Doppelhaushalt 2020/2021 der Stadt Mannheim beschlossen
Bericht und Bewertung aus Sicht der LINKEN im Gemeinderat (LI.PAR.Tie)
Beide am 17.12. nach zweitäiger Beratung verabschiedeten Haushalte sind Rekordhaushalte mit einem Volumen von jeweils knapp 1,4 Mrd. Euro. Ermöglicht wird dies durch die immer noch sehr hoch erwarteten Steuereinnahmen und Zuweisungen von Bund und Land v.a. durch den Finanzausgleich. Das ermöglicht der Stadt Mannheim Rekordinvestitionen von zusammen ca. 350 Mio. Euro in den beiden Haushaltsjahren. Es ist absolut richtig und notwendig, aber nicht selbstverständlich, so hohe Investitionen zu planen. Nicht selbstverständlich ist es deswegen, weil die rechten Kräfte Überschüsse am liebsten zum Schuldenabbau nutzen würden, was sie aber in der politischen Konstellation Mannheims nicht können. Lediglich die FDP träumt von Schuldenabbau, die ML hält den „Schuldenberg“ und die Schulden der „Schattenhaushalte“ in den städtischen Gesellschaften für das Schlimmste, was man den nachkommenden Generationen antun könne. Unterbleibende Bildungs-, Umwelt, Wohnungsbau-Investitionen sind demnach keine Belastung der nächsten Generationen.
Viele Verbesserungen für die Menschen in Mannheim durchgesetzt
Die LI.PAR.Tie.-Fraktion kritisierte dagegen, dass die notwendigen Investitionen ausgerechneten in historischen Niederzinszeiten nur aus den laufenden Einnahmen, d.h. ohne Darlehensaufnahme, finanziert werden. Das führt zu erheblichem Druck auf die Finanzierung der laufenden Aufgaben. Diese steigen durch den (immer noch nicht ausreichenden) Bau von 21 Krippen- und 27,5 neuen Kindergartengruppen bis 2023 allein schon durch das zusätzliche Personal. Deswegen versucht die Verwaltungsspitze mit Hilfe der „Strategischen Haushaltskonsolidierung Mannheim“ (SHM²) seit Jahren, die laufenden Ausgaben flach zu halten. Tatsächlich hat sich der Gemeinderat mehrheitlich diesem von ihm grundsätzlich gebilligten Konzept nicht vollständig unterworfen. Er hat z.B. auf den Gebieten der Schulsozialarbeit (innerhalb von sechs Jahren flächendeckend), sowie von „Sicherheit und Sauberkeit“ Mittel für deutlich mehr Personal bereitgestellt. In diesem Doppelhaushalt konnte die grün-rot-rote Mehrheit nach Jahren des Stillstandes die Mittel für die freie Jugend- und Kulturarbeit sowie für die vielen freien Träger im Sozialbereich aufstocken, so dass die gesTiegenen und jahrelang nicht ausgeglichenen Personalkosten nun wieder einigermaßen abgedeckt sind. Am Ende der Verhandlungen konnten diese Ausgabensteigerungen wie auch die zahlreichen zusätzlichen Investitionsvorhaben v.a. für Umwelt und Verkehr doch noch in den Haushalten untergebracht werden, ohne deren Genehmigungsfähigkeit durch das Regierungspräsidium zu gefährden oder Löcher an anderen Stellen aufzureißen. So flexibel und war der ursprüngliche Doppelhaushaltsentwurf dann doch aufgestellt.
Spezialproblem Klinikum
Glück im Unglück hat die Stadt Mannheim mit der Entwicklung am Universitätsklinikum: Trotz enormer Anstrengungen dort, aus der Verlustzone herauszukommen, ist das Defizit auch in 2019 nicht gesunken und wird es auch absehbar nicht in den kommenden zwei Jahren tun. Ein großes Problemfeld ist die Gewinnung von Personal, sodass z.B. immer wieder Operationen nicht durchgeführt werden können, weil es v.a. zu wenig Pflegepersonal gibt. Mittlerweile wirkt die Personal-Untergrenze, die einzuhalten ist – der Mehrbedarf wird aber durch die Krankenkassen nicht abgedeckt. Ferner ist eine unabdingbare Voraussetzung für medizinisch wie wirtschaftlich gutes Arbeiten ein kompakter Neubau, der Schluss macht mit den endlosen Wegen im Klinikum und der weitverzweigten reparaturanfälligen technischen Infrastruktur. Hier ist bei der Übernahme der Investitionskosten das Land in der Pflicht. Gespräche laufen. Das „Glück“ für die Stadt ist, dass sie den Verlustausgleich durch das überragende Haushaltsergebnis „wegstecken“ konnte und für die kommenden zwei Jahre über die sowieso schon eingepreiste Stützung des Klinikums hinaus durch Rücklagen-Zweckbindung von übe 25 Mio. Euro vorsorgen kann. Im Moment rühren sich im Gemeinderat noch keine Kräfte, die sich vom Klinikum trennen wollen. Aber hier müssen alle, die an einer öffentlichen Daseinsvorsorge interessiert sind, auf der Hut sein.
