Gesunder Menschenverstand ergib dich, du bist umzingelt.
Antwort auf Leser*innenbrief-
Als Autor des Kommentars „Impfpflicht- Ja Bitte!“ möchte ich auf den Leser*innenbrief eingehen, der am 19.11.21 unter dem Titel „Impfen muß freiwillig bleiben!“ veröffentlicht wurde.
Der Brief ist zwar überschrieben mit „Nutzen und Risiken gentechnischer Impfstoffe“, bietet aber entgegen der daraus abzuleitenden Erwartung kein für und wider, sondern stellt lediglich vermeintliche Gegenpositionen dar und erfüllt somit selbst nicht die am Ende gestellte Forderung vielseitiger Information. Aber dazu später. Nun erst einmal zu einzelnen Aussagen.
Die kritisierte MRNA- Technologie ist tatsächlich neu in ihrer Anwendung als Impfstoff, aber keinesfalls Neuland und wird zum Teil schon seit Jahrzehnten erforscht. Ursprünglich zur Bekämpfung von Krebs gedacht, hat sich herausgestellt, dass die Anwendung der Technologie deutlich vielfältiger ist. Zum Beispiel auch den menschlichen Körper mit Informationen über Viren auszustatten, bevor der Virus den Organismus befällt.
Um es mal bildlich zu beschreiben: Das menschliche Immunsystem bekommt mit der Impfung vorab Einzelteile eines Schlüssels in einer für die Abwehrzellen gut lesbaren Variante (mRNA), um SARS-CoV2 schnellstmöglich zu erkennen, das Schloss knacken und den Virus bekämpfen zu können. An den menschlichen Genen an sich wird dabei keine Veränderung vorgenommen, die nicht auch bei jeder Virusinfektion stattfindet. Nur erspart man sich mit dem bereits vorhandenen Schlüssel sehr wahrscheinlich die bei der Infektion mit SARS-CoV2 häufig auftretende und zum Teil schwere Erkrankung COViD19 und den Befall des Virus des gesamten Organismus mit all seinen bisher über die ersten Symptome hinaus bekannt gewordenen Folgen, wie z.B. Kurzatmigkeit und Einschränkungen der Hirnfunktion auch noch lange nach der Infektion.
Dabei muss erwähnt werden, dass MRnA- Technologie tatsächlich auf Gentechnik basiert. Diese Formulierung ist aber stark verkürzt und irreführend, da hier nicht wie z.B. bei der Lebensmitteltechnik die Veränderung der Gene von Organismen wie Pflanzen das Ziel ist. Stattdessen wird eine beim Menschen bei Virusinfektionen auch natürlich stattfindenden Wechselwirkungen zwischen Virus (RNA) und Zellen (Gene) medizinisch nutzbar gemacht, um das Immunsystem auf eine mögliche Infektion vorzubereiten. Der stark negativ assoziierte Begriff „Gentechnik“ -in bestimmten Kontexten durchaus berechtig- wirft hier jedoch völlig unterschiedliche Technologien in einen Topf, die sich deutlich voneinander unterscheiden.
Ebenso wird die Schnelligkeit der Zulassung als Risiko angemahnt, wobei es hierfür einige plausible Erklärungen gibt.
Zunächst einmal haben nahezu alle führenden Pharmakonzerne der Welt gleichzeitig begonnen an den Impfstoffen zu arbeiten, was in Verbindung mit massiver Unterstützung durch öffentliche und private Gelder, zu einer starken Konzentration auf diese Aufgabe geführt hat. Gleichzeitig konnte auf Grund der raschen weltweiten Verbreitung des Virus in sehr kurzer Zeit auf ausreichend Infizierte sowie auf Kontrollgruppen zurückgegriffen werden, was bei sich langsam ausbreitenden Viren Monate oder Jahre dauern würde. Der Grund, warum bei Impfstoffen in der Regel Langzeitbeobachtungen stattfinden, hängt also auch damit zusammen, dass es einfach eine lange Zeit braucht, um überhaupt genug Infizierte zu haben, an denen die Wirksamkeit des Impfstoffes erprobt werden kann. Die geballte Forschungs- und Entwicklungskompetenz sowie die rasche Verbreitung des Virus haben dazu geführt, dass Versuchsphasen zum Teil parallel stattfinden konnten und somit deutlich schneller erforscht werden konnte, was funktioniert und was eben nicht. Auch Rückschläge in der Entwicklung haben deshalb keine monate- oder jahrelange Verzögerung verursacht, weil die gewonnenen Daten geteilt und so Fehler nicht wiederholt wurden und zudemn eine finanzielle Unabhängigkeit das Investitionsrisiko minimiert haben.
