Beeindruckende Friedensbotschaft beim Antikriegstag 2024 mit dem Konzert von ewo²
Lieder gegen den Krieg – Matinee und Konzert mit ewo²
Der DGB Mannheim/Rhein Neckar, die NaturFreunde Mannheim und der KdA/Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt der evangelischen Kirche haben zusammen mit dem KDA Katholischer Dienst in der Arbeitswelt, dem Friedensbündnis Mannheim und der DFG/VK am 1. September anlässlich des Antikriegstags zu einer kulturpolitischen Matinee in das Ökumenische Bildungszentrum sanctclara eingeladen.
Das Anliegen
Die Veranstalter wollen dazu beitragen, „den Frieden trotz schwierigster Rahmenbedingungen und widersprüchlicher Perspektiven dennoch gestalten zu können“. Die Veranstaltung am Antikriegstag solle ein solcher Beitrag sein, ebenso ein gemeinsamer Aufruf von DGB Mannheim/Rhein-Neckar, Naturfreunde, KdA und VVN-BdA zur bundesweiten Friedensdemonstration am 3. Oktober in Berlin. Der Titel „An die Mannheimer Bürgerinnen und Bürger Mannheims und der Metropolregion: Friedensgebot mit Leben füllen – kriegerische Gewaltspirale durchbrechen!“ macht das Anliegen deutlich. Nimmt man die Teilnehmerzahl für diese Veranstaltung zum Maßstab, findet dieses Anliegen offensichtlich großen Zuspruch. Nicht alle der etwa 100 Besucher konnten einen Sitzplatz ergattern und mussten stattdessen im Vorraum stehen über die geöffnete Tür die Veranstaltung verfolgen. (siehe auch KIM-Artikel Heißer Herbst? Aktionen der Friedensbewegung gegen Kriege und Hochrüstung)
Die Veranstaltung
Neben einem hochwertigen und spannenden musikalischen Beitrag von Bernd Köhler, Joachim Romeis und Laurent Leroi von der Gruppe ewo² gab es nach einer Begrüßung durch Ulrike Süss von den Naturfreunden Mannheim einführende Reden von Sabine Leber-Hoischen, stellvertretende Vorsitzende des DGB Mannheim/Rhein-Neckar, von Maximilian Heßlein, Wirtschafts- und Sozialpfarrer vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt und von Hansi Weber von den Naturfreunden Mannheim.
Die Reden
Die Reden waren zwar kurz, die Kultur sollte diesmal im Vordergrund stehen, die Reden wussten aber durch ihre Intensität und Prägnanz das genau zuhörende Publikum offensichtlich zu überzeugen.
Leber-Hoischen mahnte:
„Die Welt gerät aus den Fugen, die Gewaltspirale dreht sich und es wird immer schwerer, dem Einhalt zu gebieten. Selbst die Vereinten Nationen sind nahezu handlungsunfähig. Wir brauchen dringend ein gemeinsames Vorgehen, um den Grundstein für eine neue internationale Friedensordnung zu legen. Es ist höchste Zeit, die Eskalation militärischer Gewalt zu beenden.
Dafür braucht es eine Koalition von Staaten, die es zur Prämisse ihrer Außen- und Sicherheitspolitik machen, Konfliktursachen frühzeitiger zu erkennen und an der Wurzel zu bearbeiten.“
Sie forderte die Bundesregierung alle demokratischen Oppositionsparteien auf, das Friedensangebot des Grundgesetzes mit Leben zu füllen. Schon in der Präambel heißt es:
„Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.“
Statt dessen beklagte sie eine auch in Deutschland in Gang gesetzte Aufwärtsspirale bei den Rüstungsausgaben. „Mit 2,4 Billionen Dollar sind die globalen Rüstungsausgaben so hoch wie nie. Hierzu erwarten wir neue Initiativen auf europäischer und internationaler Ebene – der zerstörerischen Logik des Wettrüstens muss Einhalt geboten werden!“
Maximilian Heßlein stellte die von Bertold Brecht gestellte Frage „Wessen Morgen ist der Morgen? Wessen Welt ist die Welt?“ in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Nach den furchtbaren Erfahrungen von Krieg und Faschismus und 85 Jahre nach dem 1. September 1939, als der Krieg von Deutschland in die Welt getragen worden sei, stelle sich die Frage wieder neu. Das im Grundgesetz verankerte Friedensgebot gipfele in dem Satz „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. In diesem Sinne heiße es auch in der Bibel „Wir sind alle Kinder Gottes“ oder anders gesagt: Alle Menschen sind gleich.
