Auch für Mannheim wichtig: Unterschied der Erst- und Zweitstimme bei den Bundestagswahlen

Bundestagswahlen 2025 – Informationen zur Bedeutung der Erststimme und Zweitstimme

Immer wieder habe auch ich die Erfahrung gemacht, dass es bei der Bundestagswahl Unklarheiten über die Bedeutung der Erststimme und Zweitstimme gibt. Hierzu folgende Informationen.

Entscheidend für die Zusammensetzung des Bundestags ist ausschließlich das prozentuale Ergebnis der Zweitstimmen.

Wer will, dass die LINKE in den Bundestag, sollte diese Partei mit der Zweitstimme wählen. Es ist ja bekannt, dass es mit dem Einzug in den Bundestag knapp werden könnte, da hierfür mindestens 5% der Zweitstimmen erforderlich sind. Unter bestimmten Vorrausetzungen kann es aber auch bei einem Ergebnis von unter 5% zum Einzug in den Bundestag reichen: Mit Gregor Gysi in Berlin, Bodo Ramelow in Erfurt und Dietmar Bartsch in Rostock kandieren drei prominente linke Politiker als Direktkandidaten. Wenn sie mit der Erststimme die relative Mehrheit der Erststimmen erreichen, sind sie als Direktkandidat gewählt. Das Bundeswahlgesetz sieht vor, dass eine Partei, die mindestens drei Direktmandate gewinnt, in den Bundestag einzieht. Somit könnte die LINKE in den Bundestag einziehen, auch wenn sie weniger als 5% der Zweitstimmen erzielt.

Für das Bündnis Sahra Wagenknecht BSW gilt ebenfalls: Wer will, dass das BSW in den Bundestag einzieht, sollte diese Partei mit der Zweitstimme wählen. Es gibt wohl keine Aussicht, mit Direktkandidaten in den Bundestag einzuziehen. Nach den meisten Wahlprognosen wird die BWS wahrscheinlich die 5%-Hürde überschreiten und somit in den Bundestag einziehen.

Welche Regierungskoalition ist absehbar? Überlegungen zur Abgabe der Zweitstimme

Nach den derzeitigen Wahlprognosen werden nur drei Regierungskoalitionen möglich sein, die eine Aussicht auf eine parlamentarische Mehrheit und damit auf eine Regierungsbildung haben. Die CDU wird mit Merz an der Spitze die Kanzlerpartei stellen, da sie mit Abstand die meisten Stimmen haben wird. Da sie aber von der absoluten Mehrheit der Mandate weit entfernt sein wird, hat sie keine „Kanzlermehrheit“ und ist auf Koalitionspartner angewiesen. Das können nur vier Parteien sein. Zum einen die FDP, von der es aber fraglich ist, ob sie überhaupt die 5%-Hürde schafft. Und für die Kanzlermehrheit würde es auch nicht reichen. Dafür kommen theoretisch drei Parteien in Betracht: AfD, SPD und GRÜNE. Zwar hat Merz im Vorfeld eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen. Ob diese Aussage eine lange Halbwertszeit hat, ist mehr als fraglich, nachdem Merz erklärt hat, in der Verschärfung der Migrationsgesetze mit allen, also auch mit der AfD zusammenzuarbeiten. Bliebe die SPD und die Grünen. Man kann sich vorstellen, was ein kriegsbereites Gespann Merz/Pistorius bzw. ein nicht weniger kriegsbereites Gespann Merz/Baerbock für die Bundespolitik bedeutet. Manche werden dann vielleicht mit einer gewissen Wehmut an den großen Zauderer Scholz zurückdenken.

Dann lieber doch die LINKE wählen. Auch wenn ihre Konturen in den letzten Jahren für Viele nicht mehr so deutlich erkennbar waren, steht sie doch für eine andere Sozial-, Steuer, Wirtschafts- und Friedenspolitik, die sich deutlich von den genannten Parteien unterscheidet. Der Endspurt in den letzten Wochen kommt hoffentlich nicht zu spät.

Auch wenn das BSW in der Migrationspolitik in das Horn der anderen Parteien (außer der Linken) hineinbläst, so hat sie in der Außenpolitik und in Kriegs- und Friedensfragen und bzgl. der angeblich alternativlosen Aufrüstungspolitik Positionen, die dem herrschenden Mainstream entgegengesetzt sind.

Es bleibt zu hoffen, dass beide Parteien, sowohl die LINKE als auch das BSW, im nächsten Bundestag zugegen sind. Damit im nächsten Bundestag nicht nur eine rechtsextreme Opposition, die momentan leider nicht zu verhindern ist, sondern eine linke Opposition vertreten ist.

Wenn die Zweitstimme die entscheidende Stimme ist, welche Bedeutung hat dann überhaupt die Erststimme?

Die Erststimme entscheidet, welcher Kandidat das Mannheimer Direktmandat bekommt. Dafür ist die relative Mehrheit der Stimmen notwendig.

Für diese Mehrheit kommen realistisch gesehen nur vier Kandidaten in Frage: Melis Sekmen (CDU), Isabel Cademartori (SPD), Nina Wellenreuther (GRÜNE) und Heinrich Koch (AfD).

