Von Bürgern, Bäumen und Bebauung

Steven Kunz – Am Samstag, den 5. September, protestierten einige Bürgerinnen und Bürger gegen die anstehende Fällung von sieben Kastanienbäumen am Quadrat T 5. Die Bäume stehen zur Fällung an, weil das Quadrat ab Ende des Jahres bebaut und hierbei die Baulinie auf ihre Vorkriegslage vorgezogen werden soll.

Initiiert wurde die Protestaktion von der neu gegründeten „Bürgerinitiative“ SOS Stadtbaum Mannheim.

Nun sind derlei Proteste ja en vogue und durchaus berechtigt, wenn sich die Tatsachen mit den Argumenten und Behauptungen der Protestierenden decken. Unbestritten stimmt es beispielsweise, dass große Bäume für das Mikroklima in der Innenstadt sehr wichtig und sie deshalb nach Möglichkeit zu erhalten und zu schützen sind. Unbestritten kann es aber auch sein, dass es Umstände gibt, die bei sorgfältiger Abwägung dazu führen, dass Baumfällungen gerechtfertigt werden können, wenn dafür ein Projekt entsteht, das in seinem Ergebnis für eine positive ökologische Bilanz steht. Die Beplanung von T 4 / T 5 sieht um beide Quadrate herum und in den Innenbereichen, sowie auf dem Quartiersplatz auf T 4, Neupflanzungen von insgesamt bis zu 50 Bäumen vor. Die Flachdächer sollen mit einer Erdauflage von bis zu 1,20 Metern versehen und entsprechend bepflanzt werden. Evtl. werden auch noch Fassadenbegrünungen vorgenommen. Alle diese Maßnahmen gleichen den Verlust der großen Bäume aus und dass die Baulinie von T 5 auf ihre Vorkriegslage wieder vorgezogen wird, auch dafür gibt es gute Gründe.

Stellt man nun die Argumente und Behauptungen der „Baumschützer“ zum Projekt T 4 / T 5 diesen Tatsachen gegenüber, ergibt sich schnell der Eindruck rein wutbürgerlicher Stimmungsmache. Wie etwa bei dem, was im MM vom 7. September zu lesen war, wo SPD-Altstadtrat Robin Kähler behauptet, „wir“ seien Objekte geworden und nicht mehr Bürger, „wir“ würden selektiv informiert werden und was das überhaupt für ein Menschenbild „uns“ Bürgern gegenüber sei. Ja, das fragt sich der Autor dieses Artikels auch, beim Lesen von derlei Unsinn.

Es ist nämlich schon atemberaubend, wie es Herr Kähler und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter schaffen, den bei den Planungen des Projekts durchgeführten, beispielgebenden bürgerschaftlichen Beteiligungsprozess und die Berichterstattung hierzu in den Medien komplett zu ignorieren und stattdessen so zu tun, als habe allein eine profitgierige Betonmafia an der Öffentlichkeit und dem Gemeinderat vorbei, aber mit willfähriger Unterstützung der Stadtspitze, heimlich alle Strippen gezogen.

Tatsache dagegen ist, dass es seit 2010 bis heute eine umfassende Bürgerbeteiligung gab, die allen Interessierten offen stand. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger haben sich im Zuge des gesamten Entwicklungsprozesses erfolgreich eingebracht. Unter anderem hat die bürgerschaftliche Planungsgruppe dafür gesorgt, dass der Quartiersplatz entsteht, die zahlreichen neuen Bäume gepflanzt werden und dass kein KFZ-Verkehr zwischen T 4 und T 5, sowie zwischen den S 4 / S 5 und den T4 / T 5 – Quadraten durchgeführt wird. Außerdem waren auch zwei Leute der Gruppe Mitglied im Preisgericht, das den Sieger des Architektenwettbewerbs, der für T 4 / T5 durchgeführt wurde, kürte. Es entbehrt daher jeder Grundlage, wie die Protestierenden auf den Putz hauen und alles als Lug und Trug darstellen. Dabei werden noch diejenigen verhöhnt, die sich fünf Jahre lang intensiv in die Planungen eingebracht haben. Aber niemand kann etwas dafür, dass die selbsternannten „Baumschützer“ seit 2010 offensichtlich narkotisiert gewesen sein müssen und von allem nichts mitbekommen haben. Der gesamte Werdegang des Projekts wurde vom MM auch stets mit detaillierter Berichterstattung begleitet. Wenn man denn wollte, könnte man Informationsdefizite ausgleichen. Aber daran liegt den Protestierenden offensichtlich nichts. Denn es könnte ja die vorgefertigte Meinung erschüttern. Wir die Guten, dort die Bösen, die uns immer hintergehen. Das schlichte Weltbild will schließlich gepflegt sein.

Und es geht nicht nur um die Bäume selbst. Das wäre einfach zu wenig. „Wir“ wollen auch keine weitere Innenverdichtung, so wird die bei solchen Aktionen niemals fehlen dürfende Ursel Risch in oben angeführtem MM-Artikel zitiert. Was heißt das nun konkret ? Gar keine Bebauung auf T 4 / T 5 ? Oder nur eine, die Frau Risch und Anhang passt ? Das ist schon seltsam mit diesen Leuten, zu denen zum Beispiel. auch Ex-OB-Kandidat Christian Sommer zählt. „Wir“ wollen mehr Wohnungen, vor allem bezahlbare. Aber leider niemals dort, wo sie gebaut werden sollen. Im Innenbereich nicht, auf Spinelli nicht, in der Offizierssiedlung Franklin Village nicht, in Franklin Village selbst auch nicht und am Rande des vorgesehenen BUGA-Geländes schon gar nicht. Ein paar Hausboote auf Rhein und Neckar werden die stetig steigende Nachfrage nach Wohnraum aber kaum befriedigen können, zumal unter Berücksichtigung der derzeitigen massiven Zuwanderung.

