Gemeinschaftliche Wohngruppen: Neuer Meilenstein auf dem noch langen Weg zur wirksamen kommunalen Förderung
MAvanti vorerst gescheitert – höchste Zeit für Klärung der Fördermöglichkeiten
Sieben Wochen ist es her, dass das Wohngruppenprojekt MAvanti (Mietshäusersyndikat) seine Bewerbung für ein Baugrundstück auf dem Konversionsgelände Spinelli zurückziehen musste. Es gab hierfür viele Gründe, u.a. die Vergabe eines kleineren Grundstücks als beantragt, so dass das Projekt einen Teil seines hohen Anspruchs nicht mehr hätte realisieren können (z.B. auf dem Gebiet der Energieneutralität und des Raumprogramms). Der Zeitdruck wurde durch sich hinziehende Vertragsverhandlungen immer größer und die erforderliche Fertigstellung vor der BUGA 23 war nicht mehr mit Sicherheit zu erreichen. Wesentlich war auch die Unklarheit bis zuletzt über die städtische Verbilligung nach dem 12-Punkte-Programm. Hier gab es zwar im politischen Raum viele Aktivitäten, schnell zu Entscheidungen zu kommen. Aber letztlich lag ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung erst zur Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Technik (AUT) am 23. Juni vor (V142/2020).
Zuwendungen
Kernpunkt ist einerseits die Zusage einer Grundförderung von– je nach Anzahl der Wohnungen im Projekt – 10.000 bis 30.000 EUR für die besonderen Kosten, die Wohngruppen zu tragen haben (Gruppenmoderation, Fachunterstützung, Öffentlichkeitsmaßnahmen etc.). Andererseits gibt es eine Zusage je Wohneinheit von 25.000 EUR, wenn diese Wohneinheit den Kriterien „preisgünstigen Wohnens“ entspricht, nämlich 33% unter dem Durchschnittsmietpreis von Neubauwohnungen (z.Zt. also 7,78 EUR/m²) und ein Familieneinkommen bei z.B. zwei Personen von max. 67.000 EUR brutto pro Jahr. Allerdings sind die Zuschüsse auf 200.000 EUR je Projekt begrenzt, um unterhalb der Beihilfe-Freigrenze nach europäischem Recht zu bleiben – ein Umstand, der noch weiter ausgelotet werden muss; hier spielen präzise Satzungen eine entscheidende Rolle, um das „Beihilfeverbot“ auszuhebeln.
Damit ist an Leistungen das beschrieben, was die Stadt Mannheim an Zuwendungen für gemeinschaftliche Wohnprojekte leistet. Das kann aber bei weitem nicht alles sein. Auch Grunderwerbsvergünstigungen müssen festgelegt werden.
Im 12-Punkteprogramm von 2017 und in der Umsetzungsrichtlinie vom 3.5.2018 ist allgemein definiert, wie „Investoren“ gefördert werden, wenn sie mehr als die 30% „preisgünstige“ (Mannheimer Standard) oder Sozialwohnungen (nach Landeswohnraumförderung) schaffen auf Grundstücken, die sie von der Stadt erwerben. Beispielsweise kann der Grundstückspreis um bis zu 70% reduziert werden, wenn 70% oder mehr der geplanten Wohnungen in diesem Sinne “preisgünstig” sind. Diese Fördermöglichkeit muss prinzipiell auch auf Wohngruppen zusätzlich anwendbar sein.
Erbbaurecht
Gegenwärtig wird zwischen Verwaltung und Gemeinderat über einen Paradigmenwechsel in Sachen Grundstücksverkauf diskutiert, nämlich Grundstücke nur noch auf Basis von Erbbaurechten zur Bebauung zu vergeben und sie in der Regel nicht mehr zu verkaufen. Hier erhebt sich die Frage, wie hoch der Erbbauzins angesetzt wird. Seit Jahrzehnten beträgt er 4%, was im Vergleich zu gegenwärtigen Bauzinsen viel zu teuer ist. Die oben beschriebene Grundstückspreisreduzierung muss sich auch auf den Erbbauzins beziehen. Für Wohngruppen, die in aller Regel nur über knappes Eigenkapital verfügen, wäre eine günstige Erbpacht eine wesentliche Hilfe, da sie dann den Grundstückspreis nicht mit Eigenkapital hinterlegen müssen. Hier muss die Verbilligung aber schon unter 30% „preisgünstiger Wohnungen“ einsetzen; denn gemeinschaftliche Wohnprojekte bauen in aller Regel billiger als normale „Investoren“, nämlich ohne Einrechnung einer Profitmarge; aber sie erreichen selten die 7,78 EUR/m² Kaltmiete. Gemeinschaftliche Wohnprojekte sind aus den genannten Gründen nicht zur Einhaltung der 30%-Quote verpflichtet. Wenn sie aber trotzdem – wie MAvanti dies wollte – Preisgünstige und Sozialwohnungen schaffen, muss dies adäquat gefördert werden, denn sie haben keine Möglichkeit der internen Quersubventionierung der preisgünstigen Wohnungen durch weniger preisgünstigen bis teuren Wohneinheiten. Ein Erbbauzins von 1% für Wohngruppen wäre da eine hilfreiche Regelung.
