Kundgebung zum Tag der politischen Gefangenen

Grußworte von Inhaftierten und Aufrufe zur Solidarität

Über 60 Menschen folgten am 16. März 2025 dem Aufruf zur Kundgebung „Freiheit für alle politischen Gefangenen!“ auf dem Mannheimer Marktplatz. Die Rote Hilfe Heidelberg/Mannheim, das Offene Antifa-Treffen Mannheim (OAT) und die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD) hatten die Aktion anlässlich des Tags der politischen Gefangenen gemeinsam veranstaltet. Transparente machten die Forderungen nach Freilassung der inhaftierten linken Aktivist*innen schon von Weitem sichtbar. Zahlreiche Reden und ein Informationsstand vermittelten viele Details zum Thema.

Zum Auftakt wurde ein Grußwort des Bundesvorstands der Roten Hilfe e. V. verlesen, das auf die über hundertjährige Geschichte des Datums einging: Bereits 1923 hatte die Internationale Rote Hilfe den 18. März zum Tag der politischen Gefangenen erklärt und zu Solidaritätsaktionen aufgerufen. Diese Tradition wurde 1996 von der Roten Hilfe e. V. wiederbelebt und wird seither von vielen Antirepressionsgruppen unterstützt. Und das Thema ist heute erschreckend aktuell: Nicht nur weltweit sind Tausende wegen ihres politischen Engagements in Haft, sondern auch hierzulande sind die Zahlen in den letzten Monaten angestiegen: Die Rote Hilfe zählt dutzende politische Gefangene in Deutschland, weshalb der Bundesvorstand zu praktischer, politischer und finanzieller Solidarität aufrief.

Den zweiten Beitrag bildete ein Grußwort des Rechtshilfefonds Azadî, der aktuell sechzehn kurdische Gefangene betreut, die als Mitglieder der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verfolgt werden und in Untersuchungs- oder Strafhaft sind. Konkret vorgeworfen wird diesen Kurd*innen nur legale politische Vereinsarbeit, zum Beispiel die Organisierung von Festen oder Demonstrationen, Spendensammlungen und Redebeiträge. Um die Beziehungen zum türkischen Regime zu pflegen, verfolgen die deutschen Behörden diese Aktivitäten aber als „terroristisch“.

Der gefangene Antifaschist Zaid aus Nürnberg hatte zum 18. März ebenfalls eine Ansprache verfasst, die als dritte Rede verlesen wurde.

Nach einer kurzen Pause, in der die Sonderzeitungen zum Tag der politischen Gefangenen verteilt und der Infostand besucht wurde, folgte ein längerer Beitrag der Roten Hilfe Heidelberg/Mannheim. Er gab einen Überblick über verschiedene Gruppen von politischen Gefangenen in Deutschland und zitierte jeweils aus Grußworten, Briefen und Prozesserklärungen einzelner inhaftierter Aktivist*innen.

Den Anfang machten die kurdischen Gefangenen, die mit dem Vorwurf der PKK-Mitgliedschaft verfolgt und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt werden. Das betrifft inzwischen nicht mehr nur Kurd*innen, die hierzulande aktiv sind: Seit etwa zwei Jahren stellt Deutschlands auch Auslieferungsersuchen an andere europäische Staaten und kommt damit den Forderungen der Türkei nach, die EU-weit ein schärferes Vorgehen verlangt. Sechs Kurden wurden seither hierher ausgeliefert und vor deutschen Gerichten angeklagt. Zu ihnen gehört Mehmet Çakas, der im Frühjahr 2023 aus Italien an Deutschland ausgeliefert und 2024 zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt wurde.

Im April 2024 machte Çakas vor Gericht deutlich, dass die Justiz gegen ihn und gegen andere kurdische Aktivist*innen offensichtlich politisch motiviert vorgeht:

„Ich hätte mich gerne gegen die Vorwürfe verteidigt und gezeigt, dass ich persönlich zu den Zeiten und an den Orten, die Gegenstand der Anklage sind, keine illegalen Handlungen begangen habe. Aber die Anklageschrift konzentriert sich auf die kurdische Bewegung und nicht darauf, ob ich in Deutschland illegal gehandelt habe oder nicht. (…) Aus der Anklageschrift selbst geht hervor, dass nicht ich persönlich angeklagt bin. Angeklagt ist die kurdische Bewegung.“

