Specht und Proffen legen den Doppelhaushalt 2025/26 vor – „Kein gewöhnlicher Haushalt“?
„Wir bringen diesen Doppelhaushalt in herausfordernden Zeiten ein“ beginnt OB Christian Specht (CDU) seine Haushaltsrede. „Die konjunkturellen Prognosen haben sich deutlich eingetrübt. (…) Wir spüren dies auch in Mannheim sehr konkret bei der Entwicklung der Gewerbesteuer. Nach dem derzeitigen Stand bleibt die Gewerbesteuer im Jahr 2024 22 Mio. € unter den Planungen. Daher ist dies kein gewöhnlicher Haushalt und auch keine gewöhnliche Etatrede.“ (Die Mindereinnahme beträgt 22 von 412,8 Mio. EUR.)
Man fragt sich unweigerlich: Wann war jemals ein Haushalt „gewöhnlich“? Finanz- und Wirtschaftskrise 2008. 2014 „Hygieneskandal“ am Universitätsklinikum Mannheim mit katastrophalen Folgen, deren strukturelle Behebung bis heute die Kommunalfinanzen in Mannheim an die Grenzen bringt, „Flüchtingskrise“ 2015 und Pandemie 2020ff, als im Grunde überhaupt keine verlässlichen Haushalte aufgestellt werden konnten mit unkalkulierbaren Einnahmeeinbrüchen und ungewissen Hilfen des Bundes. Auf der anderen Seite enorme Investitionsanforderungen in Kitas, Schulen, Verkehrswende, Energiewende und aufgrund des Sanierungsstaus in Infrastruktur und Gebäude. Gewöhnlich war da nichts – aber es gab doch immer wieder erstaunliche Aufschwünge bei den Einnahmen aufgrund hoher Gewerbesteuereinnahmen, so dass bereits 2019 und 2022 Haushaltsüberschüsse von jeweils deutlich über 100 Mio. EUR erzielt wurden. Das Investitionsniveau erreichte bis zu 250 Mio. EUR pro Jahr.
Nun also lt. Specht „im Kern die Frage, wie wir bei zurückgehenden Erträgen und steigenden Aufwendungen und Auszahlungen, also in finanzpolitisch stürmischen Zeiten, unseren Bürgerinnen und Bürgern, unseren Unternehmen und unseren Institutionen Sicherheit und Perspektive geben können. Dies ist der Anspruch, der sich mit diesem Haushalt verbindet.“
Proffen zeigt, wie sich die Liquidität aus heutiger Sicht höllenwärts bewege, weit unter die gesetzliche Mindestliquidität:

Quelle: Stadt Mannheim, Rede des Bürgermeisters Dr. Proffen.
Als ein Grund wird die erwähnte Abwärtsentwicklung der Gewerbesteuereinnahmen genannt, als anderer Grund die erhebliche Zunahme der Pflichtaufgaben insbesondere im sozialen Bereich sowie die Zunahme des städtischen Personals und die Höhe der letzten Tarifabschlüsse. Und bei den laufenden Investitionen verteuern sich die tatsächlichen Baukosten durchschnittlich um ein Drittel gegenüber der ursprünglichen Planung.
Dennoch kündigt Specht an, dass nach ersten Vorberechnungen der Ergebnishaushalt 2024 mit einem Gesamtergebnis i. H. v. 102,4 Mio. EUR abschließe (ordentliches Ergebnis 43,9 Mio. EUR, Sonderergebnis 58,5 Mio. EUR.) Dies stelle eine Verbesserung in Höhe von 65,3 Mio. EUR dar, im Vergleich zum Planansatz 2024 in Höhe von 37,1 Mio. EUR. Nicht besetzte Planstellen tragen zu dieser „Ergebnisverbesserung“ sicher bei.
Wie will Specht der prognostizierten Talfahrt des Haushalts begegnen?
Immerhin schwant ihm, dass das nach bereits drei Haushaltskonsolidierungen in den letzten 15 Jahren nicht einfach werde: „Weitere wesentliche Einsparungen im Ergebnishaushalt sind daher nicht kurzerhand zu erbringen. Trotzdem wird die Stadtverwaltung verstärkt und mit Nachdruck neue und weitere Kosteneinsparungen anstreben. Dazu zählt insbesondere eine optimierte Flächennutzung in allen Bereichen der Stadtverwaltung, eine stringente Prozessoptimierung und Aufgabenkritik sowie die konsequente Nutzung der Digitalisierungspotentiale.“
„Aufgabenkritik“
Über das schon in den 80er Jahren gerittene Pferd „Aufgabenkritik“ äußert er sich nicht weiter. Er lässt offen, von welchen Aufgaben (natürlich nur im „freiwilligen Bereich“) er sich trennen möchte. Konkrete Streichungen kündigt er mit seinem Haushaltsentwurf nicht an. Die richtig dicken Posten liegen ohnehin im Bereich der Pflichtaufgaben. Die kann er nur gegenüber Berlin und Stuttgart kritisieren, was Proffen in seiner Rede auch tut. Bei den freiwilligen Aufgaben, die für alle in nicht kommunalen Institutionen Tätigen von größtem Interesse sind, (also in der Liste „Leistungen an Dritte“), gibt es kaum Veränderungen. Die Beträge sind im großen Ganzen so hoch wie in den Jahren zuvor, meistens für die nächsten vier Jahre nicht dynamisiert, also angesichts der Inflation auf die stille Arte abschmelzend. Es gibt nur wenige Einrichtungen, wie das Nationaltheater oder den Stadtjugendring, die eine Dynamisierung für sich durchgesetzt haben, im Gegensatz beispielsweise zur Stadtpark Mannheim gGmbH. Auffällig ist jedoch, dass das Queere Zentrum, das bisher mit 100.000 EUR unterstützt wurde, in den Jahren ab 2026 mit Null eingetragen ist. Neu aufgenommen ist dagegen die Förderung Schule-Beruf mit 307 TEUR. Die Abendakademie muss künftig statt mit 3,5 Mio, Betriebskostenzuschuss mit 3,0 Mio. EUR zurechtkommen. Das wird unweigerlich zu Gebührenerhöhungen führen, zumal die Miete für die Abendakademie bei einem privaten Investor munter weitersteigt.