Die Quadrate T 4 und T 5 waren schon seit 300 Jahren dicht bebaut. Nun sollen dort wieder ca. 250 Wohnungen mit so viel Grün wie oben bereits beschrieben entstehen. Die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner leben im Übrigen dann dort, wohin sie sonst zum Einkaufen häufig mit KFZs aus den Bereichen herfahren würden, wo die Rischs und Kählers wohnen.

Die Anmaßung der Protestierenden, sie seien im Besitz der alleinigen Wahrheit und Erkenntnis und sie würden alleinig „die“ Bürgerinnen und Bürger vertreten, speist sich wohl eher aus ihrer Lautstärke und medialen Unterstützung, als aus tatsächlichen Mehrheiten. Denn es gibt zahlreiche Leute, gerade aus der Unterstadt, die die Bebauung, wie sie jetzt kommen soll, begrüßen. Sie machen aber kein Spektakel aus ihrer Einstellung.

Der Bezirksbeirat Innenstadt / Jungbusch hat in seiner öffentlichen Sitzung im Juli diesen Jahres mit großer Mehrheit eine Resolution zur geplanten Bebauung von T 4 / T 5 verabschiedet, die die Zusammenhänge ebenfalls gerade rückt (s. Kasten).

Resolution des Bezirksbeirats Innenstadt / Jungbusch zu den Planungen auf T 4 / T 5

Unmittelbar nach der Entscheidung, dass die Sickingerschule auf dem Doppelquadrat T 4 / T 5 abgerissen werden soll, begann sich eine bürgerschaftliche Arbeitsgruppe im November 2010 mit den Planungen zu befassen, wie die Neubebauung des frei werdenden Areals zukünftig aussehen könnte. Diese Gruppe war für alle offen und war stets eng in die städteplanerischen Fortschreibungen und den ausgeschriebenen Architektenwettbewerb eingebunden. So konnte sie wesentlich auf die Entwürfe Einfluss nehmen. Unter anderem waren auch zwei Mitglieder der Gruppe im Preisgericht vertreten, das den Siegerentwurf auswählte.

Im Mai 2015 wurden dann das neue Investorenteam für T 5 bei einer Vorortbegehung und einer öffentlichen Versammlung vorgestellt. Die anwesenden Mitglieder des Bezirksbeirats haben die Planungen der Investoren zustimmend zur Kenntnis genommen. Es gab zwar auch bei dieser Versammlung aus den Reihen des Publikums Widerspruch, aber die Bezirksbeiräte haben klar darauf hingewiesen, dass nach mehr als vier Jahren Planung ein tragfähiger Kompromiss gefunden wurde und dass nun auch schnellstmöglich mit den eigentlichen Baumaßnahmen begonnen werden sollte.

Der Widerspruch lässt nach wie vor nicht nach und äußert sich u. a. in mehreren Leserbriefen in der Tagespresse. Hauptkritikpunkt ist, dass wegen der Bebauung auf T 5, die sich an der ursprünglichen Baulinie der Vorkriegsbebauung orientiert, sieben große Kastanienbäume gefällt werden sollen.

Dem Bezirksbeirat ist durchaus bewusst, dass große Bäume wichtig für das Stadtklima sind. Klar ist aber auch, dass ein Projekt nicht allein am Fällen von sieben Bäumen festzumachen ist, sondern an dem, was letztendlich insgesamt entstanden sein wird.

Auf T 4 wird ein Quartiersplatz mit rund 1500 qm Fläche entstehen, auf dem gemäß des Entwurfs mehr als 20 Bäume gepflanzt werden sollen. Um das gesamte Doppelquadrat werden, soweit nicht noch vorhanden, weitere Bäume gepflanzt. Im Fußgängerbereich zwischen T 4 und T 5 sind ebenfalls Baumpflanzungen vorgesehen, genauso wie im Innenhof von T 5. Insgesamt könnten so ca. 50 neue Bäume das Doppelquadrat aufwerten. Außerdem sollen die Dächer der neuen Häuser begrünt werden. Sicher, die neuen Bäume haben am Anfang noch nicht die ökologische Qualität wie große Bäume. Aber schon nach einigen Jahren dürfte der entstandene Verlust mehr als ausgeglichen sein. Und wenn man einen Zeitraum von 50 Jahren nimmt, diesen sogar weit mehr als ausgeglichen haben.

Im Übrigen würde das Zurückverlegen der Baulinie auf T 5, um die Kastanienbäume zu erhalten, nicht mehr Grünfläche schaffen, weil dadurch der Innenhof von T 5 schmaler werden würde. Das kann man aber nach Ansicht der Kritiker den zukünftigen Bewohnern offensichtlich ruhig zumuten. Ganz nebenbei gingen dabei aber auch noch acht bis zehn Wohnungen in den schmaleren Querriegeln verloren.

Der Bezirksbeirat unterstützt deshalb den gefundenen Kompromiss und die vorliegende Planungen. Diese Planungen können nun nicht noch einmal von vorne beginnen, zumal die Ökobilanz des Projekts letztendlich positiv sein wird.

Mannheim, den 29. Juli 2015