Bodenfonds
Ein aus linker Sicht sehr wichtiges Projekt ist der EinsTieg in die Errichtung eines Bodenfonds. Nach jahrelangen Diskussionen darüber, dass der Boden nicht vermehrbar ist, dass eine wirkliche Steuerung der Verwendung des noch bebaubaren Bodens im Sinne einer sozialen Bodennutzung nur möglich ist, wenn die Kommune Eigentümerin des Bodens ist und dass auch die Bodenspekulation nur gebremst werden kann, wenn möglichst viel Grund und Boden aus dem spekulativen Markt herausgenommen und –gehalten wird, hat nun die Verwaltung einen Paradigmenwechsel eingeleitet: Ein Bodenfonds soll errichtet werden. Das ist höchste Zeit. Jedoch ist noch sehr vieles unklar und muss durch weitere Beschlussvorlagen definiert werden. Die wesentlichen Fragen sind:
Wie viel Geld soll von woher in den Fonds fließen? Welche Grundstücke werden erworben? Wie sollen die Grundstücke genutzt werden und durch wen? Da ist gegenwärtig noch sehr viel offen. Jedoch hat die grün-rot-rote Mehrheit, die allein diesen Fonds unterstützt, durch einen gemeinsam erstellten Änderungsantrag für die Verwaltungsvorlage folgende Eckpunkte gesetzt:
Dem Fonds sollen jährlich 10 Mio. Euro zugeführt werden. Zwei Millionen davon aus dem laufenden Haushaltsbudget, der Rest aus Mehreinzahlungen über den Haushaltsplan hinaus aus noch zu tätigenden Grundstücksverkäufen (z.B. der schon beschlossene Verkauf des Technischen Rathauses Collinicenter und der restlichen Grundstücke GlücksteinquarTier)sowie aus allgemeinen Haushaltsverbesserungen (die sich in den letzten Haushaltsjahren regelmäßig eingestellt haben, aber nicht sicher vorhersehbar sind. Bei der Finanzierung hofft die Verwaltung auch auf Landesmittel.) Die Grundstücke sollen vorzugsweise gemeinwohlorienTierten Bauträgern für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden. Hier ist eine Senkung der Erbbauzinsen dringend erforderlich, wie das im 12-Punkteprogramm bereits angedacht ist. Ein sehr wichtiger Punkt ist, dass die im 12-Punkteprogramm festgelegten Vergünstigungen nicht nur für städtische, sondern auch für Grundstücke der MWSP auf den Konversionsgeländen gelten. Hier gehst es wesentlichen nur noch um das letzte Großprojekt Spinelli. Auf Initiative der LI.PAR.Tie. wurde auch die Option aufgenommen, der GBG über eine Kapitalerhöhung die Möglichkeit zu mehr Investitionen auf den Konversionsgeländen zu ermöglichen. Denn ein großes Risiko für die Mietenentwicklung ist die Weiterveräußerung von „Projektentwicklern“ zu errichtenden Mietwohnungen an profitorienTierte Anleger. Hier ist noch sehr viel offen. Im Frühjahr will die Verwaltung mit weiteren Vorlagen hoffentlich entsprechende Vorschläge unterbreiten. Der Bodenfonds ist auf jeden Fall ein „dickes Brett“.
Klima- und Verkehrswende – sozial
Im Haushaltsplanentwurf waren bereits einige zusätzliche Maßnahmen im Sinne der Klimaänderungsvorsorge und der CO2-Minderung auf Basis vorangegangener Beschlüsse und des neu beschlossenen „Dringlichkeitspakets“ 25 Mio. Euro eingepreist (z.B. 1.000 Bäume für Mannheim, Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED, Umsetzung des Klimagutachtens. Aufgrund der Änderungsanträge v.a. aus Grün-Rot-Rot wurde dieser Betrag noch um ca. 10 Mio. aufgestockt. Der größte Brocken sind hierbei rd. 2 Mio. Euro jährlich für die Förderung der Fahrrad-Mobilität. Zu beachten ist, dass wesentliche klimarelevante Aufgaben außerhalb des Haushalts bei städtischen Gesellschaften wie GBG und MWSP sowie Beteiligungen wie MVV Energie AG (und indirekt GKM) und RNV zu stemmen sind.
