Gemeinderats-Wahlprogramm der CDU: Die CDU lässt vieles im Dunkeln und verkündet dies im „LUXX“
Die CDU stellte Ende April ihr Programm für die Gemeinderatswahl im Bistro LUXX (Licht) der Kunsthalle vor. Der Raum ist städtisch, die Gastronomie an Privat verpachtet. So, wie z.B. der Betrieb der kommunalen Bürgerhäuser privatrechtlich den Trägervereinen überlassen ist. Letztere müssen sich mit wenigen Ausnahmen aber trotzdem an das Neutralitätsgebot der Stadtverwaltung in Wahlkampfzeiten halten. Das Bistro der Kunsthalle nicht? Legal-Illegal-Scheißegal!
Teure PPP-Projekte: Reine Mogelpackung!
Eine Aussage, die der CDU besonders wichtig ist, steht auf Platz 1 ihrer 10 Punkte, „die den Unterschied machen – nur mit der CDU“: „Stadtbibliothek: Ja, aber kein 85-Millionen-Prachtbau in N2. Unsere Stadtbibliothek braucht eine neue Heimat. Statt eines Prachtbaus aus Glas befürworten wir den Umbau eines geeigneten Bestandsgebäudes in zentraler Lage. Gleichzeitig werden wir die Bibliotheken der Stadtteile stärken und die begrünte Quartiersgarage in N2 erhalten.“ Die Wertigkeit einer neuen Bleibe für die in N1 und dem Dalberghaus sehr schlecht untergebrachte zentrale Stadtbibliothek ist also nicht besonders hoch. Der Blick auf die Glasfassade reicht, ins Innenleben braucht man erst gar nicht zu gucken. Es geht ja auch „nur“ um eine zentrale Bildungseinrichtung für alle Schichten und Altersgruppen der Bevölkerung und um ein offenes Kommunikationszentrum, das Medien aller Art beherbergen und die Medienkompetenz fördern soll. Der Verweis auf ein geeignetes Bestandsgebäude zielt – davon kann man ausgehen – auf die Sparkassenzentrale am Paradeplatz (im Kern 50er Jahre) ab, die irgendwann mal abgerissen und neu gebaut werden soll; dann allerdings mit wesentlich kleinerem Sparkassenteil, da ja der Kundenverkehr in Zeiten des online-bankings deutlich zurückgegangen ist. Der Rest würde dann vermietet und müsste den Neubau finanzieren. Damit verweist die CDU auf ein Grundstück, welches nicht der Stadt gehört und somit auf ein PPP-Projekt (Privat-öffentliche Partnerschaft). Das kennen wir von der Abendakademie: 30 Jahre Miete zahlen und sich über zu hohe Nebenkostenabrechnungen streiten, und danach: weiterzahlen! Die Alternative wäre: Ein eigenes Grundstück (Parkhaus N2) auf Darlehensbasis bebauen, 25 Jahre lang abbezahlen und dann eine eigene Immobilie besitzen. PPP-Projekte sind für die öffentlichen Partner immer und grundsätzlich teurer, denn der private Partner zielt ja darauf ab, sein Privatvermögen zu mehren. Dem steht eine öffentliche Sparkasse nicht nach.
Auch zum Carl-Benz-Stadion hat die CDU ihre eigene Meinung: Für sie steht es schon immer am falschen Platz, ob nun Regional- oder Zweite Liga. Der Fan-Lärm aus dem Stadion störe die Bürger*innen in Neuostheim. Statt das Stadion für 60 Mio. EUR zu sanieren will die CDU einen Neubau in der Nähe der SAP-Arena. Der Waldhof-Chef und -Sponsor Bernd Beez (neuer Kaufhof-Coeigentümer) soll das zahlen. Das läuft auf das gleiche Projekt wie die SAP-Arena hinaus: Der Private finanziert vor, die Stadt stottert ab und nennt nach z.B. 30 Jahren ein erneut sanierungsbedürftiges Stadion ihr Eigen.
