„Alltägliche Formen der Ungleichwertigkeit – Was hat das mit uns zu tun?“ – 2. Kongress von Karlsruhe gegen Rechts mit hoher Teilnehmerzahl (mit Fotogalerie)
Das im Jahr 2014 gegründete Netzwerk „Karlsruhe gegen Rechts“ lud am 12.10.19 zum 2. Kongress ein. Rund 100 Personen folgten der Einladung und konnten sich bei Impulsvorträgen informieren lassen und in Workshops konkrete, themenspezifische Inhalte voranbringen. Fazit eines Teilnehmers beim Abschlussplenum: „Man hätte mehr Zeit benötigt. Themen sollten inhaltlich nachbearbeitet werden.“
Impulsvorträge und Podiumsgespräche / Halle an der Saale am 09.10.19
Nach der Begrüßung der KongressteilnehmerInnen durch Jakob Wolfrum vom Netzwerk übernahm Tine Meier (GF*In der GEW Nordbaden) die Regie und Moderation des Tages.
Im Andenken an die Opfer des rechtsterroristischen Anschlags in Halle an der Saale, einer Partnerstadt von Karlsruhe, wurde mit einer Schweigeminute den Opfern dort und allen Opfern durch rechtsextremistische Gewalt gedacht.
Hochkarätig besetzt und qualifiziert waren die Redner der Impulsvorträge, welche auch die Workshops am Nachmittag leiteten:
- Borghild Strähle arbeitet seit 4 Jahren bei adis e.V. (Träger der professionellen Antidiskriminierungsarbeit in der Region Reutlingen/Tübingen und Fachstelle zum Thema Diskriminierung und Empowerment in Baden-Württemberg) im Bereich Beratung und Fortbildung mit dem Schwerpunkt „Ableism“. Freiberuflich ist sie als Selbstbehauptungstrainerin für Frauen und Mädchen mit Behinderungen tätig.
- Tom David Uhlig ist Mitarbeiter der Bildungsstätte Anne Frank, wo er die Wanderausstellung „Das Gegenteil von gut. Antisemitismus in der deutschen Linken seit 1968“ kuratierte. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift für psychoanalytische Sozialpsychologie „Freie Assoziation“ sowie der „Psychologie & Gesellschaftskritik“.
- Benjamin Harter ist Integrationsbeirat für Sinti und Roma in Offenburg, Mitbegründer der Initiative SintiRomaPride und ehrenamtliches Mitglied bei der Bildungsinitiative des Dokumentationszentrums Deutscher Sinti und Roma. Sein Großvater, Holocaust-Überlebender, und die Familiengeschichte mit unzähligen Toten des nationalsozialistischen Völkermords prägten ihn von klein auf und machten ihn zum Aktivisten gegen Antiziganismus und Diskriminierung im Allgemeinen.
- Rüstü Aslandur ist Mitbegründer des Muslimischen Studentenvereins Karlsruhe und des Deutschsprachigen Muslimkreises Karlsruhe. Er ist als Sozialarbeiter und in der Jugendarbeit aktiv. Zudem ist er im interkulturellen Gebiet als stellvertretendes Mitglied des Migrationsbeirats der Stadt Karlsruhe und im interreligiösen Gebiet als Beirat der AG Garten der Religionen tätig.
- Shirin Eghtessadi ist Kultur- und Medienwissenschaftler*in (MA) und systemische Coach. Sie arbeitet als Projektreferent*in, Coach und Trainer*in im Bereich Empowerment und Antidiskriminierung. Zentral für ihre Arbeit ist die transformative Kraft von Achtsamkeit und Selbstliebe. Und Anna Feldbein ist Theater-, Film- und Medienwissenschaftlerin. Sie arbeitet als Trainerin im Bereich Empowerment, Antidiskriminierung und interkulturelle Kompetenz sowie als Projektkoordinatorin an der Hochschule Karlsruhe. Sie ist Mitbegründerin und im Vorstand von Empowerment! KA
Tine Meier (Moderation) griff zum Einstieg zurück auf den 1. Kongress 2018 mit dem Motto „Dunkle Seite der Gesellschaft – Rechtsruck in der Gesellschaft“ und leitete damit über auf den aktuellen Tag: „Diskriminierung von Minderheiten durch Rassismus und Ausgrenzung. Ein strukturelles Problem der Gesellschaft. Was hat das mit uns zu tun – was hat dies mit mir zu tun?“.
