Siegesfeier von Erdogan-Anhängern und Graue Wölfen auf dem Mannheimer Marktplatz
Anmerkungen zur Berichterstattung über die Siegesfeier von Erdogan-Anhägern in Mannheim
Im Mannheimer Morgen und den Sozialen Medien fand die Siegesfeier von Erdogan-Anhängern, die sich am Abend des Wahlsonntags am 28. Mai rund um den Mannheimer Marktplatz abspielte, einen mehrfachen Nachklang.
Das polizeiliche Verhalten bedarf einiger kritischer Nachfragen. In der Berichterstattung des Mannheimer Morgen werden im Artikel vom 2. Juni 2023 werden sehr fragwürdige Behauptungen wiedergegeben.
Der Reihe nach:
Am Wahlsonntag gab es wie in ganz Deutschland hupende Autokorsos mit Erdogan-Anhängern mit schwenkenden Türkeifahnen, Menschen mit Türkeiflaggen, z.T. Parolen skandierend. In Mannheim gerieten die Siegesfeiern teilweise aus dem Ruder. Am Marktplatz und um den Marktplatz herum sammelten sich einige hundert Erdogan-Anhänger, die deutlich die Schmährufe in Türkisch wie „APO-Bastarde“, „PKK-Hurensöhne“ und „Es gibt nur einen – das ist Allah der Göttliche“ von sich geben. Einzelne Anhänger zeigen immer wieder den „Wolfsgruß“, das Erkennungszeichen der faschistischen Grauen Wölfe. Die Parolen klingen wie Schlachtrufe und sind wohl auch so gemeint. Die Anhänger geraten in Auseinandersetzungen, vereinzelt auch körperliche Auseinandersetzungen, mit Passanten. Die anwesende Polizei versucht die Situation zu beruhigen. Es kommt auch zu vorübergehenden Festnahmen und Personalienfeststellungen. Vieles ist in zahlreichen YouTubes in Facebook und anderen Kanälen der sozialen Medien nachzuschauen. In einem der Posts ist ein im Auto fahrender Erdogan-Fan zu sehen, der in seinem Cabrio mit einem Revolver herumfuchtelt Der Post wurde offenbar von seinem Beifahrer ins Netzt gesetzt. Die Polizei sagt, dass sie in diesem Fall ermittelt, bei dem Revolver soll es sich um eine Schreckschusspistole gehandelt haben.
Die Rolle der Polizei
Ein Bild, das in den sozialen Medien kursierte, aber auch im Mannheimer Morgen großformatig gezeigt wird, zeigt ein Polizeiauto inmitten von Erdogan-Anhängern auf dem Mannheimer Marktplatz. Aus dem Polizeiauto heraus spricht ein Mann in Zivil zu der aufgebrachten Menge. Die Situation, so geht es sogar aus dem Bild hervor, scheint sehr aufgeladen zu sein. Der nichts ahnende Betrachter des Bildes würde meinen, bei dem Mann handelt es sich um einen Zivilbeamten der Polizei. Es ist aber bei Kennern der Szene absolut unzweifelhaft, dass es sich bei der Person um einen stadtbekannten und über Mannheim hinaus bekannten Mann handelt, der ein führendes Mitglied der Grauen Wölfe ist. Der Name des Mannes ist der Redaktion bekannt. Die Person ist durch zahlreiche Posts u.a. in Facebook mit klar nationalistischen, Gewalt verherrlichenden Inhalten in Erscheinung getreten. In einigen Bildern ist die Person in Uniform von militärischen Sondereinsatzkommandos, sog. Todesschwadronen, zu sehen, z.T. posiert er mit Schusswaffen.
Die Fragen, die an die die Polizei gestellt werden müssen, sind: Wie kommt ein führender Kader der Grauen Wölfe dazu, aus einem Polizeiauto zu sprechen? Es ist schwerlich zu glauben, dass die Aktivitäten dieses Mannes der Polizei unbekannt geblieben sind. Was hat dieser Mann gesagt? Möglicherweise hat er nach Aufforderung durch die Polizei beschwichtigend auf die Menschenmassen eingewirkt nach dem Motto „Geht nach Hause“. Das wäre noch nachvollziehbar. Aber was hat er vorher getan? War er vorher vielmehr beteiligt an der Aufputschung der Erdogan-Anhänge? Hat der Mann vom Polizeiauto aus, versucht zu löschen, was er vorher angezündet hat?
Fragwürdige Berichterstattung im Mannheimer Morgen
Nun zur Berichterstattung zum Mannheimer Morgen, die sich zumeist an den Fakten orientierte und versuchte das Geschehen von verschiedenen Seiten zu erfassen. Abweichend hierzu werden in einem Artikel von Lisa Wazulin vom 2. Juni 2023 („Migrationsbeirat verurteilt Verhalten“) sehr fragwürdige Behauptungen wiedergegeben. Im Artikel heißt es: „Wer war da aneinandergeraten? Ein Augenzeuge, der sich an die Redaktion wendet, aber anonym bleiben will, berichtet: `Das waren keine Passanten, sondern PKK-Sympathisanten, die gezielt Erdogan-Fans angegriffen haben. Davor haben alle friedlich gefeiert.´ Der Augenzeuge beteuert, selbst die Parolen sowie Handzeichen von Personen gesehen zu haben, die eindeutig auf die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) schließen lassen.“
Es ist mehr als bedenklich, dass die Redakteurin des Mannheimer Morgens einen anonymen Augenzeugen in dieser Weise zitiert: Die Mär „alle haben friedlich gefeiert“ bis die PKK gekommen sei, wird von zahlreichen Bildern und Videos widerlegt. Auch der Autor dieses Artikels hat mit einigen Augenzeugen gesprochen. Demnach ergibt sich folgendes Bild: Eine aggressive Zusammenballung von Erdogan-Fans hatten sich am Wahlsonntagabend auf dem Marktplatz und in der angrenzenden Marktstraße und Jungbuschstraße zusammengefunden. Dort befinden sich einige Restaurants, die in der Regel von der kurdischen Community besucht werden. Vor einigen dieser Lokale scheint es tatsächlich zu Auseinandersetzungen gekommen sein. Aber die Fakten sagen aus, dass die Aggression von den Erdogan-Anhängern ausgegangen ist. Im besagten Artikel des MM wird die angefragte Polizei zitiert: „Vor Ort seien Erdogan-Anhänger und deren Gegner aufeinandergetroffen. Ob es sich bei letzterem um PKK-Anhänger oder Sympathisanten gehandelt habe, sei unklar. Man habe weder Personalien aufgenommen noch entsprechende Symbolik gesehen. Sondern sei vielmehr darauf fokussiert gewesen, die beiden Lager auseinanderzuhalten, so ein Polizeisprecher.“
Schade, dass sich die Redakteurin des MM im besagten Artikel nicht auf die vorliegenden Fakten und auf den Polizeibericht beschränkt hat und stattdessen einen anonymen Zeugen zitiert, der vermutlich dem Erdogan-Lager zuzurechnen ist. Die Fakten werden hiermit auf den Kopf gestellt. Den Schaden hat die kurdische Community in Mannheim.
Roland Schuster