Beides – die neue Zentral-Bibliothek und das neue Stadion wären dann haushaltsrechtlich „kredit-ähnliche Rechtsgeschäfte“ und müssten der städtischen Verschuldung zugerechnet werden. Davon spricht die CDU nicht, sie lässt das im Dunklen. Sie posaunt lieber weiter von dem von ihrer einstigen Gemeinderatsmehrheit eingeführten verlogenen „Netto-Neuverschuldungsverbot“.
Kitas, Schulen: „unabhängig von der Haushaltslage“? – Mogelpackung!
Keine Partei, die nicht sehr berechtigt nach endlich ausreichender Kitaversorgung und nach Schulsanierungen und -neubauten ruft. Die CDU brüstet sich: „Die Investitionen im Bereich Bildung auf einem hohen Niveau zu halten ist unser erklärtes Ziel – unabhängig von der Haushaltslage.“ Diese Kühnheit ist neu! Die Partei des jahrelangen Kämmerers und jetzigen Oberbürgermeisters Specht will investieren ohne Rücksicht auf die Haushaltslage? Will sie das Netto-Neuverschuldungsgebot vom Sockel stoßen? Das wäre eine bundesweite Sensation. Aber da gibt es ja noch andere Möglichkeiten: Wie wäre es beispielsweise mit weiteren Privatschulen in Mannheim? Aber die hätten auch Ansprüche auf öffentliche Förderung. Nur wäre ein Teil der Finanzlast der Stadt von den Schultern genommen. Den Eltern der Schüler*innen auf solchen Schulen nicht. Sie zahlen dann Schulgeld. Aber Rechtsanwalts- und Arzt-Familien können sich das leisten. Oder meint die CDU, die GBG-eigene BBS-GmbH, zuständig für Schul- und Kita-Bauten und -Sanierungen, komme ohne jährliche Zuschüsse der Stadt aus?
Bei der Kinderbetreuung ist das Mogelkonzept etwas anders gelagert. Hier will die CDU die Kirchen und freien Träger durch eine „angemessene Förderung“ für den Bau und Betrieb von Kitas gewinnen. Und bei der Schulkindbetreuung sollen Ehrenamtliche ran, Vereine. Das Problem ist nur, dass die Kirchen seit Jahren dabei sind, Kita-Plätze zu schließen, da sie aufgrund der zahlreichen Kirchenaustritte rückläufige Kirchensteuereinnahmen verzeichnen. Wenn die Förderung so erhöht wird, dass die Kosten vollständig öffentlich getragen werden – wo ist da der finanzielle Vorteil und die Unabhängigkeit von der Kassenlage? Auch private Bau- und Betriebsträger haben Anspruch auf öffentliche Zuschüsse, z.B. die schwedischen Bildungskonzerne, die den Kindergarten St. Nikolaus der katholischen Kirche abkaufen wollten. Selbst wenn ein Multimillionär auf die Idee kommt (wie schon geschehen), um seinen ganz persönlichen Nachwuchs herum über einen Verein den Bau einer Sport-Kita höchster Qualität zu organisieren, hat er diesen Anspruch auf öffentliche Förderung – unabhängig, wie hoch dann die Gebühren für die externen Kinder sind. Das können dann schon mal 900 bis 1.000 EUR pro Monat sein, wie in der privaten mehrsprachigen Kita auf Turley. Motto: „Weil jede Familie zählt“.
Ein besonderes Problem ist die Personalgewinnung für die Kinderbetreuung, „Erzieherinnen und Erzieher, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Logopäden, Ergotherapeuten in Quartieren mit besonderen Herausforderungen.“
Hier möchte die CDU kostenfreie Kinderbetreuung für Erzieherinnen und Erzieher sowie kostenlose Park(ierungs)ausweise erreichen. Wunderbar! Und wenn die Wohnraumbeschaffung für das angeworbene Personal nicht klappt? Dann helfen die Einfamlienhäuschen?
In der Kinderbetreuung, also der Familienpolitik, hat die CDU ihren systemrelevanten Bereich entdeckt. Und das Personal in den Kliniken, der Abfallwirtschaft, der Berufsfeuerwehr, des Abwasserbetriebs und, und, und? Familien sind auch auf diese Dienstleistungen angewiesen.
