Trauer und Entsetzen über das Attentat in Halle
Auch in Mannheim der traurige Anblick: Die Synagoge unter dauerhaftem Polizeischutz, weil es Menschen gibt, die ihren tödlichen Hass gezielt auf Jüdinnen und Juden lenken – nach alten und wieder hochaktuellen Mustern. Im Bild hier nicht die Polizei, sondern ein paar Zeichen der Solidarität mit der jüdischen Gemeinde.
Über den Täter wird nun viel spekuliert. Er sei wohl ein eigenbrötlerischer Einzelgänger mit massiven psychischen Problemen. Und ganz schnell steht die Feststellung im Raum, er sei offensichtlich ein Einzeltäter. Terrorismusexperten verweisen darauf, er unterscheide sich vom Muster rechtsradikaler neofaschistischer Terroristen. Er beziehe sich nicht auf ein rechtes Netzwerk, er sei ein „einsamer Wolf“.
Doch Einzelgänger und Netzwerk sind im digitalen Zeitalter kein Widerspruch. Er hat seine möglicherweise existierenden Komplexe, seine Kläglichkeit ausgelebt auf einem Feld, für das er sich frei entschieden hat, das er selbst ausgewählt hat. Es konnte es nur deswegen auswählen, weil es voll ausgeprägt daliegt: Mit seiner rechtsradikalen, demokratiefeindlichen, menschenverachtenden, auf Terrorismus und letztlich auf Bürgerkrieg zustrebenden Gedankenwelt, ja Weltanschauung vom Herrenmenschentum und der grundsätzlich allen anderen menschlichen Wesen überlegenen und zu jedem Gewaltakt berechtigten „weißen Rasse“. Der Täter hat sich in seiner Infamie am Jom Kippur die Synagoge in Halle für ein Massaker ausgesucht, weil Jüd*innen oben auf der Rangskala der Hassobjekte stehen und weil es an diesem Tag vergleichsweise viele an einem Ort waren. Er habe zuvor überlegt, so heißt es nach seinem umfassenden Geständnis, Muslime oder Leute von der Antifa zu ermorden, aber die Synagoge am Jom Kippur sei ihm dann „lohnender“ erschienen.
Aus den paar in der Presse zitierten Brocken seines Bekennermanifests geht die Geschlossenheit seines angeeigneten Weltbildes hervor: Es sei seine Absicht gewesen, „so viele Anti-Weiße zu töten wie möglich, vorzugsweise Juden“. Er habe sich ferner gegen den Feminismus geäußert und seinen Hass auf alles Linke kundgetan. Dahinter steht das volle Programm von „Grenzen zu!“ über „Ausländer raus!“ und „Rassenhygiene“ und „Frauen als Lebensquell der weißen Rasse“. Es ist eine Gedankenwelt, die seit der deutschen Reichsgründung 1871 von reaktionärsten „Eliten“ entwickelt wurde, im Ersten Weltkrieg die Kriegsbegeisterung anfeuerte, von den Nationalsozialisten aufgegriffen wurde und selbst nach dem Zweiten Weltkrieg nicht unterging, sondern die wieder ihr Haupt erhoben hat. Und es gibt leider in vielen Ländern ähnliches Herrenmenschentum. Die AfD steht auf diesem Traditionsfundament. Da mögen sich ihre vorderen Strategen winden wie sie wollen, der „Flügel“ lässt sich nicht beirren. Und einige im Umfeld fühlen sich zur Drecksarbeit berufen oder bereiten sich darauf vor, bis hinein in die Sicherheitsorgane der Republik. Und keiner ist ein Einzeltäter, mag er auch noch so einsam leben. Die demokratische Gesellschaft und der Rechtsstaat müssen dieses Netzwerk endlich in aller Konsequenz angehen.
Thomas Trüper