Während die sechzehn Kurd*innen zahlenmäßig die größte Gruppe von politischen Gefangenen in Deutschland stellen, bilden Antifaschist*innen die zweitgrößte Gruppe: Aktuell sind zwölf linke Aktivist*innen in Haft, weil sie sich den braunen Umtrieben engagiert entgegengestellt haben. Die meisten der gefangenen Antifas sind im Budapest-Komplex beschuldigt: Sie alle sollen sich im Februar 2023 an körperlichen Auseinandersetzungen mit Nazis in Budapest beteiligt haben. Seither gehen die ungarischen und die deutschen Behörden international gegen die Beschuldigten vor. Viele Betroffene tauchten deshalb unter, um der drohenden Auslieferung an Ungarn zu entgehen, wo bis zu 24 Jahre Haft unter katastrophalen Bedingungen drohen.

Derzeit sitzen zehn Antifaschist*innen aus dem Budapest-Komplex in Deutschland in Haft: Hanna wurde im Mai 2024 in ihrer Nürnberger Wohnung verhaftet und steht seit Februar in München vor Gericht. Johann wurde im November 2024 verhaftet, nachdem er zuvor jahrelang untergetaucht gewesen war. Einen besonderen Fall stellt Tobi dar: Er war gleich im Februar 2023 in Budapest verhaftet und in Haft zu einem Teilgeständnis genötigt worden, weshalb er eine relativ kurze Gefängnisstrafe bekam. Bei Ende der Haft beantragten die deutschen Behörden aber seine Auslieferung, sodass er seit 20. Dezember in Deutschland in Untersuchungshaft sitzt.

Am 20. Januar 2025 stellten sich zeitgleich sieben Antifaschist*innen, die im Budapest-Komplex gesucht wurden und fast zwei Jahre lang untergetaucht waren. Clara, Luca, Moritz, Nele, Paul, Paula und Zaid verfassten im Vorfeld eine gemeinsame Erklärung:

„Als einige gesuchte Antifaschist:innen haben wir uns heute an verschiedenen Orten in Deutschland unseren Verfahren gestellt. Wir wissen nicht, ob die deutschen Behörden uns an die rechtsautoritäre Regierung Ungarns ausliefern werden. Der potenzielle Auslieferungswille ist Ausdruck einer länderübergreifenden Jagd auf Antifaschist:innen. Die deutschen sowie die ungarischen Behörden sind gewillt, hart gegen antifaschistische Praxis durchzugreifen.

Der Vorwurf versuchter Tötungsdelikte, der vom Generalbundesanwalt gegen einige von uns erhoben wird, ist eine politisch motivierte Eskalation und an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Er dient (…) der Abschreckung und Legitimation des Vorgehens gegen antifaschistische Praxis. Es ist offensichtlich, dass die gegenwärtige antifaschistische Bewegung nicht darauf ausgerichtet ist, Nazis zu töten – und das ist auch dem Generalbundesanwalt bekannt.“

Die hier angesprochene drohende Auslieferung ist nämlich nicht so abwegig wie es wirken mag: Das zeigte sich im Fall von Maja. Die non-binäre Person aus Jena wurde Ende 2023 in Berlin verhaftet und im vergangenen Juni in einer rechtswidrigen Nacht- und Nebel-Aktion an Ungarn überstellt – nur Stunden, bevor das Bundesverfassungsgericht die Auslieferung untersagte.

Seither ist Maja unter unsäglichen Bedingungen in Ungarn im Gefängnis: Verpflegung und Hygiene sind katastrophal, Maja ist in Isolationshaft, und die Möglichkeiten, sich auf den Prozess vorzubereiten, sind minimal. Am 6. März begann der Gerichtsprozess, in dem bis zu 24 Jahre Haft drohen. Im Vorfeld bedankte sich Maja in einem Brief für die Solidarität:

„Auf so vielen unterschiedlichen Wegen hat mich in den letzten Jahren eure Solidarität erreicht und bereichert mit Kraft, Mut und Zuversicht.
Es scheint mir mal wieder, als hätte ich viel zu selten den Dank, den ich dafür verspüre, in Worte gefasst. Dank euch bleiben die Utopien farbenfroh, gehalten in zärtlichen Händen, deren Wille nicht bricht.“

