Kandel bleibt Tummelplatz für Rechtsextreme – Organisationen gegen Rechts in Überzahl (mit Fotogalerie)
Das “Frauenbündnis” um Marco Kurz versuchte am 01.12.18 auf der Welle von Frankreichs „Gelben Westen“ mit zu schwimmen und mobilisierte dennoch nur wenige Teilnehmer*innen für ihre rechte Sache, dafür gewinnt das Kurz-Bündnis immer mehr an zweifelhaftem “Sektencharakter”.
Im Internet proklamiert er 500 Teilnehmer*innen seiner Demonstration des Frauenbündnisses, dass die Polizei in einer Pressemitteilung von 400 Demonstrant*innen insgesamt spricht interessiert ihn wenig. Lügen sind das Geschäft mit dem Kurz jeden ersten Samstag zur Demo in Kandel aufruft.
Die Angaben der Polizei sind realistisch, 150 Teilnehmer*innen konnte Marco Kurz verzeichnen, 250 Demonstrant*innen bildeten als Gegner die Mehrheit. Das Bündnis war wieder breit aufgestellt, vertreten waren u.a. Die Grünen Landau, Heidelberg gegen Rassismus, SPD Heidelberg, Omas gegen Rechts, Aufstehen gegen Rassismus und Kandel gegen Rechts u.v.m..
Thomas Hitschler (SPD) lobt das breite Bündnis aus denen, die nicht weiter zu schauen wollen was in Kandel passiert: „Wir sind nicht bereit, zu zulassen, dass die diejenigen die Straße übernehmen, die schlechtes mit diesem Land vorhaben. Die Währung der neuen Rechten in Deutschland ist nichts anderes als Angst, Verunsicherung und Panikmache.“ Weiter ruft er auf, in sozialen Netzwerken, Nachbarschaftsgesprächen, politischen Stammtischen und auch überall sonst mit Diskussion und Argumenten dagegen zu halten.
Felix Werling (Vorsitz d. SPD KV Germersheim) erinnert an die Tragödie um den Mord an Mia, der den Ursprung der rechten Aufmärsche in Kandel darstellt, sie sind eine Belastung, für Angehörige, die Stadt und die ganze Region. Er findet deutliche Worte: „Was hier in Kandel passiert, ist an Unmenschlichkeit kaum zu überbieten. Wie kann ein Mensch so unverhohlen, so rücksichtslos und empathielos sein ? Wie können Menschen so fern von jeglichem Mitgefühl Monat für Monat durch die Straßen marschieren und immer wieder die sinnlosen und populistischen Phrasen bringen? Was für ein Mensch muss man sein, um einen tragischen Mord so zu instrumentalisieren, dass man auf dem Rücken der Trauernden seine Hetze ausbreitet?“ Er mahnt zu kritischer Distanz, gerade an junge Menschen. Braune Parolen seien nicht die Lösung für unsere komplexe Welt. Demokratie, als etwas nicht Selbstverständliches, erfordert wach und aufmerksam zu sein, um zu erkennen das ihr schadet.
Isolde Dörr spricht für Omas gegen Rechts: „Wo Hass die Oberhand gewinnt, werden moralische und ethische Grenzen zerstört, ich lasse mir die Menschlichkeit und Empathie für andere nicht zerstören. Es gibt eine Sache, die zählt: absoluter Respekt dem anderen gegenüber.“
John Brambach (Heidelberg gegen Rassismus) erinnert an den kommenden Tag der Menschenrechte, der sich am 10.12. zum 70.Mal jährt, und findet auch zur per Grundgesetz verbrieften Menschenwürde passende Worte: „Der rechte Mob verbreitet rassistischen Hass und Hetze, tritt Menschenrechte mit Füßen – missachtet die in Artikel 1 Grundgesetz verbriefte Menschenwürde. Die Würde eines ermordeten Mädchens, deren Namen und Foto sie für ihre rechte Propaganda instrumentalisieren und durch die Straßen tragen. Die Würde trauernder Eltern, deren Tochter ihnen durch einen schrecklichen Mord genommen wurde. Rechten Menschen, Neonazis geht es nicht um Menschenrechte! Uns allen die hier stehen schon!“
Vor dem Friedensengel am Kandeler Marktplatz kamen Bürgermeister Volker Poß, Landrat Fritz Brechtel, Thomas Hitschler, Kathrin Rehak-Nitsche, Mitglieder von Land- und Bundestag, sowie Bürgermeister der Kreisgruppe und andere Mandatsträger zusammen. In einer gemeinsamen Erklärung heißt es: „Mit dieser gemeinsamen Aktion soll deutlich gemacht werden, dass wir uns durch extreme und radikale Kräfte nicht auseinander dividieren und spalten lassen und gemeinsam hinter den Kandeler Bürgerinnen und Bürgern stehen „
„Wir sind Kandel“ war aus Rücksicht auf Anwohner, Geschäftsleute und den Kandeler Weihnachtsmarkt mit einem Informationsstand in der Hauptstrasse vertreten.
