Vorschläge des AK Kolonialgeschichte zur Umbenennung von Rheinauer Straßen
Der Arbeitskreises Kolonialgeschichte Mannheim (AK Kolonialgeschichte) hat Vorschläge zur Umbenennung von Rheinauer Straßen unterbreitet, die bislang v.a. Kolonialisten des deutschen Kaiserreiches ehrten.
Die Vorschläge des AK Kolonialgeschichte sollen ein Zeichen setzen gegen den Rassismus, für den die Straßennamen Lüderitz, Leutwein, Nachtigal und Hedin seit 1935, stehen.
Es kommt der Einwand, die Namensvorschläge des AK Kolonialgeschichte hätten ja gar nichts mit Mannheim zu tun.
Nun haben Lüderitz und Leutwein eben so wenig wie Goethe oder Wagner in Mannheim gelebt. Auch liegt der Fuschlsee nicht mal in Deutschland und wer wüsste schon, wie man ihn schreibt.
Doch die Vorschläge des AK Kolonialgeschichte lassen durchaus Verbindungen zu Mannheim zu.
May Ayim zum Straßennamen!
Zum Beispiel unser Vorschlag, eine Straße nach der afrodeutschen Sprachwissenschaftlerin, Aktivistin und Poetin May Ayim (1960-1996) zu benennen.
Ayim war Gründungsmitglied der Initiative Schwarze Deutsche und Schwarze in Deutschland.

Straßenschilder in MA-Rheinau mit Kolonialbezug
In ihren Texten und Gedichten ging sie Rassismus und Sexismus in der deutschen Sprache auf den Grund und wehrte sich gegen rassistische Diskriminierung, wie sie sie in ihrem Alltag erfuhr.
In Mannheim wird der Vorgänge auf der Schönau 1992 gedacht. Auch hier muss die Gewalt, die durch Sprache wirkt, aufgearbeitet werden. Im MM vom 20.5. wird ein namenloser „Betrunkener“ zitiert: “Die sterben alle, und wenn die Bullen mit drauf gehen“.
Ein Betroffener des Anschlages sagt heute: “wir dachten, die werden uns lynchen“.
Im Artikel: „Alles begann mit einem Gerücht…“ wird dann ausgeführt, dass „Autonome“ nach Mannheim gereist seien um: „gegen angebliche rassistische Mannheimer auf die Straße“ zu gehen. Wieso „angeblich“? Was an den Ausschreitungen gegen die Unterkunft der Asylbewerber*innen war denn nicht rassistisch motiviert? Wieso wird die Einschätzung des Theologen Rütermann so zitiert: er “will in dem Hass von der Schönau gar ein „“Pogrom““ sehen“?
Wikipedia definiert Pogrom als Ausschreitungen gegen nationale, religiöse oder ethnische Minderheiten. Waren das etwa keine Ausschreitungen?
Mannheim hat noch viel zu tun, was die Aufarbeitung dieses gewaltsamen Konfliktes und Verharmlosung von Rassismus durch Sprache betrifft.
Die Benennung einer Straße in Rheinau nach May Ayim wäre ein sichtbares Zeichen, dass die Stadt und ihre Bürger es damit ernst meinen. Berlin hat es schon vor gemacht: dort heißt das ehemalige Kreuzberger Gröbenufers seit 2010 May-Ayim-Ufer, um diese herausragende Aktivistin gegen Kolonialismus und Rassismus zu ehren.
(mehr zur Person Ayim findet sich auf der Homepage des AK Kolonialgeschichte Mannheim)
Mang Bell zum Straßennamen!
Es wird in Leserbriefen argumentiert, dass die vom Arbeitskreis Kolonialgeschichte Mannheim vorgeschlagenen Straßennamen schwer auszusprechen seien. Außerdem wird moniert, die Namen hätten keinen aktuellen Bezug.
