„Menschen vor Profit: GESUNDHEIT!“ Ein Veranstaltungsbericht

In dem Artikel “Gesundheitscafé in Mannheim-Schönau eröffnet – Innovativer Impuls für gerechtere Versorgung in der Fläche” berichtete KIM auch kurz über die Veranstaltung “Menschen vor Profit: GESUNDHEIT!” vom 19.04.2024. Hier nun ein ausführlicher Veranstaltungsbericht. (Red)

„Die Stadt Mannheim hat die Aufgabe, die grundlegenden Lebensbedürfnisse aller Menschen zu sichern, die hier leben …“ So steht es im aktuellen Programm der LINKEN für die Kommunalwahl im Juni 2024. „Gute Gesundheitsversorgung und Pflege – für Alle in allen Stadtteilen“ muss grundsätzliches Bestreben einer solidarischen Stadtgesellschaft sein.

Zu diesem Anliegen gab es am 19. April eine gut besuchte Veranstaltung des Kreisvorstandes der LINKEN in Mannheim – vorbereitet durch den AK Gesundheit, der sich schon länger mit den verschiedenen  Bereichen der medizinischen Versorgung beschäftigt und dazu Referent*innen eingeladen hat.

Die Lage in Mannheim

Dennis Ulas, Vorsitzender der LI.PAR.Tie-Fraktion im Mannheimer Gemeinderat umriss zunächst die aktuelle Situation der ambulanten und stationären ärztlichen Versorgung in Mannheim. In vieler Hinsicht ist sie gekennzeichnet durch ungleiche Möglichkeiten für die hier lebenden Menschen – abhängig von Wohnort /sozialem Status. Wer arm ist, stirbt auch in Mannheim früher als Menschen mit besseren sozialen Lebensbedingungen. Durch etliche Anfragen und Anträge der LI.PAR.Tie  konnte erreicht werden, dass seit 2022 beim Gesundheits- und Jugendamt ein Konzept zur Gesundheitsversorgung für Kinder und Jugendliche in sozial benachteiligen Stadtteilen erarbeitet wird. Erstes Ergebnis: Am 15. Mai 2024 wurde – finanziert durch Haushaltsmittel der Stadt Mannheim und einem Finanzzuschuss des Landes Baden-Württemberg – ein „Gesundheitscafe“ im Stadtteil Schönau mit professioneller Koordinierung (70%-Stelle) verschiedener Beratungsangebote eingerichtet.

Vorbild für Mannheim? Bericht aus Bremen

Claudia Bernhard (LINKE) ist seit August 2019 Bremer Senatorin für Gesundheit, Verbraucherschutz und Frauen. In diesen vier Jahren der Regierungsbeteiligung konnte die Gesundheitsversorgung im Quartier deutlich gestärkt werden. Lisa Baumann und Dmitri Zeleni von der Linksfraktion in Bremen bzw. dem Bremer Stadtverband Die Linke berichteten ausführlich über diese Entwicklungen in der Stadt Bremen.
Ähnlich wie in Mannheim gibt es auch in Bremen das Problem der gesundheitlichen Unterversorgung von sozial benachteiligten Stadtteilen. Nach den Kriterien der kassenärztlichen Bedarfsplanung wird die Anzahl der Arztpraxen für die gesamte Kommune festgelegt – ohne Berücksichtigung des unterschiedlichen Bedarfs der jeweiligen Stadtteile. Ärzt*innen nutzen ihre verbürgte „Niederlassungsfreiheit“. Das führt oft zu einer Überversorgung von ärztlicher Versorgung in wohlhabenderen Stadtteilen – denn bessere Einnahmequellen über dort lebende Privatpatient*innen machen den Standort attraktiver. Im Kommunalinfo Mannheim wurde schon mehrfach drüber berichtet.