Und auch auf den Fehlgebrauch des Begriffes Langzeitfolgen im Kontext von Impfungen muss eingegangen werden. Auf Grund der Tatsache, dass die Wirkstoffe der Impfung nach wenigen Wochen bereits wieder aus dem Körper verschwunden sind und nur körpereigene Abwehrzellen und -Stoffe zurückbleiben, liegen für sämtliche bekannte Impfstoffe, auch neuere MRNA, keine Anhaltspunkte dafür vor, dass noch nach Wochen, Monaten oder gar Jahren, Nebenwirkungen auftreten. Wenn Monate oder Jahre nach der Zulassung und des Einsatzes eines Impfstoffes neue Nebenwirkungen hinzukommen, dann treten diese nicht bei vor Monaten oder Jahren geimpften auf, sondern sind Folgen aktuell verabreichter Impfdosen. Für eine Nebenwirkung, die sehr selten ist, bspw. bei einer von 30.000 Personen auftaucht, braucht es eben erst eine gewisse Anzahl von geimpften Personen, bis die Nebenwirkung überhaupt mit der Impfung in Verbindung gebracht werden kann. Bei bisherigen Impfungen, auch Totimpfungen, hatte es einfach immer Jahre gedauert, bis das überhaupt der Fall war. Bei den CoViD- Impfungen hingegen hatten wir in Kürze Millionen, bzw. Milliarden verabreichte Dosen und ein bis dahin wahrscheinlich nie dagewesenes Monitoring-System bezüglich der Nebenwirkungen. Insofern sind die MRNA- Impfstoffe in Bezug auf bekannte Nebenwirkungen wahrscheinlich besser kontrolliert als alle anderen je zuvor. Hier mangelt es auch keineswegs an Transparenz. Die Daten sind überwiegend einsehbar und wahrscheinlich besser aktualisiert als bei vielen anderen Stoffen, die wir uns täglich in unseren Körper führen.
Zusammenfassend braucht es also für die Beurteilung der Folgen einer Impfung keine Langzeitbeobachtungen, sondern eine Massenbeobachtung. Bei früheren Impfungen hat es nur einfach sehr lang gedauert, bis die entsprechende Masse an Geimpften und Infizierten vorhanden war. Die in dem Brief zitierte Aussage der ohnehin sehr fragwürdigen Quelle (Ökologe und Sachbuchautor ohne fachliche Erfahrung/Kompetenz), basiert also auf logischen Fehlschlüssen und ist auch bei Berücksichtigung der Erfahrungen früherer Impfstoffe nicht haltbar. Ich empfehle hier, sich im Sinne des vielseitigen Denkens und gesunden Menschenverstandes auch mit der Rezeption des Zitierten zu beschäftigen. (https://de.wikipedia.org/wiki/Clemens_Arvay)
Auch die Wirksamkeit der Impfstoffe wird in dem Brief in Frage gestellt. Hierzu muss man sagen, dass die Wucht der 4. Welle diese Ansicht bestätigen mag. Dass nicht klar gesagt werden könne, wie lang der Impfschutz halte, wurde alerdings von vornherein kommuniziert, zumal die meisten Impfstoffe noch vor der Delta- Variante von SARS-CoV2 entwickelt wurden und somit nicht auf diese zugeschnitten sind. Dass eine sterile Immunität erreicht werden könne wurde ebenfalls nie behauptet, da auch Vektorimpfstoffe oder Totimpfstoffe diese nicht herstellen können. Ein Restrisiko bleibt also immer bestehen und könne deshalb allein kaum als Gegenargument herhalten. Führende Expert*innen haben hingegen schon lange darauf hingewiesen, dass die Impfung alleine nicht reichen wird.
