Antifaschist vor Gericht – Richter fällt zukunftsweisendes Urteil?
Am 12.07.19 wurde beim Amtsgericht Landau der Prozess gegen Michael Unger (*) verhandelt. Die Staatsanwaltschaft warf dem Angeklagten im Rahmen einer Demonstration in Kandel 2018 gegen den Aufzug von rechten Gruppierungen zu Last u.a. verbotene Gegenstände mitgeführt zu haben, gegen das Vermummungsverbot verstoßen zu haben und Widerstandsleistungen gegen Vollstreckungsbeamte geleistet zu haben. Das Gericht verurteilte den Aktivisten nach der Regel „en dubio pro reo“ zu 180 Tagessätzen a € 25,-.
(AZ: Ls 7350 Js 7983/18 jug)
Solidarität und massive Sicherheitskontrollen
Bereits vor dem Prozess veranstalteten Unterstützer des Angeklagten vor dem Gerichtsgebäude eine Soli-Kundgebung. Insbesondere dieser Personenkreis wurde beim Betreten des Amtsgerichts intensiv zweimal kontrolliert. Nummerische Einlasskarten für den Gerichtssaal wurden ausgeteilt; Mobiltelefone und Getränkeflaschen zeitweise von Justizangestellten konfisziert.
En dubio pro reo – Im Zweifel für den Angeklagten
Wenig blieb übrig aus der Anklage der Staatsanwaltschaft. Auch die Vernehmung von diversen Polizeibeamt*Innen konnten die Anklageschrift nicht untermauern. Ebenso wenig das Abspielen eines polizeilichen Videos vom Demonstrationsgeschehen. Der Hauptanklagepunkt „Polen-Böller“ mitgeführt zu haben beziehungsweise solche in Richtung Uniformierter im März 2018 geworfen zu haben, konnte im Rahmen der Beweisführung entkräftet werden.
Verurteilung
Der vorsitzende Richter Ruppert sprach in seiner Urteilsbegründung davon, dass er Michael Unger keinen „Ghandi-Märtyrer-Status“ zukommen lassen könne. „Humanismus und Ratio sollten auch beim Kampf auf der Straße obsiegen“. Verurteilt wurde der jugendliche Antifaschist wegen Verstößen gegen das Vermummungsverbot und das Versammlungsrecht, sowie wegen Landfriedensbruch zu einer Geldstrafe von € 4.500, -. Ins Urteil floss ein, dass der Angeklagte bereits bei Gerichten bekannt ist. Gegen das Urteil vom 12.07.19 kann Berufung eingelegt werden.
Direkt nach Beendigung der Verhandlung präsentierten Unterstützer im Gerichtssaal ein Transparent mit der Aufschrift „Auf der Straße und vor Gericht – Niemand bleibt im Regen stehen“.
Ausblick
Weitere Prozesse stehen gegen Antifaschist*Innen, die bei Demos in Kandel beteiligt waren, an. Die Anklagevorwürfe sollen ähnlich lauten. KIM versucht auch diese Gerichtsverhandlungen zu begleiten.
(*)Name von der Redaktion geändert
(Bericht und Fotos: Christian Ratz)