Vollkommen offen ist, wie auf das Ende des Bundes-Testprogramms zur CO2-Reduktion im Verkehrswesen der Musterstädte weitergeht, zu denen Mannheim ja gehört, und welches uns teilweise Verbessrungen im Verkehrsangebot (Takt und Linien) und bei den Preisen (GreenCity-Ticket sowie Job-Ticket) beschert hat. Lediglich die durch das GreenCity-Ticket ermöglichte finanzneutrale Verdoppelung der Sozial-Einzeltickets à 1 Euro von 10 auf 20 Stück pro Person und Monat soll auch nach dem Ende der GreenCity-Ticket aufrechterhalten bleiben. Das konnte durch einen Antrag der LI.PAR.Tie. dem Oberbürgermeister als Zusage abgerungen werden. Die von Grün-Rot-Rot geforderte Subvention für ein 365-Euro-Jahresticket für Kinder und Jugendliche als Einstieg in eine große Tarifreform wurde in den Fachausschuss verwiesen.
Als ein kleiner Beitrag zur Verkehrswende darf auch der Beschluss von Grün-Rot-Rot gelten, die Gebühren für das Straßenrandparken in der City zu verdoppeln. Wer unbedingt in die City mit dem KFZ fahren will, sollte besser in die unterausgelasteten Parkhäuser fahren. Für Beschäftigte müssten die Arbeitgeber ggf. Zuschüsse zahlen. Durch diesen Beschluss wird im Übrigen ein Beitrag zur Finanzierung des Haushalts geleistet. Bisher nimmt die Stadt 3 Mio. Euro auf diesem Wege ein. Wenn es auch nicht zu einer Verdoppelung der Einnahmen kommen wird, sind selbst 1,5 Mio. nicht von der Hand zu weisen.
Soziales und Tierschutz
Teils auch mit größeren Mehrheiten als dem üblichen Grün-rot-rot wurden beispielsweise folgende Anträge zu sozialen Themen vom Gemeinderat bewilligt: Übertragungsanlage für Hörgeschädigte, Stärkung der Schuldnerberatung, eine halbe Stelle für die AG Barrierefreiheit plus Mietkostenzuschuss, Aufstockung des Flüchtlingsfonds, EinsTieg in die Sanierung und Konzeptentwicklung für die 17 Seniorentreffs. An einigen Punkten konnte sich die LI.PAR.Tie leider nicht durchsetzen: Erhöhung der Mittel für Gebärdensprachdolmetscher, Clearingstelle für Menschen ohne Krankenversicherung, Aufwertung des Sozialpasses und Personalkosten für Mimidelta, die Migrant*innen-Beratung durch Migrant*innen.
Einen Erfolg gab es für die LI.PAR.TI.-Fraktion gleich zu Anfang der Haushaltsberatungen zum Thema Steuern: Diesmal nicht Erhöhung der Gewerbesteuer sondern Freistellung von der Hundsteuer für Tierhalter*innen, die einen Hund aus einem Tierheim zu sich nehmen, und zwar auf Lebensdauer des Hundes, nicht nur für ein Jahr, wie bisher. Die Regelung gilt auch für sog. „Listenhunde“ vulgo „Kampfhunde“, wenn Herrchen / Frauchen per Hundeführerschein nachweisen, dass sie kein Kampfherrchen / Kampffrauchen sind und dem Hund ein friedliches Leben ermöglichen. Hier geht es einerseits um Beendigung der Überlastung der Tierheime und in vielen Fällen auch um die Ermöglichung einer Hundehaltung für einkommensarme Menschen. Dieser Antrag, dem außer Grün-Rot-Rot auch die Mannheimer Liste und die AfD zustimmten, erregte bundesweite mediale Aufmerksamkeit (s. Presseerklärung der Organisation PETA). LI.PAR.Tie. nahm’s erfreut zur Kenntnis und dachte wehmütig an die vielen „unspektakulären“ dicken Bretter, die da schon seit Jahren gebohrt werden und von denen hier im Bericht die Rede ist.
Abstimmung
Der Haushalt in Gestalt der Haushaltssatzung wurde schließlich nach zweitägiger Beratung mit den Stimmen von Grünen, SPD, Linken, der Partei, der Tierschutzpartei und (erstmals) der Mannheimer Liste beschlossen. Die CDU hatte sich kurzfristig auf Ablehnung geeinigt, weil sie sich an verschiedenen Punkten nicht durchsetzen konnte und das Haushaltswerk durch die vorgenommenen Änderungen nicht über den gesamten Planungszeitraum von vier Jahren abgesichert sei. (Über das Abstimmungsverhalten der AfD während der Haushaltsberatungen und über die von ihr gestellten Anträge erfolgt demnächst ein Bericht).
Der Oberbürgermeister zeigte sich enttäuscht über das Ausbleiben der ganz breiten Zustimmung, stellte aber fest, dass in puncto langfristige „Verschlechterung“ des Haushalts durch die beschlossen zusätzlichen Personalerhöhungen beim Kommunalen Ordnungsdienst, der Straßenreinigung und der Schulsozialarbeit doch eine ganz große Mehrheit bestand. (Nicht ganz) so, wie er es sich vor den Haushaltsberatungen in einem MM-Interview gewünscht hatte: Haushaltspolitik, breit getragen Grünen, SPD und CDU.
Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE, Fraktionsvorsitzender der LI.PAR.Tie.