Quo vadis Mannheim? – Stellungnahme der Gemeinderatsfraktion LTK
In Mannheim drohen Stillstand, sozialer Kahlschlag und AfD-Jubel
Nach den letzten Wahlen und der Entwicklung rund um das Uniklinikum stehen soziale und ökologische Projekte unter Druck. Im Herbst beginnt im Gemeinderat und vielleicht auch auf der Straße das große Ringen um die sensiblen Stellen der Stadt. Es droht ein sozialer Kahlschlag und ökologischer Stillstand. Die Hände reiben dürfe sich, wenn es dumm läuft, die AfD als Teil neuer Mehrheiten.
Drohender sozialer Kahlschlag mit Hilfe der AfD
Der vom Bundeskartellamt abgelehnte Verbund der Unikliniken Mannheim und Heidelberg ist trotz der Hoffnung auf eine sogenannte Ministererlaubnis der finanzielle GAU. Mannheim wäre auch im Fall eines Verbundes weiterhin zuschusspflichtig gewesen, doch nun drohen finanzielle Verpflichtungen im dreistelligen Millionenbereich – pro Jahr! Das bedeutet, dass der Haushalt der Stadt extrem unter Druck gerät und alle Ausgaben auf den Prüfstand kommen. Im Dezember verhandelt der Gemeinderat ohne „rot-rot-grüne“ Mehrheit über den Entwurf für den Doppelhaushalt 2025/2026. „R₂G“ konnte in den vergangenen Jahren zumindest für einige soziale Projekte die Finanzierung gegen die rechte Seite des Rats verteidigen. Diesmal ist zu befürchten, dass Grüne und SPD bereits im Vorfeld auf viele diesbezügliche Haushaltsanträge verzichten werden und die Fraktion LTK (Die Linke, Tierschutzpartei, Klimaliste) für noch mehr Anliegen als früher LI.PAR.Tie. keine Mehrheiten bekommen wird, was zwangsläufig zu massiven Kürzungen oder sogar dem Aus für etliche soziale Einrichtungen führen würde. Das kann z.B. die Wohnungslosenhilfe, Suchthilfe, Gesundheitseinrichtungen, Sexualberatung und vieles mehr betreffen.
Und selbst wenn die beiden großen Mitte-links-Fraktionen nicht selbst den Rotstift ansetzen, drohen Abstimmungsniederlagen gegen die rechte Seite des Gemeinderats – wo die AfD sich über ihre Rolle als dringend benötigte Mehrheitsbeschafferin freuen dürfte. Denn ohne die bei der Kommunalwahl im Juni erstarkte AfD-Fraktion haben CDU, ML und FDP/MfM selbst mit der Stimme des Oberbürgermeisters – CDU-Mann Christian Specht – keine Mehrheit. Damit könnte der AfD eine tragende Rolle in der Stadtpolitik zufallen. Das wäre ein Angriff von rechts gegen die sozialen Errungenschaften der Stadtgesellschaft. Wenn sich das Szenario abzeichnen sollte, wäre eine Reaktion der progressiven Kräfte (auch) auf der Straße notwendig. Die Aufwertung und Etablierung der AfD im konservativ-bürgerlichen Lager wäre nicht hinnehmbar.
Wohnen bleibt zu teuer
Mit dem Rückzug des Investors Deutsche Wohnen aus dem Teilabriss und Neubau des Collini-Centers ist zu befürchten, dass die rechte Seite des Gemeinderats versuchen wird, die Sozialquote von 30 Prozent für bezahlbaren Wohnraum bei diesem Projekt zu kippen. Das heißt, dort würden nur hochpreisige Wohnungen entstehen. Und das, obwohl in der Stadt ohnehin ein massiver Mangel an bezahlbarem Wohnraum für untere und mittlere Einkommen herrscht. Im schlimmsten Fall wird der Gemeinderat die Sozialquote generell aufheben. Wohnen wird noch mehr zur Luxusware, Protest dagegen ist über den Gemeinderat hinaus aus den Erfahrungen der letzten Jahre nur in geringem Umfang zu erwarten.