Es ist damit zu rechnen, dass die Parteien der rechten Seite hier an der einen oder anderen Stelle „Aufgabenkritik“ üben werden. So hat die AfD ja schon angekündigt, dass sie die Streichung der Unterstützung für das Jugendzentrum in Selbstverwaltung beantragen möchte. Lt. Mannheimer Morgen hat der Fraktionsvorsitzende der CDU, Claudius Kranz, der AfD gleich mal erläutert, wie sie das richtig formulieren muss. Zuletzt hatte sich Niklas Löbel darin versucht, das JUZ per Haushaltsantrag zu schließen. Damals, bei rot-grün-roter Mehrheit vergebens, selbst einige CDU Stadträte, die sich nicht informiert fühlten, stimmten dagegen.
Investitionen sollen gestrichen werden, z.B. die Neuerrichtung der Stadtbibliothek
Spechts Ausweg: Das Investitionsprogramm stutzen, um Posten, die er vielleicht für nice to have hält. Da wäre z.B. die Multihalle: Deren Sanierungskosten von ursprünglich 14 Mio EUR werden inzwischen auf 50 Mio. EUR veranschlagt. Das ist in der Tat eine Kostensteigerung, die schwer zu verkraften ist. Specht schlägt dem Gemeinderat vor, nur noch die Sanierung der Dachkonstruktion der großen Halle abzuschließen. Das heißt, dass bei der kleinen Halle „pausiert“ wird – um sie nach der Pause dann vielleicht sogar abzureißen, da baufällig? Auch der geplante Einbau einer Gastronomie wäre damit erledigt und erst recht die Errichtung eines Glaskubus am Halleneingang als klimatisierbarem Veranstaltungsort. Die Rettung des weltbekannten Kulturguts Multihalle hatte Specht ohnehin nie gefallen.
Er nennt als weitere zu überprüfende Projekte den Umzug des Forums der Jugend in die U-Halle auf Spinelli (20 Mio. EUR), die weitere Sanierung des Herschelbades und die Errichtung des Kombibades auf dem Standort Carl-Benz-Bad im Waldhof.
Und dann natürlich auch das Projekt neue Stadtbibliothek auf dem Platz des Parkhauses N2, welches abzureißen wäre. Er möchte einen Prüfungsauftrag für die Möglichkeit beschließen lassen, ob die Bibliothek nicht in dem denkmalgeschützten Problembau N1 durch Umbau bleiben könnte. Damit wäre zum einen das geliebte Parkhaus N2 gerettet. Tatsächlich hat Specht auch starke Argumente: Die Baukostenschätzungen liegen nicht mehr bei 33 sondern bei 75 Mio EUR. Allerdings liegen noch keinerlei Schätzungen vor, was eine funktionstüchtige zukunftsfähige Bibliothek in dem Problembau N1 kosten würde einschließlich ein paar Jahre Ersatzunterbringung. Aber neuerdings bemüht Specht auch ein ökologisches Argument: „Es wäre ein Ausweis nachhaltiger Politik, wenn es gelänge, das bestehende Gebäude N1 so weiterzuentwickeln und zu ertüchtigen, dass es heutigen und kommenden Generationen als Ort der Bildung, der Kommunikation und der Zusammenarbeit dient. Dies wäre ein Beleg, dass wir den schonenden Umgang mit Ressourcen nicht nur propagieren, sondern wo immer möglich auch umsetzen.“ Wow! Das sah man (allerdings bei der GBG) gerade noch anders, als es um die Sanierung der Bestandsgebäude auf Spinelli Südost ging anstelle des Abrisses. Die guten Argumente der Bürgerinitiative gegen den Abriss wurden da noch vom Tisch gewischt Aber wir sind ja ein lernendes System!