Heßlein stellt ernüchtert fest, dass solche Sätze immer mehr zu leeren Floskeln verkommen.
Wir erleben auch in Deutschland die Rückkehr der Normalität des Militärs und einen neuen Vorrang des Krieges vor der Diplomatie.
Wir erleben verwüstetes Land und auf Dauer vernichtetes Leben in der Ukraine, in Gaza, in Israel, in Kurdistan, im Sudan, jetzt auch im Westjordanland und zunehmend in Russland.
Wir erleben die Ankündigung neuer Stationierungen von Raketen in Deutschland, ohne dass überhaupt gesellschaftlich auch nur ansatzweise darüber gesprochen werden konnte.
„Wessen Morgen ist der Morgen? Wessen Welt ist die Welt?“ Die Antwort von Heßlein:
„Der Morgen und die Welt müssen den Menschen gehören. Allen Menschen, nicht nur ein paar Privilegierten, die in Reichtum und Macht hineingeboren wurden! Das ist die Lehre aus der Deutschen Geschichte und das ist auch meine Überzeugung als Christ und Streiter für den Frieden.“
Das Konzert
Für die Veranstaltung hat Bernd Köhler eigens das musikalische Programm zusammengestellt. Im Vordergrund standen natürlich Friedens- und Antikriegslieder aus ganz verschiedenen Zeitepochen. Los ging es über das 1988 komponierte Lied „“Linker Vogel, schräger Kauz“. „Der Winter kommt“, Friedenslied, „Unser Marsch ist eine gute Sache“, der schon von den ersten Ostermarschierern in den 50/60 er Jahre des letzten Jahrhunderts besungen worden ist. Und „ich bin Soldat und bin es nicht gerne“, „Die hellen Nächte“, Nie wieder Krieg“ waren ein überzeugender Ausdruck im ewigen Kampf für Frieden. Und immer wieder schlugen die Musiker einen Bogen zur aktuellen Lage, in der der Kampf für Frieden und gegen Abrüstung dringlicher denn je geworden sei.
Bei Bernd Köhler, der seinen Gesang normalerweise mit einer Gitarre begleitet, kam auch ein Banjo zum Einsatz, ein Relikt aus Köhlers Zeiten bei „Resistance“ und dem Alstom-Chor. Bei genauerem Hinsehen konnte man sehen, dass das Banjo aus Stahlteilen von Alstom fabriziert worden ist. Ein originelles Unikum.
Besonders beeindruckend und unter die Haut gehend war das von Mordechaj Gebirtig auf Jiddisch getextete Lied „S`brennt“. Der Text hat den Holocaust schon vorausgesehen. Gebirtig selbst ist 1942 im Ghetto in Krakau umgebracht worden. Bernd Köhler hat das Lied mit einer beeindruckenden Behutsamkeit und Intensität gesungen. Romeis mit seiner Geige und Leroi auf Akkordeon überzeugten mit ihren Instrumenten, die durch eigenständige Improvisationen beeindruckten und weit mehr als eine reine Begleitung waren. „Sie waren schon immer gut, sie werden aber immer noch besser“, so dachten Viele über ewo² und dachten gleichzeitig an einen guten alten Wein, der immer noch besser wird.
Besondere Zeitzeugen
Unter den Zuschauern konnte Bernd Köhler die in Mannheim sehr bekannte Zeitzeugin Karla Spagerer begrüßen, die als junges Mädel von 13 Jahren Frauen und Männer der Widerstandsgruppe um Georg Lechleiter noch persönlich kannte. Es war bewegend als sie sagte: „Ich werde in einigen Wochen 95 Jahre alt. Ich bin dankbar für jeden Tag, an dem ich morgens aufwache, um über meine konkreten Erfahrungen im Krieg und im Faschismus zu berichten. Um vor dem Gift alter und neuer Nazis zu warnen.“
Am Schluss konnte man sich noch bei Getränken und leckeren kleinen Häppchen, zusammengestellt von Carola Fromm von den NaturFreunden, erfreuen und manches Gespräch führen.
Roland Schuster