Stillstand bei der Verkehrswende
Schon mit der Wahl von Christian Specht zum Mannheimer OB im Sommer 2023 ist die ohnehin sehr lahme Verkehrswende endgültig ins Stocken geraten. Der Verkehrsversuch Innenstadt wurde faktisch komplett einkassiert, die Verabschiedung des Masterplans Mobilität Mannheim 2035, der in einem mehrjährigen Prozess mit Hilfe externer Planungsbüros entwickelt wurde, ist auf nicht absehbare Zeit hinausgezögert. Damit sind wichtige Weichenstellungen für Verbesserungen im ÖPNV und der gesamten Verkehrsplanung auf Eis gelegt. Dass selbst kleine Einschränkungen für den KFZ-Verkehr vermeintlich durch das OB-Büro verhindert werden, zeigt die Neuordnung der Parkplätze am Schillerplatz in den Quadraten. Entgegen der Planung der Fachverwaltung wurden Parkplätze auch rundum auf der Platzseite gegenüber den Häusern eingezeichnet. Der Autoverkehr – sowohl der fließende wie der ruhende – hat absoluten Vorrang für die konservativ-rechte Mehrheit in der Mannheimer Kommunalpolitik. Da selbst die SPD am Flughafen festhält, wird auch in diesem Punkt die Verkehrswende kaum vorankommen. Die Klimaziele der Stadt, die bei sehr kleinem Budget ohnehin nur mit extrem optimistischen Annahmen zu erreichen wären, rücken in immer weitere Ferne. Wenn die Tendenz der letzten zwei Jahre anhält, wird dagegen nur verhaltener Widerstand auf der Straße zu erwarten sein. Das Thema Klimawandel steht in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mehr an erster Stelle, obwohl objektiv die Dringlichkeit täglich wächst.
Problemfälle Krippe, Kita und Schule
Was viele Mannheimer Eltern tagtäglich beschäftigt und mache zu schierer Verzweiflung bringt, ist der akute Mangel an Betreuungsplätzen für Kinder in Krippen und Kitas. Die Verwaltung bemüht sich zwar sehr engagiert um Abhilfe, doch das Problem des Personalmangels im Erzieher*innen-Bereich lässt sich nicht von heute auf morgen aus der Welt schaffen. Auch der Rückzug der Kirchen als die größten freien Träger verhindert eine Entspannung im Angebot. Dass da nur noch Taschenspielertricks wie die generelle Reduzierung der Öffnungszeiten in allen städtischen und kirchlichen Kitas das System am Laufen halten, treibt den ganz überwiegend berufstätigen Eltern die Zornesröte ins Gesicht. Die Situation trifft nebenbei überwiegend Frauen, da Mütter eher als Väter die Arbeitszeiten reduzieren oder den Job ganz aussetzen, um sich um die Kinder zu kümmern. Außerdem wird die soziale Ungleichheit bei den Bildungschancen verstärkt, da Plätze am ehesten in Einrichtungen privater Träger mit sehr hohen Elterngebühren zu bekommen sind. Wer nicht bis zu fast 2.000 Euro im Monat für zwei Kinder in der Kita bezahlen kann, hat dann eben Pech gehabt.
Das ist nicht die einzige Schieflage im Bildungsbereich. Der schleppende Ausbau von Gemeinschaftsschulen, die vielen alljährlich abgewiesenen Bewerber*innen für die IGMH, der einzigen Gesamtschule der Stadt, und natürlich die Statistiken zum Bildungserfolg zeigen, dass Mannheim dringend ein höheres Maß an Bildungsgerechtigkeit braucht. Noch immer schneiden Schüler*innen aus ärmeren und aus nicht muttersprachlich deutschen Elternhäusern schlechter ab als z.B. aus Akademikerhaushalten. Außerdem fehlt im Mannheimer Süden komplett eine Schule von der Mittelstufe bis zum Abitur für alle, also am besten eine zweite IGMH oder zumindest eine Gemeinschaftsschule mit Oberstufe. Die Thematisierung in der Öffentlichkeit wird auch hier vor allem an der Fraktion LTK im Gemeinderat liegen, da trotz des lange anhaltenden Missstandes Proteste auf der Straße bisher ausblieben.
Der drohende unsoziale Doppelhaushalt, eine aufgewertete AfD, Bildungs- und Kitanotstand, weiter steigende Mietpreise und der Verkehrsstillstand kommen im Herbst auf die Stadt und insbesondere den Gemeinderat zu. Neben den Tierschutzthemen Wildtierauffangstation und tierschutzgerechte Einhegung invasiver Tierarten wie der Waschbär werden sich die LTK-Mitglieder verlässlich überwiegend mit diesen Themen befassen. Schwer einschätzbar ist – bis auf den Widerstand gegen die AfD – das Verhalten der Fraktionen von Grünen und SPD und der Stadtbevölkerung. Das hängt vom Maß der Verschärfungen und von möglichen weiteren, bis jetzt noch nicht absehbaren Faktoren ab. Eines dürfte jedoch feststehen: Das politische Klima wird auch in Mannheim rauer.
Stephan Bordt, Geschäftsführer der Fraktion LTK im Gemeinderat (Die Linke, Tierschutzpartei, Klimaliste)