A propos Wohnraumbeschaffung: „Viele Familien verlieren wir dennoch leider ans Umland, weil sie in Mannheim keinen geeigneten und bezahlbaren Wohnraum finden. Die Wohnungsnachfrageprognose für Mannheim hat aufgezeigt, dass in Mannheim jährlich allein 225 bis 300 Einfamilienhäuser fehlen.“ Die gleiche Wohnraumbedarfsprognose, auf die sich die CDU hier offenbar bezieht (empirica: Wohnungsnachfrageprognose 2040 für die Stadt Mannheim) spricht von 650 bis 700 fehlenden Wohneinheiten in Mehrfamilienhäusern. Aber die CDU denkt schon auch an nicht so Reiche: Jedoch „festgeschriebene Quote für preisgünstiges Wohnen (…) lehnen wir weiterhin ab.“ Dafür schwelgt sie in Nostalgie: Sie empfiehlt: „Das Thema Werkswohnungen verstärkt ins Blickfeld zu nehmen und zu fördern.“ Dies, nachdem auch das letzte Unternehmen sich von seinen Werkswohnungen getrennt hat, weil diese die Bilanzen mit unprofitablem Kapital aufblähen und die Kapitalquote senken. Der Wohnungsbestand des Dax-Unternehmens Vonovia besteht überwiegend aus den ehemaligen Werkswohnungen großer Konzerne (z.B. die Eisenbahnerwohnungen auf der Hochstätt). – Oder denkt die CDU an Errichtung von preisgünstiger „Werkswohnungen“ durch den „Konzern Mannheim“ für seine Mitarbeiter*innen? Das wäre für die CDU so abwegig, dass es nicht einmal das Dunkel braucht.
Welche Finanzpolitik verfolgt die CDU? Das wird sie erst nach der Wahl verraten.
Eines stellt die CDU in ihrem Programm klar: „Keine Erhöhung der Gewerbesteuer.“ Woher sonst soll aber das Geld kommen – auch für die geforderten Personalverstärkungen z.B. beim Ordnungsamt und bei der Straßenreinigung? Erhöhung der Grundsteuer? Der Wunschpartner der CDU, die Mannheimer Liste, verlangt eine Senkung.
Da wäre aber noch eine Einnahmequelle, von der sie wohlweislich nicht spricht: Die Gebühren! Die Gebühren für die Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge sind bis auf Wasser, Abwasser- und Müllentsorgung bei weitem nicht kostendeckend: Kitas, Bibliotheken, Schwimmbäder, Kultureinrichtungen, Parks, Sportplätze etc.pp.: Da könnte man ja an der Gebührenschraube drehen? Mit dem Luisenpark wurde schon begonnen: Nach der BUGA kostet die Jahreskarte 59 EUR statt zuvor 39 EUR.
Im CDU-Programm heißt es: „Eine auskömmliche nachhaltige Finanzierung unserer Stadtparks. Luisenpark und Herzogenriedpark sind die innerstädtischen grünen Lungen unserer Stadt und beliebte Ausflugsziele insbesondere für Familien mit kleinen Kindern. Auch in Zukunft müssen die Parks auskömmlich finanziert werden, um dauerhaft ein attraktives Angebot für die Mannheimerinnen und Mannheimer sicherzustellen.“ Fragt sich: Durch die dringende Erhöhung der kommunalen Betriebskostenzuschüsse oder durch weitere Erhöhung der Eintrittsgebühren oder durch Umwandlung des Herzogenriedparks in eine „öffentliche Grünfläche“ wie zu Corona-Zeiten?
Und nochmal Kita-Gebühren: Erzieher*innen sollen eine kostenlose Kinderbetreuung bekommen. Hat nicht der Gemeinderat längst beschlossen, dass die Kita-Gebühren für alle schrittweise entfallen sollen? Die CDU hat sich davon offensichtlich schon verabschiedet.
Und wie sollen die anhaltend hohen und noch zunehmenden noch gar nicht erwähnten Investitionskosten gedeckt werden? Bei Straßen und Brücken? Bei Fahrrad- und Fußwegen? In der Klimafolgenvorsorge? Für die Energiewende?
