GKM: Sozial-Tarifvertrag gegen Kündigungen vereinbart
Kündigungen sollen trotz Kohleausstieg ausgeschlossen sein
Nach fast zweijährigen Verhandlungen, die nach Einschätzung des gewerkschaftlichen Verhandlungsführers; Angelo Bonelli, und des Betriebsratsvorsitzenden Umit Lehimci, äußerst zäh und schwierig verlaufen sind, steht nun endlich ein Ergebnis. Ein „Tarifvertag zum sozialverträglichen Kohleausstieg in Baden-Württemberg“. In einem Pressegespräch am 5. April wurde der Tarifvertrag vorgestellt. Er gilt nicht nur für die 570 Beschäftigten des Großkraftwerks Mannheim, sondern ebenso für die Beschäftigten der Kohlekraftwerke in Heilbronn, Karlsruhe und Stuttgart.
Jürgen Lippl, Geschäftsführer des ver.di Bezirks Rhein-Neckar, stellte heraus, dass der Tarifvertrag eine „richtig gute Regelung“ und „richtungsweisend“ für die Beschäftigten sei, aber auch für „die Versorgungssicherheit der Region“.
Bonelli sprach über die Schwierigkeiten der Verhandlungen. Das GKM sei zwar das größte deutsche Kohlkraftwerk, habe aber drei Eigentümer (40 % RWE, 32% EnBW, 28% MVV), die alle noch einmal Sonderinteressen hätten. Man habe dem Arbeitgeber von Anfang an mitgeteilt, dass zwei Prinzipien unverzichtbar seien. Das sind „keine Kündigungen“ und „von Arbeit in Arbeit“.
Der Sozialtarifvertrag wurde von den Akteuren unter dem Strich sehr begrüßt, auch wenn man sich nicht in allen Punkten durchgesetzt habe. Außerdem habe man für das GKM eine Betriebsvereinbarung „on top“ vereinbart.
Dieses Ergebnis wäre nach Lehimci nicht möglich gewesen, ohne Unterstützung der lokalen Politik von „LINKE, GRÜNE und vor allem der SPD“.
Die Regelungen im Einzelnen
Der Tarifvertag schließt Kündigungen aus. Beim Belegschaftsabbau muss ein Procedere eingehalten werden. Die Instrumente für den Belegschaftsabbau sind:
- Vorruhestand ab 60 Jahren
- Inanspruchnahme des gesetzlichen Anpassungsgeldes ab 58 Jahren, das aber erst greift, wenn die Bundesnetzagentur entscheidet, dass das GKM vom Netz gehen muss.
- Wechsel zu einem gleichwertigen Arbeitsplatz in Unternehmen der Anteilseigner
- Wechsel in eine Transfergesellschaft zum Zwecke der Qualifizierung und Arbeitnehmerüberlassung
- Freiwilliger Aufhebungsvertrag mit Abfindung
Die Instrumente sind in dieser Reihenfolge anzuwenden. Der/die Beschäftigte muss bei zwei zumutbaren Angeboten die neue Arbeit annehmen, sonst riskiert er/sie die Kündigung.
Das gesetzliche Anpassungsgeld und das Vorruhestandsentgelt werden auf 87,5% vom Netto aufgestockt.
Der Tarifvertrag gilt auch für die vergleichsweise hohe Zahl von ca. 70 Auszubildenden. Die Ausbildung soll mindestens bis zum „Ende der Kohleverstromung“ fortgesetzt werden.
Hoffnung auf die Zukunft
Klar ist: Der Tarifvertrag ändert nichts am Ausstieg des GKM aus der Kohleverstromung. Bisher steht hier als Enddatum das Jahr 2030. Man hat aber auch schon von einem früheren Ausstiegsszenario gesprochen. Zuletzt aber im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg auch von einem späteren Zeitraum. Es gehe nämlich um die Gewährleistung der Versorgungssicherheit der Bevölkerung mit Strom. Zu entscheiden darüber hat aber einzig und allein die Bundesnetzagentur. Deswegen kann ein Betrieb des GKM durchaus auch länger sein. Lehimci stellt die Schwierigkeit bei der Personalplanung dar. Einerseits müsse man die Anlagen warten und für den Betrieb bereithalten anderseits ist die Zukunft nicht klar. 2030 rechnet er mit ca. 300 Beschäftigten. Man bräuchte qualifiziertes Personal, anderseits sei die Zukunft nicht klar. Deshalb gibt es die Furcht, dass qualifiziertes Personal von sich aus dem Unternehmen den Rücken kehrt. Das Signal müsse sein „es ist nicht sinnlos, sich beim GKM zu bewerben“.
Alternativen zur Energiegewinnung
Alternativen wie die Energiegewinnung aus Flusswärmepumpen am Rhein seien zwar grundsätzlich zu begrüßen, können aber den Arbeitsplatzabbau nicht ansatzweise kompensieren. Was die Geothermie in dieser Hinsicht bringt, ist noch sehr unwägbar und müsse man abwarten. Als Übergangstechnologie, um die Versorgungssicherheit mit Strom und Wärme zu gewährleisten, wäre am Standort des GKM ein Gas- Dampfkraftwerk möglich. Da aber auch dieses Kraftwerk aus fossiler Energie gespeist wird und damit nur eine Übergangstechnologie wäre, hofft Lehimci auf die Wasserstoff-Technologie.
Das aber wäre natürlich eine politische Entscheidung. Deshalb seien Politik und Gesellschaft gefordert. Lehimci machte deutlich, dass der Schulterschluss von Beschäftigten, Gewerkschaften mit Politik und Gesellschaft notwendig sei. Er hob in diesem Zusammenhang die sehr gute Zusammenarbeit mit „Kohlefrei Mannheim“ und Fridays for future hervor.
Roland Schuster