Der Schutz von Geimpften zeigt sich allerdings dadurch, dass sie deutlich weniger schwere Verläufe und auch deutlich kürzere Ansteckungszeiten haben. Wenn geimpfte Personen zwei Drittel der Bevölkerung ausmachen, aber nur zwanzig Prozent der Intensiv- behandelten, dann wird die Wirksamkeit der Impfung deutlich. Nur weil es keinen 100-prozentigen Schutz gibt, auf einen 90- prozentigen Schutz zu verzichten, um am Ende einen Schutz zu erhalten, der irgendwo um die zehn Prozent liegt, ist schon ziemlich absurd.Auch angeschnallte Insassen eines Fahrzeuges können bei einem Unfall zu Tode kommen. Daraus zu schließen sich nicht anzuschnallen? Würde allgemein wohl nicht als gesunder Menschenverstand durchgehen.
Die 4. Welle ist stattdessen die Folge politischen Versagens, weil auch dort in großen Teilen die Tragweite und Eigenlogiken einer Pandemie nicht erkannt werden wollen und die Schlüsse daraus vermutlich unpopulär wären. Deswegen muss eine Kritik dort ansetzen. Und das machen viele Medien seit Beginn der Pandemie. Und das durchaus nicht einseitig, wenn man sich ein wenig bemüht. Doch statt die politischen Zusammenhänge der Pandemiefolgen in den Fokus zu rücken, werden die naturwissenschaftlichen Grundlagen in Frage gestellt, obwohl uns das Virus diese nahezu täglich vor Augen führt. Das mag vielleicht ein konkreteres Ziel bieten, ist aber Meiner Meinung nach ebenfalls sehr einseitig.
Die Forderung nach einer vielseitigeren Berichterstattung sind zwar berechtigt. Allerdings dürfe die Berichterstattung auch keine „False Balance“ erzeugen und so tun, als würden sich hier etwa gleichstarke Meinungen begegnen, unter denen es letztlich abzuwägen gelte, welche richtig sei. Dass SARS-Cov2 gefährlich ist, die bisherigen Impfstoffe sehr wirksam sind und in den Risiken und Nebenwirkungen denjenigen der CoViD- Erkrankung deutlich besser abschneiden, ist in Expert*innen-kreisen wahrscheinlich über 95% Konsens. Insofern ist es völlig konsequent und richtig hierbei „einseitig“ zu berichten. Insofern stellt die Kritik einseitiger Berichterstattung meiner Meinung nach lediglich die Klage darüber dar, dass die eigene Meinung eben nicht berücksichtigt wird. Das mag individuell nachvollziehbar sein, aber eine fundierte Medienkritik sieht anders aus. Wie das Beispiel der oben genannten Quelle zeigt, bietet ein Bezug auf vielseitige Informationen an sich auch keine Garantie, dass diese Quellen auch auf notwendige Kompetenzen überprüft wurden. Vielseitige Informationen bieten eben auch vielseitigen Unsinn, der eine Debatte keineswegs weiterbringt sondern nur behindert.
Zu guter Letzt finde ich es verwegen mit der Nennung „unerwünschter Impfreaktionen“, „schwer betroffenen Fällen“ und „Todesfällen nach Impfungen“ sowie der Aufzählung diverser Nebenwirkungen zu arbeiten, um am Ende der „einseitigen Berichterstattung“ vorzuwerfen, sie würde „Angst machen“. Hier möchte ich explizit noch einmal auf die Ausführungen zu kognitiver Dissonanz im Kommentar „Impfpflicht- Ja Bitte!“ verweisen. Eine Frage bleibt am Ende offen. Was soll in alledem eigentlich noch „gesunder Menschenverstand“ sein?
Allen Leser*innen viel Spaß beim Denken.
Vielen Dank und Respekt für den Leser*innenbrief und Beitrag zur Diskussion
DeBe
Beiträge:
„Impfpflicht- Ja Bitte!“
„Impfen muß freiwillig bleiben!“
Leserbrief zum Thema Impfpflicht: Impfen muß freiwillig bleiben!