Die Idee der CDU und ihrer rechten Freunde im Gemeinderat ist bisher: Investitionen aus den laufenden Haushalten herauszuquetschen: Nettoneuverschuldungsverbot. Am besten noch „die Schulden senken!“. Ist in ihrem Wahlprogramm jetzt eine Abkehr von diesem Irrsinn versteckt? Auch bei aufmerksamer Lektüre bleibt die Lösung dieser Frage im Dunklen verborgen.
Dunkelheit auch um die Brandmauer gegen Ultrarechts / AfD. Wer „gehört nicht zu unserer Gesellschaft“?
Dass die CDU bei der Oberbürgermeisterwahl ihren Erfolg ohne die Wählerstimmen aus dem AfD-Lager niemals hätte erzielen können ist eine arithmetische Tatsache. Die funktionierte, ohne dass sich die nehmende CDU und die gebende AfD, die auf eine Kandidatur verzichtet hatte, je dazu öffentlich groß geäußert hätten. Das sollte im Dunkel bleiben. Und wie die bundesweit diskutierte Frage der „Zusammenarbeit von CDU und AfD auf kommunaler Ebene“ in Mannheim von der CDU zukünftig gesehen wird, bleibt in ihrem Kommunalwahlprogramm ebenfalls im Dunklen.
Zwar unterstützte die CDU die Kundgebung und die Plakate der Aktion „Nie wieder ist jetzt!“ Aber diese Unterstützung steht auf wackeligen Beinen: Wie kann es sein, dass die CDU sich folgenden Abschnitt in ihrem Wahlprogramm leistet:
„Mannheim ist eine seit jeher durch Vielfalt geprägte Stadt. Mannheim ist auch ein Ort von Heimat. Heimat ist der Ort für Identifikation. Wer jedoch Fundamente unseres Zusammenlebens wie die Gleichberechtigung der Geschlechter mit Füßen tritt, der gehört nicht zu unserer Gesellschaft.“
An wen ist hier gedacht? An Männer aller Nationalitäten und Schichten, die zu Hause ihre Frauen unterdrücken bis hin zur Gewaltanwendung? Oder an bestimmte in Mannheim lebende Bevölkerungsgruppen, deren Religiosität im Ruf steht, die Gleichberechtigung der Frauen zu missachten: Konservative Muslime? Konservative Juden oder gar Katholiken oder Evangelikale, die da der Meinung sind: „Die Frau sei dem Manne untertan, denn der Mann ist das Haupt der Frau“ (Bibel, Epheser 5, 21f)? Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist IN der Gesellschaft erkämpft worden, und die CDU stand und steht beileibe nicht an der Spitze dieses Kampfes. Aber was heißt: „… der gehört nicht zu unserer Gesellschaft“? Gesellschaft ist immer voller Widersprüche, und Interessengegensätze werden innerhalb der Gesellschaft ausgetragen – am besten friedlich. Aber Ausschluss aus „unserer Gesellschaft“? Das ist eine Idee, die zuletzt von den völkischen Nationalsozialisten gegenüber „den Juden“ und „den Zigeunern“ als angeblichen „Untermenschen“ mörderisch praktiziert wurde. Ist die bei dem Geheimtreffen in Potsdam von Rechtsradikalen diskutierte „Remigration“ nicht der erneute Versuch des Ausschlusses aus „unserer Gesellschaft“?
Die AfD schrieb in ihrem Wahlprogramm 2019 (das für 2024 lässt sie scheinbar im Dunklen, wenn es überhaupt existiert): „Migranten mit Bleibeperspektive sind zu unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung zu erziehen, insbesondere auch zur Gleichberechtigung von Mann und Frau. Darüber hinaus sind sie in die deutschen Sitten und Gebräuche einzuführen. (…) Wir fordern eine Einbürgerungspolitik, bei der die Staatsbürgerschaft erst nach erfolgreicher Integrationsleistung der Betroffenen vergeben wird.“ (https://ma.afd-bw.de/Kommunales/stadtrat)
Hier hat die CDU ein Problem! Die Frage, wer gemeint ist, ist für beide Programme rein rhetorisch.
Und ganz wichtig für die Sauberkeit fordert die CDU: „Die Erneuerung der Hinweise zum Schutz von Grünflächen in Deutsch und in Fremdsprachen“ – damit die „Ausländer“ das auch kapieren.
Thomas Trüper