter Antifaschismus und Rhetorik, die man bei Gewerkschaftskundgebungen erwartet, sind hier fehl am Platz, der Würde wegen. Kämpferische Reden mögen inhaltlich gut sein, nur die Darbietungsform ist fehl am Platz, der Würde wegen. Und das hier wird auch nicht jedem schmecken: Man ist nicht nur ein guter Antifaschist, wenn man sich laut und kämpferisch gibt, sondern auch dann, wenn man weiß, wann es gut ist leise zu sein. Es gibt keinen Grund, warum stiller Protest zur Makulatur werden soll. Und es gibt keinen Blick für das was angemessen erscheint. Thematisch rennt man der AfD, welche ihre Veranstaltung mit „Europa am Scheideweg“ betitelt, hinterher. Die Chance, den Gegner, der die Reaktion auf Protest, wie er ihn kennt, bereits im Lauf geladen hat, mit Unerwartetem zu schrecken, ist vertan.
Das ist, was ich aus der Geschichte lerne. Und das ist der Grund warum ich mit Bauchschmerzen hingehen werde.
(Daniel Kubirski)
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