Wohnungsmarktmonitoring Mannheim: Rasante Mietpreissteigerungen

Das jüngst erschienene Wohnungsmarktmonitoring der Stadt Mannheim für 2021 belegt, was ohnehin zu befürchten war: Auch in Mannheim ist der Anstieg der Angebots-Kaltmieten rasant.

Zur Erinnerung: Die Nettokaltmieten laut Mietspiegel stiegen zwischen 2018 und 2020 im Durchschnitt um 8,6%, also 4,3% pro Jahr. Stand 2020: 8,37 EUR/m². In diesem Wert sind auch viele Bestandsmieten enthalten, sofern sie sich in den letzten 6 Jahren verändert haben. Das Wohnungsmarktmonitoring wertet die jeweils aktuelle Marktlage anhand von Mietwohnungsangeboten in Inseraten und auf immoscout24 aus. Wer also heute eine Wohnung sucht, ist in aller Regel auf die Angebotsmieten verwiesen. Die stiegen von 2019 auf 2020 um 6% auf 10,92 EUR Nettokaltmiete je m².

Wer über etwas Sparvermögen verfügt oder geerbt hat, sucht vielleicht eine Eigentumswohnung, wenn die monatliche Zins- und Tilgungsbelastung nicht wesentlich höher ist als die bisherige Mietbelastung. Das wird gerne als Altersvorsorge gesehen. Der durchschnittliche Angebotspreis für Wohnungen stieg im gleichen Zeitraum von 3.300 auf 3.700 EUR/m². Für Neubauwohnungen betrug der durchschnittliche Kaufpreis 4.828 EUR/m², ein Plus von 5,8% gegenüber dem Vorjahr. Wer also eine Neubauwohnung erwerben will, muss für 100 m² locker mit einer halben Million Euro rechnen – da schwinden viele früher noch reale Träume. Die m²-Kaufpreise für Eigentumswohnungen sind auch für den Mietwohnungsmarkt von Bedeutung; denn viele Eigentumswohnungen entpuppen sich am Ende als Anlageobjekte für den gehobenen Mittelstand, der die Steuer-Abschreibungen schätzt und darüber hinaus auch noch eine Gewinnmarge erwartet.

Quelle: Wohnungsmarktmonitoring Mannheim div. Jahrgänge und GBG Siedlungsmonitoring-Jahresbericht 2020, eigene Berechnungen

Interessant ist die unterschiedliche Entwicklung in den einzelnen Stadtteilen. Die höchste durchschnittliche (!) Angebotsnettokaltmiete wird sage und schreibe im Jungbusch gefordert: 12,92 EUR/m². Oststadt: 11,64 EUR/m², ein Cent weniger im Lindenhof. Neckarstadt West liegt inzwischen bei 10,40 EUR/m². Die niedrigste Angebotsmiete findet sich im Herzogenried mit 8,07 EUR/m².

Sind Jungbusch und Neckarstadt-West jetzt die heimlichen Edelwohnquartiere dank Hildebrandt + Hees? So einfach ist die Lage nicht. Die Autor:innen des Wohnungsmarktmonitorings weisen darauf hin, dass genau diese Stadtteile „Ankunftsstadteile“ für viele Menschen aus Südosteuropa sind mit einer hohen Fluktuation nach der Ankunft. Es gibt also ständig neue Mietverträge, die nach bisherigem Mietrecht unterhalb der sehr hohen Mietwuchergrenze preislich so hoch gestaltet werden konnten, wie es der Markt hergibt. Inzwischen ist mit der Anbindung an den Mietspiegel ein gewisser Riegel vorgeschoben. Natürlich spielen auch Luxussanierungen inzwischen eine gewisse Rolle.

