Räumung nach 2,5 Stunden: Blockade der Augustaanlage für ein autofreies Mannheim [mit Bildergalerie und Video]
Mannheim. Die Gruppe Extinction Rebellion hat mit einer Blockadeaktion für eine autofreie Innenstadt und für eine Verkehrswende, weg vom motorisierten Individualverkehr geworben. Rund 70 Aktivist*innen hatten die Augustaanlage, eine Hauptverkehrsstraße in Mannheim, blockiert. Nach etwa 2,5 Stunden beendete die Polizei die Aktion und räumte die Straße. Es blieb friedlich. Gegen 11 Personen wird nun wegen „Nötigung“ ermittelt. Extinction Rebellion sieht die Aktion als Erfolg.
Videobeitrag bei Youtube: https://youtu.be/p5oUZ051iHw
Mannheim, Samstag um 12 Uhr. Mit dem Fahrrad kann man sich, vorbei am Wasserturm, ganz gut durch die mit Autos verstopfen Straßen durchschlängeln. Extinction Rebellion hatte einige Journalist*innen in den Park neben der Kunsthalle eingeladen, über eine Aktion zu berichten. Nach einer kurzen Begrüßung ging es auch gleich zur Augustaanlage, die Hauptverkehrsader der Stadt, wo die von der Autobahn kommenden Fahrzeuge in Richtung Quadrate geleitet werden.
An einer Kreuzung sammelte sich eine größere Personengruppe, die ohne zu zögern die Straße besetzte. Mit Warnwesten gekleidete Personen leiteten die Autos um. Die Blockade machte sich mit mehreren Fahnen und Bannern sichtbar. Dort war zu lesen: „Klimanotstand“, „Act now“ und „Autofreies Mannheim“. Größere Konflikte mit PKW-Fahrer*innen blieben aus und nach rund 15 Minuten kam die Polizei und übernahm die Verkehrsregelung.
„Sichere, nachhaltige und gerechte Mobilität“
Für was steht Extinction Rebellion? Die Kernforderung der Aktion war eine autofreie Innenstadt bis 2025, was beutetet, dass Fahrradfahren und E-Mobilität gefördert und der ÖPNV kostenlos werden soll. Wer auf den PKW angewiesen sei, solle auch weiter in der Innenstadt fahren dürfen. Aber die große Masse der Autos müsse raus. Mobilitätskonzepte müssten sich nach sozialen und klimagerechten Kriterien entwickeln. Aktuell bevorzuge die Stadt den motorisierten Individualverkehr.
Extinction Rebellion (was in etwa bedeutet „Rebellion gegen das Aussterben“) ist eine basisdemokratisch orientierte, internationale Umweltbewegung, die seit gut zwei Jahren mit Mitteln des zivilen Ungehorsams – wie gewaltfreien Blockaden – für Umweltschutz und Klimagerechtigkeit kämpft.
Parking Day: Weitere Aktion für die Verkehrswende
Das Thema autofreie Innenstadt wird zur Zeit in Mannheim heiß diskutiert, sowohl bei den Parteien, wie auch bei politischen Initiativen und Gruppierungen und in den lokalen Medien. Der Termin der Blockade wurde von Extinction Rebellion nicht zufällig gewählt. Parallel zur Aktion auf der Augustaanlage fand wenige hundert Meter entfernt der Parking Day statt. Die Fressgasse, eine ebenfalls viel befahrene Straße, mitten durch die Quadrate, wurde temporär zur Frei- und Spielfläche verwandelt. Unter dem Motto “Menschen statt Autos” sollten temporär Parkplätze und Straßen in Parks und Lebensräume umgewandelt werden, so die Veranstalter*innen des Parking Day. Dabei soll auf den enormen Flächenverbrauch hingewiesen werden, den der Individualverkehr mit PKWs erfordert.