Wir schlagen u.a. Rudolf Manga Bell vor, ein Name, der leicht auszusprechen ist. Manga Bell (1873- 1914), wie er in Kamerun genannt wird, war Oberhaupt eines Familienverbandes der Duala. Bereits sein Vater schickte zusammen mit anderen Duala-Oberhäuptern Beschwerdebriefe an den Deutschen Kaiser, denn die deutsche Kolonialmacht hatte durch Handelssperren für die einheimischen Fischer und Händler den Zusammenbruch des Duala-Handels verursacht. Weitere Beschwerdebriefe u.a. über Zwangsarbeit und willkürliche ungerechte Behandlung der Schwarzen erreichten auch den damaligen Legationsrat und späteren Gouverneur in Kamerun Theodor Seitz (bekannter Bürger von Seckenheim/Mannheim). Die Petitionen an den Reichstag wurden alle abgelehnt, die Duala endgültig von ihrem Land vertrieben.
Rudolf Manga Bell kannte das europäische Recht und die Sprache der Kolonialherren sehr gut, denn er hatte seit seinem vierzehnten Lebensjahr die Schule der Basler Mission in Duala besucht und mehrere Jahre im Gymnasium in Ulm verbracht. Die Duala waren sehr bildungsorientiert und interessierten sich für die europäische Kultur. Trotz wiederholter Bittschriften an den Kaiser wurde die Entrechtung der Duala vorangetrieben, das Land zum sogenannten deutschen „Schutzgebiet“ erklärt.
Am 8. August 1914 wurde Rudolf Manga Bell nach einem kurzen Scheinprozess erhängt. Der Vorgang sprach der deutschen Rechtsprechung Hohn, die Behauptungen gegen ihn waren frei erfunden und die Exekution wurde damals von renommierten deutschen Rechtsanwälten als Justizmord bezeichnet. Bis heute ist das koloniale Unrecht von der deutschen Regierung nicht anerkannt worden.
Seit Beginn dieses Jahres zirkuliert eine Petition, die eine Rehabilitierung von Rudolf Manga Bell fordert. Zu den Initiator*innen der Petition gehören Prinzessin Marilyn Douala Bell, eine Urenkelin und Jean-Pierre Felix Eyoum, ein Großneffe des Hingerichteten. Die Prinzessin wurde 2021 mit der Goethe-Medaille für die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte in Kamerun und für den gesellschaftlichen Dialog über die Auswirkungen des Kolonialismus geehrt. Doch blieb eine verbindliche Reaktion für eine Rehabilitierung vonseiten der Bundesregierung bisher aus. Wir wünschen den Verfasser*innen der Petition viel Erfolg und plädieren für den Namen Rudolf Manga Bell.
Wangari Maathai zum Straßennamen!
Die Stadt Mannheim will die Umbenennung von vier Straßennamen in Rheinau-Süd unter Beteiligung aller Mannheimer Bürgerinnen und Bürger gestalten. Zwar wird die Letztentscheidung beim Gemeinderat liegen, dennoch ist dieser Weg ein begrüßenswerter Schritt zu mehr Demokratie. Einer der vielen eingereichten Vorschläge nennt die kenianische Biologin Wangari Maathai. Sie wurde für ihr Lebenswerk, die Gründung des „Green Belt Movement“, der „Grüngürtelbewegung“, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Es werden Bäume gepflanzt um der Bodenerosion entgegen zu wirken, dies ermöglicht so wieder beispielsweise die Pflanzung von Mais und trägt dazu bei, dass Familien ihre Existenz sichern können.
Das fruchtbare Hochland von Kenia hat die Menschen über Jahrhunderte ernährt. Erst die extensive Landwirtschaft ab der Zeit der Kolonisierung hat diese Existenzgrundlage vernichtet. Die Grüngürtelbewegung hat sich inzwischen über den ganzen afrikanischen Kontinent und darüber hinaus ausgebreitet. Der Vorschlag des Arbeitskreises Kolonialgeschichte berücksichtigt also mehrere der Vorgaben, die die Stadtverwaltung für die Namensvorschläge festlegt – sie ist als Biologin dem Kreis der Naturforscher“ zuzuordnen, sie hat mit ihrer Bewegung weit über die Grenzen von Kenia hinausgewirkt. Übrigens hat sie ihre Liebe zu den Wäldern bei ihrem Promotionsstudium in Deutschland entdeckt.
Wangari Maathai ist also als eine Person des „transkulturellen Austauschs“ zu bezeichnen, das ist die zweite Vorgabe, die die Stadt macht. Auch wir hier in Deutschland müssen inzwischen erfahren, welche fatalen Konsequenzen Raubbau mit der Umwelt nach sich zieht (Überschwemmungen, Dürren, Waldbrände). Wangari Maathai ist ein Mensch, die durch ihr Handeln Vorbild sein kann. Unermüdlich hat sie sich für ihre Idee eingesetzt, auch wenn sie in ihrem Land lange mit Verfolgung und auch Gefängnis bedroht war.
Dass sie die Zerstörung ihres Landes, in eine positive, zukunftsgerichtete Bewegung umlenkte, zeigt, wie es durch den persönlichen Einsatz einzelner Menschen gelingen kann, trotz negativer Erfahrungen Gutes zu erreichen. Mit der Benennung einer Straße nach Wangari Maathai wird aber auch das Thema Kolonialgeschichte aufgegriffen. Denn es soll ja mitnichten die Erinnerung an diesen Teil der deutschen Geschichte ausgelöscht werden, indem die Straßennamen verändert werden. Die neuen Straßennamen müssen die Bedeutung der Kolonialgeschichte als Keimzelle einer Ideologie der Ungleichwertigkeit, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, von Rassismus und Diskriminierung zu verdeutlichen. Es geht auch darum die Auswirkungen des Kolonialismus auf das gesellschaftliche Zusammenleben von heute zu betrachten und Konsequenzen für künftiges Handeln zu ziehen.
Anna Maria Dell, Hildegard Klenk, Margarete Würstlin – Arbeitskreis Kolonialgeschichte Mannheim
Podiumsdiskussion:
Vom Umgang von Stadt und Museen mit dem kolonialen Erbe Podiumsdiskussion in den Reiss-Engelhorn-Museen
Am Dienstag, den 4. Oktober 2022 laden die Reiss-Engelhorn-Museen und der Arbeitskreis Kolonialgeschichte Mannheim um 18 Uhr zu einer Podiumsdiskussion ein.
Im Mittelpunkt stehen verschiedene Positionen zum Umgang mit der kolonialen Vergangenheit. Wie soll mit Kulturgütern aus ehemaligen Kolonien verfahren werden, die in den Reiss-Engelhorn-Museen verwahrt werden? Was können die Museen, was kann die Stadt Mannheim tun? Welche Kontroversen bestehen?
Eine Experten-Runde aus den Bereichen Museum und Forschung sowie Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz nehmen sich diesen und weiteren Fragen an. Die Veranstaltung findet im Anna-Reiß-Saal im Museum Weltkulturen D5 statt. Der Eintritt ist frei. Die Stadt Mannheim kaufte bzw. übernahm insbesondere seit Anfang des 20. Jahrhunderts für ihr Museum Kulturgüter aus aller Welt. Darunter befanden sich auch solche aus Kolonien, die sich Kaufleute, Soldaten, Forschungsreisende und Missionare unter fragwürdigen Bedingungen angeeignet hatten. Die damals kolonialisierten Völker fordern seit Jahrzehnten die Rückgabe besonders bedeutsamer Kulturgüter. Für die betroffenen Gemeinschaften geht es um die Wiederaneignung ihrer kulturellen Identität und Erinnerungskultur. Die Podiumsdiskussion widmet sich dem Umgang mit dieser schweren historischen Bürde und internationalen Herausforderung.
Die Gesprächspartner sind Dr. Richard B. Tsogang Fossi vom Institut für Kunstwissenschaft und Historische Urbanistik an der TU Berlin, Dr. Sarah Nelly Friedland, Direktorin der Reiss-Engelhorn-Museen, Dr. Bernhard Gißibl vom Leibniz-Institut für Europäische Geschichte Mainz, Dr. Peter Kurz, Oberbürgermeister der Stadt Mannheim, Vera Marusic vom Rautenstrauch-Joest-Museum Köln sowie Margarete Würstlin vom Arbeitskreis Kolonialgeschichte Mannheim. Die Moderation übernimmt Prof. Dr. Manfred Loimeier vom Mannheimer Morgen.
(Presseinformation der Reiss-Engelhorn-Museen)