Melis Sekmen scheidet in diesem Rennen von vornherein aus. Selbst wenn sie die Mehrheit der Stimmen erringen sollte, bekommt sie nicht das Direktmandat. Der Grund? Nach der Wahlrechtsänderung 2023/24 werden Direktmandate nur zugeteilt, wenn sie durch den Zweitstimmenanteil pro Bundesland gedeckt sind. Da die CDU in Baden-Württemberg vermutlich die Mehrheit der Direktmandate aber nicht die Mehrheit der Stimmen erzielen wird, wird sie trotz Mehrheit der Erststimmen in einigen Wahlkreisen ohne Direktmandat bleiben. Betroffen hierbei sind die Kandidaten mit dem relativ schlechtesten Wahlergebnis. Es ist absehbar, dass Melis Sekmen mit den CDU-Hochburgen im ländlich geprägten Baden-Württemberg nicht mithalten wird. Pech für die Aufsteigerin Sekmen, dass die Wahlrechtsänderung erst nach ihrem Parteiwechsel so absehbar war. Der Slogan, mit dem Sekmen auf ihren Wahlplakaten wirbt – „Beide Stimmen für die CDU“ – ist irreführend und nutzt für das Erststimmen-Ergebnis, wenn überhaupt Jemandem, der AfD.

Dass Nina Wellenreuther als Newcomerin die relative Mehrheit der Stimmen erreicht, ist eher unwahrscheinlich. Ihr Listenplatz auf der grünen Landesliste ist nicht so gut, dass auch ein Einzug über die Landesliste sehr unwahrscheinlich erscheint.

Sollte die LINKE den Einzug in den Bundestag schaffen, hat Gökay Akbulut, die Direktkandidatin der LINKEN, eine Chance den Wiedereinzug in den Bundestag über die Landesliste der LINKEN zu schaffen. Sie wird dort auf einem vorderen Rang (Listenplatz 3) geführt.

Favorisiert für das Direktmandat erscheint die bisherige Mannheimer Bundestagsabgeordnete Isabel Cademartori (SPD). Sie hatte das Direktmandat schon bei der letzten Bundestagwahl erzielt. Sie scheint aber auch über die Landesliste soweit abgesichert, dass auch der Einzug über die Landesliste gelingen könnte. Zudem hat Cademartori in verschiedenen politischen Fragen, z.B. in der Sozial-, Innen- und Außenpolitik sich wohltuend durch Kompetenz und eigene Meinung ausgezeichnet, die auch mal von der offiziellen Parteilinie abweicht. Erinnert sei an ihr Abstimmungsverhalten und ihre Stellungnahme bei der Abstimmung der sog. Antisemitismus-Resolution im Deutschen Bundestag. So hätte Cademartori ein neuerliches Mandat aus meiner Sicht durchaus verdient. Doch wer weiß das schon? Insider ausgenommen.

Bei Nähe betrachtet ist ein solches Ergebnis aber kein Selbstläufer. Wir erinnern uns an die Landtagswahl 2016, als ein in Mannheim gänzlich unbekannter AfD-Kandidat im Wahlkreis Mannheim-Nord mit 23 % die meisten der Stimmen erzielen konnte und damit einen der zwei Wahlkreise für die AfD in Baden-Württemberg direkt erringen konnte. Die anderen Kandidaten der SPD, GRÜNE, CDU, FDP und LINKE haben die Stimmen schön unter sich aufgeteilt landeten alle hinter der AfD.

Genau genommen haben bei der jetzigen Bundestagwahl nur zwei Kandidaten eine realistische Chance auf den Einzug. Nämlich Isabel Cademartori (SPD) und der Mannheimer Stadtrat Heinrich Koch (AfD). Koch scheint auf der Landesliste so abgesichert zu sein, dass er auch ohne Erringung des Direktmandats über die Landesliste in den nächsten Bundestag einziehen wird. Wenn es gut für ihn läuft, hat er aber auch die Chance auf das Direktmandat. Die AfD befindet sich ja bekannter Maßen im Aufwind. Wenn es schlecht läuft für die SPD in Mannheim und in Baden-Württemberg, ist es nicht ganz auszuschließen, dass Cademartori nicht nur das Direktmandat sondern auch den Einzug über die Landesliste verfehlt.

Den politischen Super-GAU gilt es für Mannheim zu verhindern.

Das Szenario wäre dann folgendes: Mit Heinrich Koch von der AfD hätte Mannheim wieder einen rechtsextremen Abgeordneten, im negativsten Fall sogar als alleiniger Abgeordneter und mit Direktmandat. Die AfD mit Führungs- und Gestaltungsanspruch für Mannheim. Das wäre der politische Super-GAU für Mannheim.

Leider nicht auszuschließen. Man bedenke das Ergebnis der Landtagswahl 2016. Das sollten alle Parteien und deren Wählerinnen und Wähler im Kopfe haben, wenn sie am 23. Februar bei der Bundestagswahl ihre Erststimme abgeben.

Um es deutlich zu sagen: Wer die Zweitstimme an die LINKE, BSW, SPD, GRÜNE, FDP, CDU, Tierschutzpartei, VOLT, Die Partei etc. vergibt, sollte aus guten demokratischen Erwägungen heraus mit der Erststimme Isabel Cademartori wählen.

Roland Schuster