Gutachterstreit wegen Mietspiegel: Landgericht gibt der Klage des Mietervereins statt
Landgericht Mannheim Gutachter zum Mietspiegel wird abgelehnt
Die Klage des Mietervereins Mannheim hat das Landgericht Mannheim nun als rechtens beschieden. Der Dortmunder Statistik-Professor Walter Krämer wird wegen möglicher Befangenheit nicht zum Gutachter über die Rechtmäßigkeit des Mannheimer Mietspiegels bestellt.
Bekanntlich hat der Gutachter in einem Interview mit der Wirtschaftswoche vom 21.03.2019 generell seine Vorbehalte gegen Mietspiegel erklärt. Auf das Interview wird auch im Urteil Bezug genommen. Insbesondere folgende Passage lassen Zweifel an der erforderlichen Unabhängigkeit des Gutachters zu:
„Mehr Transparenz ist grundsätzlich immer gut, für Mieter und Vermieter gleichermaßen. Das Problem in Deutschland ist ein zuviel an rechtlichem Mieterschutz. Als Wissenschaftler habe ich immer mal wieder im Ausland gelebt und zur Miete gewohnt. Nirgendwo war es so leicht eine Wohnung zu finden wie in Kanada. Dort gibt es so gut wie keinen Mieterschutz. In Österreich dagegen, wo das Mietrecht für Vermieter ähnlich restriktiv ist wie in Deutschland, war die Wohnungssuche extrem zeitraubend“.
Wie geht es nun weiter?
Das Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Mannheimer Mietspiegels geht zurück zum Mannheimer Amtsgericht. Das muss nun einen neuen Gutachter bestellen. Eine rechtsgültige Entscheidung in der Sache selbst kann noch lange dauern, vor allem wenn sie bis in höhere Gerichtsinstanzen ausgefochten wird.
Zur Erinnerung:
Ausgangspunkt Punkt der Klage: Ein Mieter in MA-Feudenheim weigert sich mit Unterstützung des Mietervereins, die Mieterhöhung von 630 auf 735,14 € zu bezahlen, da die Miete hiermit erheblich über dem Mannheimer Mietspiegel liege. Dagegen klagt die Vermieterin, die wiederum vom Mannheimer Eigentümer- und Vermieterverband „Haus und Grund“ unterstützt wird. Haus und Grund zweifelt die Rechtmäßigkeit des Mannheimer Mietspiegels an, da u.a. die niedrigeren Mieten der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GBG zu stark berücksichtigt seinen. Letztlich soll als das sowieso schon hohe Mietniveau noch weniger mietrechtlich beschränkt werden.
Der Vorsitzende von Haus und Grund, Josef Piontek, ist von der Entscheidung des Mannheimer Landgerichts wenig begeistert. Er bewertet sie als „Angriff auf das Grundrecht des Meinungs- und Berufsfreiheit“ (MM, 04.01.2020). Starker Tobak, der da von „Haus und Grund“ verbreitet wird.
Roland Schuster
Pressemitteilung des Mietervereins Mannheim, 31.12.2019
Landgericht Mannheim hebt Entscheidungen des Amtsgerichts in den Mietspiegelverfahren auf und erklärt die Befangenheitsanträge gegen den Sachverständigen für begründet.
In beiden anhängigen „Mietspiegelverfahren“ hat das Landgericht nunmehr die gegen den Sachverständigen gerichteten Befangenheitsanträge für begründet erklärt und die vorausgegangenen Entscheidungen des Amtsgerichts aufgehoben. Gegenstand der Verfahren ist, ob der Mietspiegel der Stadt Mannheim ein qualifizierter Mietspiegel ist und nach wissenschaftlich anerkannten Methoden erstellt wurde. Außerdem sind nach Auffassung der klagenden Vermieter die Mietverhältnisse der GBG bei der Erstellung der Mietspiegel außer Acht zu lassen.
Die klagenden, von Haus & Grund Mannheim e. V. unterstützten, Vermieter wollen Mieterhöhungen durchsetzen, die weit über das Niveau des Mietspiegels hinausgehen. Das Amtsgericht Mannheim hat in beiden Verfahren als Sachverständigen einen Professor für Statistik der TU Dortmund mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt.
Nachdem der Inhalt eines Interviews des Sachverständigen in der Wirtschaftswoche bekannt wurde, haben die von Rechtsanwalt Alexander R. Sauer vertretenen Mieter einen Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen eingereicht. Der Sachverständige hat sich beispielsweise dort dahingehend geäußert, die in den Mitspiegel abgefragten Mieten seien nach unten verzerrt, weil entsprechenden Fragebögen wohl überwiegend nur von Mietern mit viel Zeit und niedrigen Mieten beantwortet würden. Ferner sei in Deutschland ein „zuviel“ an rechtlichem Mieterschutz gegeben. Insgesamt ist bei den beklagten Mietern der Eindruck entstanden, der Sachverständige lehne das Mietspiegelsystem insgesamt ab und stehe dem Mieterschutz persönlich besonders kritisch gegenüber. Die Befangenheitsanträge wurden im Übrigen eingereicht bevor das Gutachten des Sachverständigen, den von dem Mieterverein Mannheim e. V. unterstützten Mietern vorlag.
Die Befangenheitsanträge wurden seitens des Amtsgerichts für unbegründet erachtet, das Landgericht hat in den nunmehr entschiedenen Beschwerdeverfahren mit guten Argumenten die Anträge auf Ablehnung des Sachverständigen für begründet erklärt. Die Äußerungen des Sachverständigen seien durchaus geeignet, einer ruhig und vernünftig denkenden Partei die Befürchtung zu wecken, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber.
Diese Entscheidung ist zutreffend, denn es kommt nicht darauf an, ob ein Sachverständiger tatsächlich unparteiisch ist, dies kann letztlich nie jemand wirklich beweisen. Das Gesetz lässt es aus gutem Grund genügen, dass die Besorgnis der Befangenheit objektiv gerechtfertigt ist.
Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass es der Sachverständige auch im Rahmen seiner Anhörung nicht unternommen hat, um sich von seinen in der Presse zitierten Äußerungen zu distanzieren – vielmehr hat er – ohne hierzu beauftragt zu sein – sich weiter wohnungspolitisch geäußert hat. Schon in seiner eigenen Stellungnahme zu den Befangenheitsanträgen hat der Sachverständige sich als Mitglied einer „einschlägig“ wirtschaftsliberalen Partei bezeichnet um seine umstrittenen Äußerungen in seinem Interview zu rechtfertigen.
„Die Mieter als vorliegend beweisbelastete Partei haben Anspruch auf ein faires Verfahren vor Gericht, was auch einen unbedingt unparteiischen Sachverständigen voraussetzt. Das von dem Sachverständigen vorgelegte Gutachten wird daher für die anhängigen Verfahren nicht zu verwerten sein. Es muss nunmehr ein neuer – wirklich neutraler – Gutachter beauftragt werden.“, äußert sich Rechtanwalt Alexander R. Sauer zu der Entscheidung des Landgerichts.
Ohnehin bleibt das den Klagen zugrundeliegende Streben nach Mieterhöhungsmöglichkeiten über die Grenzen des Mietspiegels hinaus unverständlich. Denn noch nie sind in den vergangenen Jahren die Mieten so stark angestiegen wie aktuell. Allein bei den Mietspiegeln 2016 auf 2018 gab es im Durchschnitt einen Anstieg von ca. 10 % in Mannheim. Es handelt sich ungeachtet der aufgeworfenen Rechtsfragen um Klagen zur absoluten „Unzeit“.