Somit gab es parallel zwei Veranstaltungen, die sich thematisch aufeinander beziehen konnten – eine familientaugliche mit Straßenfestcharakter und eine radikalere Aktion des zivilen Ungehorsams. Auch der Ort war symbolträchtig. Neben der Blockade trohnte die Mutter aller Blechlawinen, der Motorwagen des Autopioniers Carl Benz, dem an dieser Stelle ein Denkmal gewidmet ist.
Diskussionen auf der Straße
Die Aktivits*innen der Blockade vertrieben sich die Zeit mit Singen, Gitarre spielen, jonglieren, erzählen oder Eis essen. Sie stellten Topfpflanzen auf die Straße und spannten ein großes Banner auf: “Carl Benz würde Lastenrad fahren”. Zwischendurch wurden einige Reden gehalten und die Forderungen verlesen. Nachdem die Polizei den Verkehr umgeleitet hatte, war es ruhig geworden. Nur einige Passant*innen zu Fuß oder auf dem Fahrrad kamen vorbei. Hin und wieder hupte es von der anderen Seite der Augustaanlage.
Gegen 14 Uhr traf der Polizeieinsatzleiter ein und Begann mit den Aktivst*innen über eine Auflösung der Blockade zu verhandeln. Extinction Rebellion bestand darauf, keine Versammlungsleitung zu benennen und delegierte die Anfrage der Polizei auf alle. In Kleingruppen wurde diskutiert, diese wiederum sendeten Delegierte in ein Plenum, das eine Entscheidung treffen sollte. Der Einsatzleiter war geduldig und gestand den Aktivst*innen ihr basisdemokratisches Modell zu. Als bei einem weiteren Gespräch zwischen Polizei und einem Sprecher der Blockierer*innen keine Entscheidung über ein Ende der Aktion vereinbart werden konnte, entschloss die Polizei nach interner Beratung, die Aktion aufzulösen.
Die Nervosität unter den Aktivst*innen war zu spüren. Es wurde diskutiert und beratschlagt. Ein Teil der Leute entschied sich dazu, von selbst die Straße frei zu machen, ein harter Kern blieb sitzen, der wiederum von den anderen ermutigt und beklatscht wurde.
Räumung nach 2,5 Stunden
Gegen 14:30 Uhr begann die Polizei damit, die Blockade zu räumen. Dies ging sehr zügig vonstatten und zudem absolut konfliktfrei, da alle Personen von selbst aufstanden, als sich die Polizei näherte. Man wolle sich nicht wegtragen lassen, erklärte eine Blockiererin, „wegen Corona“.
Gegenüber dem KIM bestätigte ein Polizeisprecher, dass die Situation insgesamt sehr ruhig geblieben war. Dennoch seien bei 11 Personen die Personalien kontrolliert worden. Sie würden nun wegen „Nötigung“ angezeigt, zum Nachteil der Autofahrer*innen, die nicht durch die Augustaanlage fahren konnten. Außerdem seien Platzverweise ausgesprochen worden.
Holger, ein Sprecher von Extinction Rebellion Mannheim zog ein positives Fazit. Die Aktion wäre so verlaufen, wie geplant. Man habe den Autoverkehr für eine Weile zum erliegen gebracht. Dennoch sei es schade gewesen, dass sich die Polizei nicht auf einen Deal eingelassen habe. Die Blockade hätte noch etwas länger dauern sollen.
Als nächstes großes Projekt nennt Holger den Dannenröder Forst, ein Waldgebiet in Hessen, dass für einen Autobahnausbau weichen soll. Dort wollen man Aktionen unterstützen. Außerdem sei am 5. Oktober wieder eine große Mobilisierung nach Berlin geplant, denn Extinction Rebellion wolle vor allem in den Hauptstädten die Regierungen unter Druck setzen und zum Handeln zwingen, um das „Aussterben der Menschheit“ zu verhindern, wie es die Bewegung drastisch formuliert.
(cki)