Es gibt noch viel zu klären
Man sieht – wenn man den Wenns und Abers bisher folgen konnte und wollte – die Materie ist hochkompliziert und muss doch zu befriedigenden Ergebnissen vorangetrieben werden.
Die Fraktion LI.PAR.Tie. formulierte zu der Beschlussvorlage V142/2020, von der hier die Rede ist, einen Ergänzungsantrag, der die noch zu lösen Aufgabenstellungen benennt (A188/2020):
„Die Verwaltung erarbeitet noch im Jahr 2020 eine Vorlage, die die verschiedenen Fördermöglichkeiten für Gemeinschaftliche Wohnprojekte übersichtlich und aufeinander abgestimmt zusammenführt und nachschärft. Dabei werden mögliche Zuwendungen für gemeinschaftliche Wohnprojekte und die Zugangsbedingungen zu Baugrundstücken sowohl der Stadt Mannheim selbst wie ihrer Gesellschaften zusammengeführt unter Berücksichtigung von Möglichkeiten, die sich aus dem Mannheimer Bodenfonds ergeben. In die Definition von „Gemeinschaftlichen Wohnprojekten“ wird neben den vom Bundesamt für Bau-, Stadt- und Raumforschung genannten Kriterien auch der Beitrag zu dauerhaft leistbaren Mietpreisen aufgenommen.“
Es geht also um Klarheit bei den Zuwendungen, bei den Grunderwerbskosten (Erbbaurecht), es geht um die Anwendung der definierten Unterstützungsmaßnahmen auch dann, wenn der Grund und Boden nicht im direkten Eigentum der Stadt sondern der MWSP ist, die ja über die Konversionsgelände verfügt. Das muss über den Aufsichtsrat der privatrechtlichen MWSP laufen – eine zusätzliche Verkomplizierung.
Nicht zuletzt kommt es auch darauf an zu klären, was eigentlich eine Baugemeinschaft „gemeinschaftliches Wohnen“ ausmacht, wie die Förderfähigkeit definiert wird. Schlichte Bauherrenmodelle wohlsituierter Menschen brauchen nicht gefördert werden.
Die Stadt definiert Gemeinschaftliches Wohnen in Anlehnung an das Bundesamt für Bau-, Stadt-und Raumforschung (BBSR) folgendermaßen: „Gemeinschaftliche Wohnprojekte sind Wohnformen, bei denen mehrere Haushalte an einem Wohnstandort jeweils in separaten Wohnungen leben, sich aber für das gemeinschaftliche Leben, eine gegenseitige Unterstützung oder die Verfolgung eines gemeinsamen Lebensgrundsatzes entschieden haben. Die Projekte bzw. Wohngruppen werden in wesentlichen Bereichen durch die Bewohner selbst organisiert.“ Was in dieser Definition gänzlich fehlt, ist der Gesichtspunkt des preiswerten Wohnens in Wohnungen, die nicht mit Profit vermarktet sondern schlicht bewohnt werden gegen werterhaltende Kostenmiete.
Baubürgermeister Quast stöhnte zwar über die Terminierung „noch im Jahr 2020“, übernahm aber seitens der Verwaltung das von der LI.PAR.Tie. in ihrem Ergänzungsantrag aufgestellte Arbeitsprogramm. Für Baufeld 2 auf Spinelli muss alles positiv geklärt sein! Dann hätten auch Projekte wie MAvanti eine Chance.
Thomas Trüper (Fraktionsvorsitzender LI.PAR.Tie.)