Der Demonstrationsverlauf selbst begann ruhig. Durch den Abstand von fast 100m von der Gegendemonstration in der Garten Straße / Ecke Georg Todt Straße zur Kurz-Kundgebung auf dem Bahnhofsparkplatz konnte von Ruf- und Sichtweite keine Rede sein.
Der Demonstrationszug von Marco Kurz, setzt sich seit er die Bewegung der französischen „Gelbwesten“ imitiert, aus mehr und mehr seltsamen Charakteren zusammen. Wo anfangs noch Vertreter der AfD mitmarschierten, lässt sich in Kurz´ Gesellschaft kaum noch jemand blicken der Wert darauf legt, ernst genommen zu werden. Nun muss sich Kurz mehr mit abgehängten Nobodys und bizarren Verschwörung Ideologen zeigen, viele von ihnen brachte er im Vorfeld aus Frankreich mit, wo er am Samstagvormittag demonstrierte. Darüber ist allerdings nichts zu sehen oder zu hören, was nicht gerade auf durchschlagenden Erfolg schließen lässt. Erschreckend war am Samstag die Anzahl der mitlaufenden Kinder, die Hemmungen, selbst Kleinkinder in gelbe Westen zu stecken und mit „Merkel muss weg“ Schildern auszustaffieren, sind kaum noch wahrnehmbar. Die, die Marko Kurz inzwischen folgen sind indoktrinierte Fanatiker mit handfesten Umsturzphantasien, mit deutlichem Hang zu Reichsbürgerideologie und völkischem Denken. Ohnehin ist fraglich ob die Ambivalenz, in der Kurz damit steckt, eher schadet. Beklagt man lauthals eine generell gewalttätige und randalierende Antifa, was ja nach wie vor noch zu belegen wäre, aber auf der anderen Seite ereifert er sich für Leute die in Frankreich derzeit so einiges in Schutt und Asche legen.
Die Bewegung der Gelben Westen in Deutschland zu adaptieren stößt aber an Grenzen, die Landrat Fritz Brechtel im Versammlungsgesetz findet. Danach ist es verboten, öffentlich oder in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen. Gemäß § 28 VersG, stellt das eine Straftat dar. Auf dieser Grundlage müssen Demonstrationsauflagen angepasst werden.
Zwei Begegnungen, eine Dritte mündet in Gewalt
Begegnungen der Demonstrationen in Sicht- und Hörweite gab es nur zwei. In der Sommerstraße standen sich beide Parteien nur 10m gegenüber, durch Hamburger Gitter getrennt, als sich die Demo des Frauenbündnisses durch die Bahnhofstrasse bewegte. Wie anständig sich Kurz´ Anhänger verhielten, zeigten, wohlgemerkt im Beisein der mitlaufenden Kinder, zahlreiche hochgereckte Mittelfinger und selbst die Kehlenschnitt-Geste war zu sehen. Das alles gepaart mit auf Eskalation ausgelegte Schmährufe und Beleidigungen, auch diese keinen Deut jugendfrei.