Bodenpolitik und Wohnen
Dass Mannheim jährlich 1.000 neue Wohnungen nicht zuletzt wegen der Zunahme der Einwohner*innenzahl braucht, verkündet Specht in seiner Haushaltsrede durchaus. Im „Vorbericht“ des Haushaltsplans werden auch nach wie vor brav die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele und die 7 strategischen Ziele des Leitbildes Mannheim 2030 zitiert. Dort findet sich auch eine Äußerung, dass Mannheim einen hohen Bedarf vor allem an leistbaren Wohnungen hat: „Die Wohnungspolitische Strategie definiert eine Perspektive zur möglichen Schaffung preisgünstigen Wohnraums in Ergänzung zum stadtweit entstehenden höherpreisigen Wohnungsneubau. Die Berücksichtigung preisgünstigen Wohnraums im Wohnungsneubau stellt einen wichtigen Faktor zur Schaffung einer stabilen Mischung im Quartier dar und beugt Segregation vor. Bei der Schaffung von neuem Wohnraum gilt es Entwicklungsperspektiven zu erarbeiten, ohne weitere Flächen zu verbrauchen.“ Man darf gespannt sein, welche Zukunft die 30%-Sozialquote im Wohnungsbau noch hat.
Ansonsten liegt die kommunale Aufgabe der sozialen Wohnungsversorgung in Händen der GBG und ist somit nicht Gegenstand des städtischen Haushalts. Die Aufgabe einer sozialgerechten Bodenpolitik liegt jedoch bei der Stadt und müsste vom Haushalt kräftig unterstütz werden. Der vor sieben Jahren ins Leben gerufene Bodenfonds kümmert vor sich hin. Zwar sind für jedes Haushaltsjahr 2 Mio. EUR für den Ankauf von Böden und Immobilien eingeplant. Aber genauso 2 Mio. EUR aus dem Verkauf. Das Zustandekommen einer nutzbaren Bodenreserve kann mit diesem Nullsummenspiel sicher nicht funktionieren. Wie seit Jahren weist auch dieser Haushalt ein jährliches „Sonderegebnis“ von 8,5 Mio. EUR aus Grundstücksverkäufen aus, quasi eine Flüssig-Kapitalspritze. Selbst die Konversion der Otto-Bauder-Sportanlage in Seckenheim wird durch Verkauf statt in Erbpacht bewerkstelligt, um 5,8 Mio EUR zu generieren. Ein wesentliches Startkapital für den Bodenfonds resultierte aus dem Buchgewinn beim Verkauf des Collinicenters an die Deutsche Wohnwerte. Der Kaufvertrag wurde inzwischen aufgelöst, da DW angesichts der Preissteigerungen nun doch nicht bauen wollte. Damit liegt das Grundstück wieder bei der Stadt und das Geld im Bodenfonds ist weg. (Es wird übrigens noch spannend, ob am Ende das Collinicenter aus Nachhaltigkeitsgründen (s.o. N1) nicht doch umgebaut statt abgerissen wird. Die Stadt hat es in der Hand.) Der erneute Verkauf(sversuch) des Hochhauses ist allerdings schon wieder mit Einnahmen von 9,5 Mio EUR eingepreist.
Die brennendsten Probleme ohne Aussicht auf schnelle Lösung
Die brennendsten und meist diskutierten Probleme in der Stadt: die Wohnungs- und damit auch Bodenpolitik und die Kita-Versorgungsmängel nebst Schulsanierungen und Neubauten haben keine Aussicht, schnell gelöst zu werden.
Die Anstrengungen bei der Kitaversorgung sind enorm, was die Errichtung neuer Gebäude und die Gewinnung qualifizierten Personals betrifft. Neben PIA, der besonderen Ausbildung für Erzieherinnen, die selbst Kinder haben, wird die Stadt in drei Schritten bis 2025 30 Erzieher*innen aus Spanien einstellen. Auch die Festzusagen eines Betreuungsplatzes für neu eintretende Erzieher*innen habe die Rückkehr von 90 qualifizierten Kräften bewirkt. Aber die Lücke klafft weiter und es werden nun trägerübergreifend seit September die Betreuungszeiten reduziert, um dadurch mehr Plätze mit Personal ausstatten können. Ein echtes Dilemma.
Negative Überraschungen nicht ausgeschlossen
Haushaltsberatungen unter der neuen rechten Mehrheit können noch zu Überraschungen führen, wenn diese Mehrheit verschlimmbessernde Anträge einbringt. Risikofelder sind beispielsweise die Wohnungs- und Bodenpolitik mit Angriffen auf das 12-Punkteprogramm und einer Schwerpunktverschiebung auf Ein- und Zweifamilienhäuser. Ebenso Angriffe auf Einrichtungen, die man nicht schätzt, weil sie vielfaltsbetont sind, Geflüchteten helfen oder dem Kampf für Demokratie, gegen Rechts verbunden sind (Zuwendungen an Dritte). Auch Gebührenerhöhungen sind nicht ausgeschlossen.
Eine Mobilisierung gegen solche Tendenzen würde dann notwendig, was auf kommunalpolitischer Ebene etwas aus der Übung gekommen ist.
Thomas Trüper