Weil ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Auslieferung von Maja als rechtswidrig bezeichnet hat, ist die Gefahr für die meisten beschuldigten Antifaschist*innen gebannt. Der Aktivist Zaid ist allerdings kein deutscher Staatsbürger, weshalb zumindest ihm weiterhin die Auslieferung an Ungarn droht. Dagegen richtet sich aktuell eine Kampagne unter dem Motto „No Extradition!“

Anschließend wurden noch zwei weitere antifaschistische Gefangene erwähnt, darunter neben Nanuk auch Nico aus Stuttgart, dessen Grußwort zum 18. März ebenfalls verlesen wurde. Darin betonte Nico ebenfalls die Bedeutung der Unterstützung von außen:

„Als Gefangener ist es sehr wichtig, Solidarität zu erfahren und zu spüren. Solidarität gibt einem das direkte Gefühl und Wissen, dass man nicht alleine ist und die Bewegung hinter einem steht.“

Für die beiden Aktivist*innen der türkisch-kommunistischen DHKP-C, die derzeit in Deutschland in Haft sind, kam die Journalistin Özgül Emre zu Wort. Auch diese Partei wird als „terroristische Organisation im Ausland“ von der deutschen Justiz verfolgt. Unmittelbar vor ihrer Verurteilung im November 2024 prangerte sie die Verfolgungen des türkischen Staates und die weltweiten Kriege an, die als der wahre Terrorismus zu betrachten seien:

„Ich bin ein Teil der unterdrückten Völker. (…)

Ich bin keine „ Terroristin“, sondern das Ziel, das Opfer des Terrorismus.

Ich bin jene, die gegen diesen „Terror“ kämpft.

Ich bin jene, die versucht, für das Volk eine Barrikade gegen diesen „Terror“ zu sein.“

Zuletzt ging der Beitrag auf die seit einem Jahr inhaftierte Daniela Klette ein, die beschuldigt wird, zur letzten Generation der Stadtguerilla RAF gehört zu haben. Am 25. März soll der erste Prozess beginnen, in dem es zunächst um einige Geldbeschaffungsaktionen geht.

Für die Rosa-Luxemburg-Konferenz im Januar 2025 verfasste Daniela Klette ein Grußwort:

„Niemand, der als Teil der emanzipatorischen und revolutionären Linken eingesperrt wird, wird einfach wegen seiner angeblichen oder tatsächlichen Taten zur Gefangenschaft gezwungen. Wir sitzen alle aufgrund des staatlichen Willens, die Geschichte revolutionärer Kämpfe zu delegitimieren, und zur Abschreckung der Kämpfe der Zukunft im jahrelangen Elend der Gefängnisse. (…) In diesem Sinne ist der Justizprozess gegen mich ein Prozess gegen eine emanzipatorische, linksradikale und antikapitalistische Opposition.“

Zum Abschluss der Kundgebung folgten Redebeiträge der Antifaschistischen Initiative Heidelberg und des Offenen Antifa-Treffens Mannheim. Beide gingen nochmals besonders auf die Repression gegen die antifaschistische Bewegung und die steigende Zahl antifaschistischer Gefangener ein. In Zeiten einer immer stärkeren Rechtsentwicklung werde Antifaschismus immer notwendiger, aber auch die Verfolgung nehme weiter zu. Mit einem Appell zu aktiver Solidarität schloss die Kundgebung.

Damit waren die Veranstaltungen zum Tag der politischen Gefangenen aber noch nicht beendet: Am 17. März zeigten die Rote Hilfe Heidelberg/Mannheim und das OAT Mannheim im Stadtteilladen Ewwe longt‘s den Film „Tearing Walls Down“, der gefangene kurdische Politikerinnen in der Türkei vorstellt. Im Café Gegendruck in Heidelberg organisieren die Rote Hilfe Heidelberg/Mannheim und die Antifaschistische Initiative zudem am 24. März den Vortrag „Contra la Repression: Der Budapest-Komplex“: Hier geht die Soligruppe Free Hanna auf die Verfolgung von Antifaschist*innen und den Prozess gegen die Nürnbergerin Hanna ein.

Text & Bilder: Rote Hilfe OG Heidelberg-Mannheim