Alle RednerInnen äußersten sich sehr klar und eindeutig während ihrer Impulsvorträge. Wir zitieren aus den Reden sinngemäss:
„Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderung ist eine Utopie. Ausgrenzung geschieht zu 60% im öffentlichen Raum; auch bei Ämtern und Behörden. Alle in der Gesellschaft könnten etwas gegen Diskriminierung tun.“ (Borghild Strähle)
„Der Anschlag in Halle ist keine Überraschung. Anstieg von Antisemitismus ist seit 2014 deutlich zu spüren. Deutschland scheint bei diesem Thema rat- und hilflos zu sein.“ (Tom David Uhlig)
„Die Grenzen des Unsagbaren haben sich verschoben. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit steht auf der Agenda einer Partei, die in Parlamente gewählt wurde. Dies ist kein reines AfD-Thema. Die Grün-Schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg schiebt Sinti und Roma in Balkan-Staaten ab, wo diese nicht sicher sind.“ (Benjamin Harter)
„Kopftuchtragende Putzfrau ist okay, aber bei einer Lehrerin oder Richterin scheinbar ein Problem. Der jüngst genehmigte Bau einer Moschee in Karlsruhe könnte erneut schlimme Geister auf den Plan rufen. Pauschale Kritik am Islam ist kontraproduktiv. Diskurs und Kritik müssen sich gegen den islamistischen Terror wenden. Antimuslimischer Rassismus ist ein grundsätzliches Problem in der Gesellschaft.“ (Rüstü Aslandur)
„Viele kleine Schritte bedeuten in Summe einen großen Schritt hin zu weniger Diskriminierung und Rassismus. Die Handlungsfähigkeit und der Umgang in der Arbeit mit geflüchteten Mädchen muss verstärkt werden.“ (Anna Feldbein)
Die Workshops: Von A bis fast Z
Angeboten wurden nach der Mittagspause thematisch klug ausgewählte 3-stündige Workshops; Freiräume, in denen sich die ReferentInnen noch genauer mitteilen konnten und den TeilnehmerInnen die Chance geboten wurde sich aktiv einzubringen, um die angebotenen Themen voranzubringen.
„Antisemitismus, Antiziganismus, Antimuslimischer Rassismus, Rassismus im Alltag, Was geht mich Ableism an“, befanden sich im Angebot.
Aufgrund der Absage einer Referentin entfiel der vorab angekündigte Workshop zum Thema „Sexismus“.
Fazit des Abschlußplenum: Unbedingt Weitermachen
Mehrheitlich wurde es von den Teilnehmenden begrüßt, dass der Kongress erneut stattgefunden hat. Spannend zu beobachten war, dass sich Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Motivationen heraus, von der Lebenserfahrung grob geschätzt zwischen etwa 20 und >70 Jahre jung und aktiv, beteiligten.
Während der Abschlussrunde wurden vom Plenum u.a. folgende Signale an die Veranstalter und die Öffentlichkeit gesandt:
„Antimuslimischem Rassismus und Vorurteilen muss mit Fakten begegnet werden. Infoveranstaltungen wurden gefordert.“
„Künftig den Anteil junger Menschen und von Mitbürgern mit Migrationshintergrund versuchen zu erhöhen.“
„Den ausgefallenen Workshop zum Thema „Sexismus“ nachholen.“
„Großes Lob ans Orgateam und die ReferentInnen“
„Leider fehlte eine Abschlußerklärung der Konferenz“
Link zum Netzwerk „Karlsruhe gegen Rechts“:
(Bericht und Fotos: Christian Ratz)
Alle Bilder des Tages: