Metall- und Elektroindustrie: Warnstreiks in Mannheimer Betrieben [mit Bildergalerie]
Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie
Die Warnstreiks haben begonnen!
In einem Vorab-Pressegespräch haben die IG Metall Mannheim und betriebliche Vertreter es schon angekündigt. In der ersten Novemberwoche wird es auch in Mannheim zu einer ersten Phase von täglichen Warnstreiks kommen. In der zweiten Woche wird es weitergehen. Die Belegschaften aller tarifgebundenen Betriebe, sowohl die bekannten großen aber auch kleine Betriebe, werden zu Warnstreiks aufgerufen. Man wolle ein deutliches Zeichen an die Arbeitgeberseite richten. Am 8. November wird es die vierte Verhandlungsrunde zwischen IG Metall und Südwestmetall, dem Verband der Metall- und Elektroindustrie, geben. Die Warnstreiks würden fortgesetzt werden, da die Arbeitgeber bisher kein verhandlungsfähiges Angebot vorgelegt haben. Jährliche Einmalzahlungen, die als Angebot vorgelegt worden sind, seien inakzeptabel. Die Forderung nach einer Lohnerhöhung von 8%, die in die Grundentgelttabelle Eingang findet, sei gerechtfertigt. Die letzte tabellenwirksame Erhöhung habe es vor Corona im Jahr 2018 gegeben. Jetzt sei es mal wieder Zeit für eine Lohnerhöhung. Den meisten Unternehmen gehe prächtig, Umsatz und Gewinne explodieren. Und für die wenigen Betriebe, die wirtschaftliche Probleme hätten, könnte es über das „Pforzheimer Abkommen“ Sonderregelungen geben.
Die betrieblichen Vertreter machten deutlich, dass die Belegschaft „die Schnauze voll hat“. In der Vergangenheit habe die Belegschaft mit wechselnder Mehrarbeit und Kurzarbeit, 4 und 5-Schichtmodellen, Wochenendarbeit sehr große Flexibilität beweisen. Die Belegschaft vermisse Dankbarkeit und bekomme statt dessen mangelnde Wertschätzung, wie Lars Schlotz , Sprecher der Vertrauensleute bei ZF Wabco, ausführte. Stefan Schneider, VL-Leiter von Caterpillar, machte deutlich, dass angesichts der vergangenen Lohnentwicklung, sogar die Forderung nach einer 2-stelligen Lohnerhöhung, im Raum stand. Jetzt wolle man endlich Ergebnisse sehen.
Thomas Hahl von der IG Metall Mannheim, stellte heraus, dass die 8%-Forderung nicht in Funktionärskreisen sondern in den betrieblichen Diskussionen der Belegschaften entstanden ist. Die Erwartungshaltung sei entsprechend. Wenn sich die Arbeitgeber nicht in eine bestimmte Richtung bewegen, wird man einen Gang zulegen. Es wird dann eine zweite Warnstreikphase geben. Dazu zählen dann auch Streikvorbereitungen, Streikschulungen für die Mitglieder, Erstellen von Streikausweisen etc. Auch hierzu sei die IG Metall in der Lage. Die Unternehmen seien durch die von diesen selbst geschaffene Lieferkettenproblematik sehr anfällig. Das IV. Quartal sei für die Unternehmen für das Jahresergebnis in der Regel sehr wichtig. Die Warnstreiks würden die Unternehmen sehr treffen. Es liege jetzt an den Unternehmen selbst, dieses Szenario abzuwenden.
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Im Folgenden dokumentieren wir die Mitteilungen der IG Metall Mannheim zur ersten Streikwoche in Mannheim.
Warnstreik am 2. November bei der Zahnradpumpenfabrik Mannheim
„Wir sind stolz darauf, dieses Jahr den Warnstreikauftakt in der Metall- und Elektroindustrie in Mannheim zu machen!“, so der Betriebsratsvorsitzende der Zahnradpumpenfabrik Mannheim, Murat Sarmasik. Tatsächlich macht dieses Mal der kleinste, tarifgebundene Betrieb der IG Mannheim in der Metall- und Elektroindustrie einen starken Auftakt. Alle 26 Beschäftigte der ZPM erschienen ab 11 Uhr auf dem Parkplatz zur Kundgebung. Die Stimmung ist kämpferisch, denn dieses Angebot der Arbeitgeber hat nichts mit Respekt gegenüber den Beschäftigten zu tun, so der Tenor in der Belegschaft. „Eine Provokation!“, so ein Beschäftigter. Die Belegschaft der ZPM hat heute eindrucksvoll gezeigt, dass sie für weitere Aktionen bereit ist. „Wenn es drauf ankommt gehen wir in die Urabstimmung!“, sagt Sarmasik abschließend. Das Mannheimer Traditionsunternehmen mit Sitz auf der Friesenheimer Insel produziert Zahnradpumpen, Wärmetauscher, Filter und Ölversorgungsanlagen.
Warnstreik am 3. November bei Südkabel
Aller guten Dinge sind drei: Nach dem Auftakt der Warnstreiks in der Metall- und Elektroindustrie am 2.November in Mannheim hat am 3. November der dritte Warnstreik bei Südkabel in Mannheim-Neckarau stattgefunden. (Anmerkung KIM: Bei Südkabel ist eine Sondersituation. Dort hat die Unternehmensleitung die Tarifbindung aufgekündigt). Rund 80 Beschäftigte waren dem Aufruf der IG Metall gefolgt. Dr. Janna Köke, Kassiererin und Geschäftsführerin der IG Metall Mannheim, forderte eindringlich die Rückkehr der Arbeitgeberseite an den Verhandlungstisch. Man werde derweil alle notwendigen, nächsten Schritte für einen längeren Arbeitskampf vorbereiten, sollte sich Südkabel nicht bewegen.
Wolfram Riegler, Betriebsratsvorsitzender und Mitglied der Tarif- und Verhandlungskommission, berichtete über die letzte Betriebsversammlung sagte: „Ich möchte mir nicht vorstellen, wie eine Zukunft ohne IG Metall aussähe. Wir hätten deutlich schlechtere Regelungen. Mit dem Betriebsrat alleine wird es keine Entgeltverhandlungen geben. Das ist nicht zulässig. Das Betriebsverfassungsgesetz sieht vor, dass nur die Tarifpartner das machen. Hinzu kommt: Die Kolleginnen und Kollegen haben es verdient, gehört zu werden, sich bei allen Tarifsachen zu beteiligen, und nur die Mannschaft kann entscheiden. Das ist unsere ureigenste Aufgabe als IG Metall. Wir gehen nur gemeinsam als Metallerinnen und Metaller in die Verhandlungen. Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir zusammenstehen. Die Aufträge sind da, die Leute sind da. Jetzt brauchen wir die Wiederherstellung der Tarifbindung und eine echte Aufstellung für die Zukunft.“
Ralf Heller, Betriebsratsvorsitzender des Uniklinikums Mannheim, und ehrenamtlicher Kreisvorsitzender des DGB Mannheim, sicherte die Unterstützung aller Gewerkschaften bei dieser Tarifauseinandersetzung zu. Er erinnerte daran, dass „Tarifverträge sozialen Frieden schaffen. Die aktuellen Herausforderungen wie die Bewältigung des Klimawandels geht nur mit guten Produkten und nur mit guten Arbeitsplätzen. Deshalb kann es nur eins geben: Mit Gewerkschaft. Mit Tarifvertrag in die Zukunft. Auf der Homepage wirbt Südkabel mit Rechtschaffenheit und Ethik sowie dem Recht auf Kollektivverträge. Kehren Sie also endlich zum Flächentarifvertrag zurück, verehrte Arbeitgeber!“
Dr. Janna Köke, Kassiererin und Geschäftsführerin der IG Metall Mannheim, forderte das Unternehmen auf, die Strategie der Spaltung der Belegschaft und der Hetze gegen die IG Metall Mannheim zu unterlassen: „Das Grundgesetz schützt mit Artikel 9 ganz besonders die Tarifautonomie. Es ist ein Grundrecht, in Gewerkschaften gemeinsam für Tarifverträge einzutreten und auch notfalls in Streiks vor dem Tor zu stehen. Wir brauchen ein Gleichgewicht zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten. Und das geht bei Südkabel nur mit der IG Metall.
Die IG Metall, das seid ihr, Kolleginnen und Kollegen. Wenn sich in den nächsten Tagen nichts tut, werden wir gemeinsam den nächsten Schritt gehen und den Arbeitskampf fortführen.“
Alle Redner/innen forderten die Geschäftsleitung noch mal eindringlich auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und die Tarifbindung wiederherzustellen. Die IG Metall bereitet derweil alle notwendigen, nächsten Schritte im Arbeitskampf vor. Wir sind bereit!
Warnstreik am 4. November beim Benz in Mannheim
3.200 Beschäftigte der Frühschicht legen die Arbeit nieder.
- Am Freitag, 04.11.2022, ruft die IG Metall Mannheim die Beschäftigten von Daimler Truck und EvoBus im Mercedes-Benz Werk Mannheim zur Teilnahme am Warnstreik auf
- 200 Kolleg*innen legten ihre Arbeit nieder und erschienen zur Kundgebung um 10.30 Uhr
Seit 10.30 Uhr steht die Produktion beim Benz in Mannheim. Zur Frühschicht haben um 10.30 Uhr 3.200 Kolleginnen und Kollegen ihre Arbeit niedergelegt, um an der am Tor 2 geplanten Kundgebung in der Oberen Riedstraße teilzunehmen.
Cheyenne Todaro, die Leiterin des Vertrauenskörpers, begrüßt die Teilnehmer*innen und zeigt sich gleich zu Beginn ihres Redebeitrags entrüstet darüber, dass die Arbeitgeberseite trotz voller Auftragsbücher und horrender Umsatzzahlen die Beschäftigten mit einer Einmalzahlung abspeisen möchte. Der Arbeitgeberverband bietet 3.000 Euro für die nächsten 30 Monate. Außerdem fordern sie weitere Variabilisierungen bei tariflichen Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld. „Das ist ein Arschtritt für alle Arbeitnehmer in der Metall- und Elektroindustrie!“ Todaro ruft zur Solidarität auf, „denn ohne Angebot der Arbeitgeber geht es in den Streik!“. Die Stimmung bei allen Beteiligten ist kämpferisch, lautes Klatschen und Trillerpfeifen unterstreichen den Redebeitrag Todaros.
Tatsächlich setzte Daimler Truck im Jahr 2021 39,8 Milliarden Euro um und gehört damit zu den führenden Herstellern für LKWs, Zugmaschinen und Busse.
Seit Beginn der Corona-Krise zeigen sich die Beschäftigten beim Benz hochflexibel: Arbeitszeitkonten wurden auf Wunsch des Arbeitgebers abgebaut, weil Teile nicht rechtzeitig geliefert wurden, Kolleg*innen waren bereit, Überstunden und Mehrarbeit zu leisten, es wurde an Sonn- und Feiertagen gearbeitet.
„Wir waren die ganze Zeit solidarisch gegenüber unserem Arbeitgeber. Es kann nicht sein, dass jetzt auch noch die Last der Krise auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird, das kann nicht der Dank für unsere Flexibilität der letzten 3 Jahre sein!“, so Bruno Buschbacher, Betriebsratsvorsitzender. Buschbacher ist außerdem der festen Überzeugung, dass ein Entgeltverzicht nicht dazu beiträgt, die Arbeitsplätze beim Benz auf dem Waldhof zu sichern. „die ziehen ihr Sparprogramm trotzdem durch, deswegen stehen uns die geforderten 8% zu!“
Auf die Flexibilität, die die Arbeitgeberseite immer wieder fordert, hat Thomas Hahl, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Mannheim die richtigen Antworten: „Den Fachkräftemangel und die Lieferkettenproblematik haben nicht die Beschäftigten entschieden, das sind Managemententscheidungen! Bildet junge Menschen aus und holt outgesourcte Arbeitsbereiche wieder an den Standort Mannheim zurück!“
Mit der Frage „wer ist eigentlich Südwestmetall?“ wollte Hahl eigentlich darauf kommen, dass es Mannheimer Unternehmer sind, die die Politik machen. „Ausbeuter!“, schallt es stattdessen aus der Runde der Teilnehmenden.
Alle drei Redner*innen waren sich darüber einig, dass die steigenden Kosten des Alltags nur bewältigt werden können, wenn es ein ordentliches tabellenwirksames Plus im Gelbeutel gibt, denn wer die Preise kennt, will 8%!
Eine weitere Kundgebung ist für die Spätschicht um 18.30 Uhr am Tor 2 in der Oberen Riedstraße geplant. Auch Beschäftigte der Nachtschicht am 05.11.2022 werden zum sogenannten Frühschluss aufgerufen.
Bildergalerie zur Kundgebung der Spätschicht