Der Bremer Stadtteil Gröpelingen

Seit September 2022 gibt es in Gröpelingen, ein Stadtteil mit ca. 5.000 Einwohner*innen mit vielen sozialen Problemlagen, der niedrigsten Lebenserwartung in Bremen und hoher Säuglingssterblichkeit – dafür schlechterer medizinischer Versorgung als in anderen Bremer Stadtteilen – ein offenes kommunales Gesundheitszentrum. Das multiprofessionelle Team arbeitet im Angestelltenverhältnis, also nicht ehrenamtlich.
Der Bremer Senat bewilligte 200.000 Euro pro Jahr für die konzeptionelle Entwicklung neuer Versorgungsformen. Geplant war ein Zentrum mit ärztlich-therapeutischen Versorgungsangeboten verschiedener Fachbereiche, dazu Sozial-, Pflege- und Präventionsberatung.
Aktuell liegt der Fokus auf mehrsprachigen Beratungsangeboten – zum Beispiel Hilfe bei der Suche nach geeigneten Ärzt*innen oder Übersetzungshilfen beim Ärzt*innenbesuch; ein integriertes Hebammenzentrum und verschiedene Kurse. Darüber hinaus wird aufsuchende Arbeit über Gesundheitsfachkräfte im Quartier, in Kooperation mit dem Gesundheitszentrum, geleistet.
Der Plan ist, auch ärztliche Versorgung im Zentrum einzugliedern. Dies gestaltet sich schwierig. Steuerungsmöglichkeiten von Kommunen bei der Niederlassung von Ärzten sind kaum vorhanden.
Ein von der Kommune betriebenes ‚Kommunales Medizinisches Gesundheitszentrum‘ mit integriertem medizinischem/therapeutischem Angebot wäre das nachhaltigste Modell. Aber ein solches darf nach den Richtlinien der Kassenärztlichen Vereinigung nur von einem  Arzt oder einer Ärztin geleitet werden. Das heißt z.B., die Kommune müsste von der Kassenärztlichen Vereinigung einen Kassensitz erwerben. Das wäre sehr teuer. Am „einfachsten“ wäre der Wechsel einer Arztpraxis aus einem „überversorgten“ in einen „unterversorgten“ Stadtteil. Hier könnte die Kommune unterstützend tätig werden – z.B. durch günstige Mietkonditionen für Praxisräume. In Bremen wird noch an finanzierbaren und rechtlich tragfähigen Lösungen gearbeitet.
Mittlerweile schießen überall – auch in Mannheim – „medizinische Versorgungszentren“ aus dem Boden. Hinter diesem wohlklingenden Namen stehen jedoch häufig Private-Equity Anlagegesellschaften mit dem Ziel, Profit aus der gesundheitlichen Versorgung der Menschen zu generieren.
Der Bericht aus Bremen war überaus spannend und informativ. Lisa Baumann und Dmitri Zelini von der Linksfraktion zeigten Möglichkeiten (und Grenzen) auf, wie eine starke linke Stimme im Gemeinderat/Senat Einfluss auf die Entwicklung einer solidarischen Stadtgesellschaft nehmen kann.

Helfen wo andere wegschauen: Die Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung (MMM)

 

Podium der Veranstaltung “GESUNDHEIT!”: v.l. Marike Andreas und Billa Lais (Modeation), Jasmin Zart (Malteser Medzin für Menschen ohne Krankenversicherung), Dennis Ulas (Die Linke, Fraktionsvorsitzender der LI.PAR.Tie.), Ralf Heller (BR-Vorsitzender UMM, Vorsitzender DGB-Kreisverband), Hanna Hoffmann-Böhm (Stadträtin Die Linke). Bild ©helmut.roos[at]web.de

Eine eindrückliche Schilderung von medizinischer Unterversorgung in Mannheim lieferte Jasmin Zart, Leiterin der MMM. Dort finden Menschen, die keine Krankenversicherung haben, ÄrztInnen und Ärzte, die  Erstuntersuchungen, die Grundversorgung und die medizinische Beratung bei Erkrankung, Verletzung oder einer Schwangerschaft übernehmen. Es kommen vor allem Bürger aus den neuen EU-Mitgliedsländern, die in Deutschland nicht krankenversichert sind, aber auch Deutsche, z. B. Selbständige, die ihre private Krankenversicherung nicht mehr bezahlen können. Der Anteil an Schwangeren und Kindern ist hoch. Präventionsmaßnahmen, wie Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen, sind ebenfalls wichtig. Das Angebot ist für die Patientinnen und Patienten kostenlos und wird aus Spenden finanziert, das medizinische Personal engagiert sich komplett ehrenamtlich.

Ein konkretes Beispiel von Frau Zart zeigt, dass diese Versorgung oft elementar ist für dir Teilnahme am öffentlichen Leben: Die MMM impft Kinder gegen Mumps, Masern und Röteln. Ohne diese Impfung werden die Kinder nicht in Kita oder Schule aufgenommen. Ihnen ist der Weg ins Bildungssystem  somit sehr erschwert. Auch während der Covid-19 Pandemie kümmerte sich die MMM darum, dass Menschen die schützende Covid-19 Impfung auch ohne Krankenversicherung bekamen, d.h. „niederschwellig“.
Seit Beginn dieses Jahres gibt es bei den Maltesern eine Clearingstelle (50%-Stelle vom Land befristet für 1 Jahr gefördert). Hier wird mit Betroffenen nach eventuellen Wegen in die gesetzliche Krankenversicherung gesucht.
Die LINKE in Mannheim setzt sich dafür ein, dass dieses Projekt  langfristig von der Stadt getragen wird. Ebenso wie ein von der MMM geplantes neues Projekt, den ‚Anonymen Krankenschein‘, mit dessen Hilfe im Einzelfall ein Teil der entstandenen Kosten aus einem städtischen Etat finanziert würde. Diese finanziellen Hilfen sind dringend notwendig, da der Spendenfluss in der derzeitigen gesellschaftlichen Situation deutlich nachlässt.
Ein langfristiges Ziel muss sein, dass alle Menschen einen Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung bekommen, was nur durch den Umbau des gesamten Systems durch Schaffung einer Bürgerversicherung für alle möglich wird.