Eigentümerstruktur ein wichtiger Faktor

Ein wesentlicher Mietpreisfaktor ist jedoch auch durch die Eigentumsstruktur gegeben. Große institutionelle Eigentümer sind in beiden Stadtteilen relativ schwach vertreten: Die GBG beispielsweise hält 8% aller Wohneinheiten im Jungbusch, 17,1% in der Neckarstadt West. Dazu kommen noch Genossenschaften (eher gering) und beispielsweise Vonovia. GBG und vor allem die Genossenschaften haben darüber hinaus ihre eigenen Vertriebswege jenseits der üblichen Angebotspreise. Im Herzogenried dagegen halten die institutionellen Mietwohnungsanbieter einen sehr hohen Anteil, allein die GBG 42,2% der Wohneinheiten. Die Gartenstadtgenossenschaft ist ebenfalls gut vertreten und auch Vonovia kann die Preise nicht durch die Decke treiben. Sie holt ihren Profit aus der unterlassenen aber fälligen Sanierung und einem vergleichsweise laxen Instandhaltungsgebaren. In Schönau Nord verfügt allein die GBG über 72,9% der Wohneinheiten; die Mietsteigerungsrate beträgt innerhalb 12 Jahren „nur“. 37,6%.

Es zeigt sich in aller Deutlichkeit: Das Mietniveau hängt neben der Fluktuation stark von der Eigentumsstruktur ab. Wie lässt sich diese Eigentumsstruktur zu Gunsten gemeinwohlorientierter Träger verändern?

MWSP mit Konstruktionsfehlern

Im Neubaubereich mit Schwerpunkt auf den Konversionsflächen müssten gemeinwohlorientierte Bestandshalter zum Zuge kommen und nicht die „Projektentwickler“. Für sie ist der Grundstückskauf meist der Startpunkt für teilweise mehrfaches Durchhandeln von Wohnimmobilien von einem profitorientierten Verwerter zum nächsten (auf Turley nach Tom Bock gerade zu bewundern). Für die MWSP und ihre Konzernmutter GBG hieße dies: Halten statt verkaufen. Welchen Sinn außer der Profitgenerierung Dritter macht das schnelle Verkaufen an Projektentwickler? Die Verschuldung der MWSP müsste nicht, wie der Businessplan vorsieht, innerhalb weniger Jahre durch Verkäufe abgezahlt sein. Langfristige Investitionen können auf Basis langfristiger Darlehen bewirtschaftet werden. Das würde im Übrigen den Kommunalhaushalt ebenso wenig tangieren wie der jetzige Express-Businessplan. Stattdessen wirkt die vom Gemeinderat der MWSP bei Gründung mit auf den Weg gegebene Strategie als Befeuerung des spekulativen Warenhandels mit Wohnraum. Abwechslungsreiche und lebenswerte wie auch ökologische städtebauliche Entwürfe und Detailplanungen können trotzdem aus unterschiedlichen Quellen auf Dienstleistungsbasis herangezogen werden. Dass auf Turley, Franklin und nun auch erneut auf Spinelli überwiegend der renditegetriebene Wohnungsbau praktiziert wurde und wird ist ein Fehler, der nur noch durch Rückkauf der aus der Hand gegebenen Immobilien seitens der GBG korrigiert werden könnte. Das setzt jedoch eine bessere Kapitalausstattung durch die „Konzern-Mutter“ Stadt Mannheim voraus. Nur so könnte langfristige Preisstabilität erzeugt werden.
Der Express-Businessplan führt auch dazu, dass Bauinteressenten aus dem Bereich neue Genossenschaften und Mietshäusersyndikat immer wieder schnell ausgeschlossen werden, weil sie stets klein anfangen und erst Mitstreiter:innen sammeln müssen: Misstrauen, dass diese Bauwilligen ihr Ziel erreichen können statt Unterstützung auf diesem Weg, dessen Realisierung schon hundertfach vorexerziert wurde. Zum Zuge kommen stattdessen Großinvestoren.

Bestandswohnungen kaufen!