Als die Demonstrationen sich kurze Zeit später erneut gegenüberstanden als das Frauenbündnis in die Rheinstrasse abbog und sich auf der Kreuzung für eine Zwischenkundgebung postierte. Inhaltlich gab es auch hier nicht neues, Es wurde ein Lied namens „Dumm Dümmer Antifa“ vorgetragen, darauf aber im Detail einzugehen ist es ob der miserablen gesanglichen Darbietung nicht wert.
Auf der Gegenseite wurde mit Sprechchören und einer Trommlergruppe lautstark dagegen gehalten, so dass die Kurz Demo wenigstens nicht in Ruhe ihre rassistische Hetze propagieren konnte.
Hier kam es zu einem Zwischenfall in den Teilnehmer der Kurz-Demo beteiligt waren.
Ein Teilnehmer der Frauenbündnis Demo verlor die Nerven und versuchte eine Gegendemonstrantin anzugreifen, Polizist*innen unterbanden den Angriff schnell und rigoros.
Stutzig über die Zwischenkundgebung auf der Kreuzung generell macht aber die Tatsache, dass die Hauptstraße trotz der Zusicherung durch Landrat Brechtel, sie würde durch die Demonstrationen nicht beeinträchtigt, um 14 Uhr für knapp 2 Stunden gesperrt wurde um Kurz die Kundgebung auf der Kreuzung zur Rheinstraße zu ermöglichen. Dies auf merkwürdig kurzem Dienstweg: Durch Kopfnicken direkt am Platz, Vertreter der Versammunglungssbehörde waren vor Ort. Das Blockieren der Hauptstraße geschah durch die Gegendemonstranten die sich dort einfanden, so die Vertreterin der Kreis-Versammlungsbehörde. Hier heißt es: „In die Hauptstraße begaben sich während der Zwischenkundgebung des Frauenbündnisses Kandel Teilnehmer aus der Versammlung von Kandel gegen Rechts. Dies obwohl im zweiten Kooperationsgespräch vom 26.11.2018 zugesichert wurde, dass sich die Teilnehmer von Kandel gegen Rechts aus Rücksicht auf die Gewerbetreibenden nicht zu Demonstrationszwecken auf die Hauptstraße begeben und dort in diesem Zusammenhang auch keine Aktionen stattfinden sollen.“
Was dadurch fragwürdig erscheint: Warum standen die Hamburger Gitter bereits um 14:30 Uhr auf der Kreuzung bereit ? Ein Schelm, der Böses dabei denkt, dies zu beantworten ist ein weiteres Mal Landrat Fritz Brechtels Aufgabe.
Die Geschäftsleute in der Hauptstraße waren jedenfalls wenig begeistert und Kandel gegen Rechts wirft der Kreisverwaltung Germersheim vor, mit diesem Verhalten und ihren Aussagen ein weiteres Mal den Gegenprotest in Kandel zu diffamieren und spiele den Rechtsextremen in die Karten.
In einer Stellungnahme erklärt das Bündnis:
„Die Frage ist nicht, wie die Kreisverwaltung so unverfroren lügen kann, sondern warum sie das tut? Im Kooperationsgespräch hatte uns die KV Germersheim zu unserer Verwunderung den Spot an der Kreuzung angeboten. Da wir aber – im Gegensatz zu ihnen – ernsthaft darum bemüht waren, die Hauptstraße frei zu lassen, haben wir abgelehnt. Damals wussten wir aber nicht, dass eine Zwischenkundgebung des sogenannten “Frauenbündnis” an der Kreuzung genehmigt wurde und die Kreuzung somit ohnehin dafür gesperrt werden muss. Dass bei einer abgesperrten Kreuzung automatisch der Zugang in die Hauptstraße blockiert ist, ist wohl überflüssig zu erklären. Zudem standen dort bereits Hamburger Gitter, bevor auch nur ein Gegendemonstrant vor Ort war.