Uniklinik Mannheim: Wie geht es weiter?

Das Mannheimer Universitätsklinikum ist ein Krankenhaus der universitären Maximalversorgung und wird von der Stadt Mannheim betrieben. Seit 1969 ist in Mannheim die zur Universität Heidelberg gehörende Medizinische Fakultät Mannheim angesiedelt.
Dieses Modell ist bundesweit einzigartig und verursacht hohe Kosten für den Klinik- und Forschungsbetrieb. Normalerweise werden größere Anteile der anfallenden Kosten vom Land übernommen, nicht jedoch in Mannheim. Die Stadt Mannheim als Betreiberin des Klinikums muß die Verluste ausgleichen. Das erfordert jährlich hohe Kosten aus dem Stadthaushalt. Daraus entstanden Planungen zu einem Verbund mit der Heidelberger Uniklinik.
2023 hat nach langwierigen Entscheidungsprozessen die Landesregierung einen Verbund des Mannheimer Klinikums mit der Heidelberger Uniklinik beschlossen. Gegenwärtig prüft das Bundeskartellamt dieses Vorhaben. Es wird damit gerechnet, dass zum Ende dieses Jahres die Prüfung abgeschlossen ist.

Ralf Heller, Betriebsratsvorsitzender des Klinikums und Vorsitzender des DGB Kreisverbandes, schildert in seinem Beitrag den von aufoktroyierten Sparzwängen und eklatantem Personalmangel geprägten Alltag im Klinikum.

Die Krankenhausfinanzierung in Deutschland ist zweigeteilt. Die Bundesländer sind nicht nur für die bedarfsgerechte Krankenhausplanung zuständig, sondern auch für die notwendigen Investitionskosten. Dieser Verpflichtung kommen die Länder seit vielen Jahren nur sehr unzureichend nach. In Baden-Württemberg lediglich zu 50-60%. Die Krankenhäuser kompensieren fehlende Investitionsmittel durch Einsparungen an den Personalkosten
Ralf Heller fordert in seinem Beitrag, dass das Land Baden-Württemberg endlich seinen Verpflichtungen zur 100%igen Übernahme der Kosten für Investitionen nachkommen soll. Aufgrund der alten Baulichkeiten und fälliger Neubauten des Klinikums stehen enorm hohe Investitionskosten an (mehr als 200 Mio. Euro).
Eine weitere Forderung von Ralf Heller: Abschaffung des DRG-Systems (Diagnostic Relations Groups)! Seit mehr als 10 Jahren schadet dieses Abrechnungssystem den Patient*innen und vielen Krankenhäusern. Allen Krankenhauspatient*innen wird je nach Diagnose eine DRG zugeordnet. Nach diesen Fallpauschalen werden die Krankenhäuser bezahlt. Je mehr Patient*innen also in kurzer Zeit versorgt werden, desto profitabler. Das führt dazu, dass viele Krankenhäuser, die nicht maximal gewinnorientiert arbeiten, rote Zahlen schreiben. Krankenhäuser, die viele lukrative Fälle behandeln und gleichzeitig geringe Kosten haben, können sich so einen finanziellen Vorteil verschaffen. Durch die aktuell diskutierte Krankenhausreform wird das DRG-System immer noch nicht abgeschafft, sondern lediglich eingeschränkt.
Wesentliche Forderungen des Betriebsrates: Bedarfsgerechte und gemeinwohlorientierte Finanzierung des Klinikums, allgemeinverbindlicher Flächentarifvertrag TVÖD/TV-L für alle Bereiche im Klinikum; Wiedereingliederung der „Servicebereiche“ ins Klinikum; gesetzliche Personalbemessung für alle Berufsgruppen; keine Verschlechterung für das Personal durch einen Verbund mit der Heidelberger Uniklinik.

Hannah Hoffman-Böhm, Stadträtin der LINKEN im Gemeinderat und Mitglied im Aufsichtsrat der Mannheimer Uniklinik unterstützt die Forderungen des Betriebsrates und der Gewerkschaft Ver.di. Für die LINKE steht fest: Mit Gesundheit dürfen keine Profite erwirtschaftet werden!
Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, bessere Bezahlung, bezahlbarer Wohnraum, ausreichende Kitaplätze: All das sind Maßnahmen, um dringend erforderliches Personal zu halten und zu gewinnen.

Die sich anschließenden, angeregten Diskussionen zeigten, welch hoher Stellenwert einer guten gesundheitlichen Versorgung für ALLE in einer solidarischen Stadtgesellschaft beigemessen wird. Der AK Gesundheitspolitik wird weiter an diesen Themen arbeiten und mit ihren Ergebnissen die Linken im Gemeinderat auch in der kommenden Wahlperiode unterstützen.

(AK Gesundheit Die Linke KV Mannheim)