Für Bestandswohnungen im Eigentum Dritter, meist in Streubesitz, ist die ansatzweise praktizierte Strategie der GBG in Neckarstadt-West und Jungbusch fortzusetzen und auszuweiten: Ankauf wichtiger Wohnobjekte, evtl. mit gewerblich nutzbaren Ladenlokalen, in den Stadtteilen mit heftiger Mietpreisentwicklung. Die Nutzung von Vorkaufsrechten z.B. in Sanierungsgebieten ist nur eine Möglichkeit, die allerdings zurzeit von den Gerichten torpediert wird. Gestützt auf gesellschaftliche Netzwerke ist es jedoch auch immer wieder möglich, als „normaler“ Käufer aufzutreten. Nicht alle Verkaufenden streben nur den Maximalprofit an.

Mit Gentrifizierung gegen Segregation kämpfen?

Nur durch das Eingreifen der „öffentlichen Hand“ oder durch geförderte gemeinwohlorientierte Investoren ist es auch möglich, die soziale „Durchmischung“ von Stadtteilen und Quartieren zu erreichen, die laut der Mannheimer Sozialraumtypisierung (V049/2021) m.o.w. „sozialstrukturell unauffällig“ (Typen 1 bis 3) sind. Die „auffälligen“ Sozialraumtypen zeichnen sich v.a. durch einen hohen Anteil von Arbeitslosen und Mindestsicherungsempfangenden aus. Es geht um das Ziel der Verminderung der Segregation (Spaltung und Polarisierung) der Stadtbevölkerung und der Annäherung an gleiche Bildungs- und Lebenschancen.

Diese Durchmischung funktioniert bisher nur durch Einsickern betuchterer Menschen in die zunehmend als hip betrachteten Stadtteile wie Jungbusch und Neckarstadt-West. Sie führt zur Verdrängung von finanziell schlechter gestellten Bewohner:innen. Die müssten der Logik der Durchmischung folgend z.B. in Feudenheim oder der Oststadt Fuß fassen können. Dem ist aber keineswegs so. In diesen Stadtteilen müssten Wohnimmobilien angekauft werden, die dann öffentlich geförderte preisgünstige Wohnungen bieten.  Im Siedlungsmonitoring-Bericht 2020 der GBG wird die Aufgabe definiert: „Besonders starken Ausprägungen sozialer Segregation, d.h. einem stark überdurchschnittlichen Anteil an Transferleistungsbezieher/innen in einem Stadtteil, wird daher durch eine gemeinsame Strategie der Stadt Mannheim und der GBG entgegengewirkt. Ziel ist es, eine sozial ausgewogene Zusammensetzung der Mieterstruktur herbeizuführen.“ (S. 28). Dies klingt sehr nach der Einbahnstraße in Richtung Gentrifizierung ohne Chancen in anderen Stadtteilen.

Nach Jahren: Zarte Ansätze in die richtige Richtung

Ein fast symbolischer Schritt in die richtige Richtung war der momentan gerichtlich ausgebremste Versuch der Stadt Mannheim, in Neuhermsheim ein Vorkaufsrecht für ein Baugrundstück durchzusetzen, auf dem man ein Haus mit bis zu 10 Wohneinheiten errichten kann (inkl. Sozialquote – gerne aber auch nur mit öffentlich geförderten Wohnungen). In diesem Stadtteil gibt es bisher keine GBG- und keine Sozialwohnung. Grund genug für „Haus und Grund“, gegen dieses Vorkaufsrecht Sturm zu laufen.

 

Grundstückskauf der Stadt in T6. (Bild: Stadt Mannheim)

 

Ganz aktuell lässt die Stadt Folgendes verlauten: „Die Stadt Mannheim hat mit Mitteln aus dem Mannheimer Bodenfonds die Grundstücke T 6, 16 und 17 mit einer Größe von insgesamt knapp 2.000 Quadratmetern erworben. Hier soll künftig ein gemeinschaftliches Wohnprojekt realisiert werden. Gemeinschaftliche Wohnprojekte übernehmen in der Regel in besonderer Weise Verantwortung für Grund und Boden, aber auch für das Gemeinwohl. Dabei ist auch ein kooperatives Konzept mit einer Kita oder anderen Kinderbetreuungsangeboten auf dem Grundstück vorstellbar.“ (PM 22.11.2022). Weiter so! Füllt den Bodenfonds und schlagt zu!

Thomas Trüper