Kandel gegen Rechts war darüber vorher nicht informiert und hat damit auch nicht gerechnet. Erst vor Ort merkten wir, dass die Zwischenkundgebung dort stattfindet und der Weg zur Kreuzung frei begehbar ist. Aus diesem Grund haben sich nach und nach Antifaschisten dorthin begeben, um den rechten Parolen etwas entgegen zu setzen. Dadurch wurde die Hauptstraße aber nicht mehr oder weniger blockiert, als es ohnehin schon der Fall war.“
Zweifelhaft erscheint ein Angriff der von Antifa Aktivist*innen ausgehend, den Verpflegungswagen des Frauenbündnisses zum Ziel haben sollte, er ereignete sich auf dem Grashügel, ein Video das Kurz im Internet veröffentlicht hat, offenbar von einem Unterstützer in der Wohnung gegenüber des Bahnhofs ausgenommen, Zeigt eine Gruppe von Antifa Aktivist*innen, in Richtung Parkplatz rennend, als einer der Personen plötzlich von etwas getroffen wird und am Boden liegt, als ein Mannschaftswagen mit Sirene und Blaulicht den Ort des Geschehens erreicht löst sich der Tumult auf. Das Video zeigt nicht was der Auslöser für den „Angriff“ ist. Der Verdacht, es handelt sich um eine gezielte Inszenierung, mit Unterstützung aus Kandel, drängt sich auf, ist aber nicht belegbar. Der verletzte Aktivist wurde mit einer Eisenstange [Anm. Solche die temporär aufgestellten Verkehrsschilder tragen] an der Seite des Kopfes getroffen. Er verlor einen halben Zahn und kam ansonsten mit viel Glück nur mit einer geschwollenen Wange davon. Daher stimmt Kurz´ Behauptung im Internet in der er sich stolz damit brüstet, seine Anhänger hätten „drei von ihnen krankenhausreif geprügelt“ ebenfalls nicht. Das lässt aber darauf schließen mit welcher Motivation man hier zu Werke ging. Die Eisenstange wurde von einem Teilnehmer der Kurz-Demo angeblich zur Verteidigung an sich genommen. Der als Redner des Frauenbündnis aufgetretene „Robert Einzelfall“ ist in den Vorfall involviert und stößt wüste Beleidigungen aus: „Du dreckige Hure!“, er ist nur nur mit körperlichem Einsatz der Polizeikräfte davon abzuhalten gegen die Aktivisten tätlich zu werden.
Ein Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung gegen die Schläger der Frauenbündnis Demo wurde aufgenommen.
Als Ursache wahrscheinlicher ist möglicherweise der Versuch die Kurz-Demo auf ihrer Strecke kurz vor dem Bahnhof mit einer Sitzblockade zu stoppen, der durch Teilnehmer der Kurz-Demo dann angegriffen wurden. Hier kam dann die Eisenstange zum Einsatz. Bestätigt ist dies jedoch nicht, auch wenn der Verdacht, durch die durchweg aggressiv auftretenden Demonstrations-Teilnehmer*innen, nahe liegt.
Im Anschluss wurden etwa 30 Antifaschist*innen, die sich solidarisch zeigten von der Polizei eingekesselt und unter Protest weitere 15m in die Bahnhofstraße geschoben.
Da die Anfragen dieser Redaktion bei der zuständigen Pressestelle der Polizei noch unbeantwortet sind, setzt sich das Bild dieser Ereignisse leider nur lückenhaft zusammen. Sobald die KIM-Redaktion Antworten erhahlten hat, reichen wir die Informationen dazu nach.
Ausblick auf die kommenden Monate:
Am 27. Dezember jährt sich Mias Todestag zum ersten mal. Man muss davon ausgehen, dass das „Frauenbündnis“, wenn auch von Anfang an nicht an Mias Schicksal interessiert, dies besonders zu instrumentalisieren versucht. Dazu hat Marco Kurz für 2019 Demonstrationen im 2 Wochen Turnus angemeldet. Es bleibt für Kandel, dessen Bürger noch immer gefordert sind, viel zu tun. Einiges zu tun gibt es auch weiter für die Polizei, die das Demonstrationsrecht noch immer überwiegend einseitig durchsetzt. Dass die Objektivität beim Zeichnen des Bildes von rechts und links im öffentlichen Diskurs auf der Strecke bleibt, ist allein schon bedauerlich – Behörden können sich das jedoch nicht leisten.
(Bericht: D.K. – Fotos: E.B. und D.K.)
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