Wegen gesundheitlicher Probleme – Prozess gegen NPD-Stadtrat Hehl vertagt
Der für Freitag, 4. November 2016 angesetzte Prozess gegen den Neonazi und NPD-Stadtrat Christian Hehl musste verschoben werden. Der Angeklagte erschien nicht vor Gericht. Über seine Verteidigerin ließ er mitteilen, er sei wegen Verdacht auf Herzinfarkt zur Untersuchung in einer Klinik. Richter Schmelcher unterbrach daraufhin die Verhandlung und teilte später mit, der Prozess werde nach Gesundung des Angeklagten fortgesetzt, aufgrund er Terminlage voraussichtlich nicht mehr in 2016.
Der Prozess ist in doppelter Hinsicht pikant. Einerseits wird ein absolutes Tabuthema in der rechten Szene juristisch aufgearbeitet. Dem NPD Funktionär wird vorgeworfen mit Drogen gehandelt und damit seinen Eigenkonsum finanziert zu haben. In den Jahren 2010 bis 2011 soll er Amphetamin verkauft haben. Die weitere Straftat “illegaler Waffenbesitz” – Hehl wird vorgeworfen Schlagringe und ein Springmesser besessen zu haben – fällt daher kaum noch ins (politische) Gewicht.
Zudem ist der späte Zeitpunkt des Prozesstermins auffällig. Die Taten liegen mehr als fünf Jahre zurück. Es ist ungewöhnlich, eine so lange Zeit mit einem Prozess zu warten. Bereits 2011 gab es eine Verhandlung am Amtsgericht Heidelberg, bei der Hehl auf der Anklagebank saß. Es ging damals um eine ganz andere Straftat, eine Aktion gegen den Heidelberger Lehrer Michael Csaszkóczy an dessen Schule in Eberbach. Beteiligte Nazis wurden im Nachgang verurteilt. Es ging um das Verteilen von rechter Propaganda, die als jugendgefährdend eingestuft wurde und um Beleidigung des Lehrers. Christian Hehl, der sogar als Sprecher in einem öffentlichen Video aufgetreten war, das die Aktion aus Sicht der Nazis dokumentierte, ging damals straffrei aus. Seine Kameraden allerdings, gegen die eine Beweisführung schwieriger war, bekamen Geldstrafen. Als Kommentar zu diesem unerklärlichen Umstand führte der Richter aus, diese Aktion würde bei Hehls zu erwartenden Strafmaß ohnehin nicht ins Gewicht fallen – möglicherweise eine Anspielung auf die weiteren Ermittlungen in Sachen Drogenhandel?
Zu einem Prozess kam es in der Zeit danach jedenfalls nicht. Nun, fünf Jahre später, doch ein Prozess. Hat die Justiz geschlafen? Gab es Verfahrensfehler? Gab es eine Zusammenarbeit mit Verfassungsschutz- oder Polizeibehörde? Wurde ein V-Mann Hehl vor Strafverfolgung geschützt und im Zuge des NPD Verbotsverfahrens fallen gelassen? Alle diese Diskussionen bewegen sich im Bereich der wilden Spekulationen. Ob das Verfahren am Amtsgericht hierzu weitere Erkenntnisse liefern kann, wird sich zeigen.
Verteidigt wird Christian Hehl von einer politischen Weggefährtin. Die Rechtsanwältin Nicole Schneiders studierte an der Uni Mannheim und wohnte in diesem Zeitraum auch in der Wohnung von Hehl in den S-Quadraten, ein Treffpunkt der rechten Szene. Zusammen organisierten die beiden Veranstaltungen des Neonazi-Netzwerks “Aktionsbüro Rhein-Neckar”, das ist den Jahren nach 2003 in der Region um Mannheim äußert aktiv war. Aktuell verteidigt Schneiders den NSU-Helfer Ralf Wohlleben, dem vorgeworfen wird, dem NSU die tödlichen Waffen besorgt zu haben. Auch Wohlleben ist ein politischer Weggefährte. Zusammen mit Schneiders war er im Vorstand des NPD Kreisverbandes Jena, der aufgrund der persönlichen Beziehungen und ArbeitsmigrantInnen wie Schneiders gut mit der Mannheimer Nazi-Szene vernetzt ist.
Der Prozess gegen Hehl wird voraussichtlich im Frühjahr 2017 fortgesetzt. Wie sich bis dahin der gesundheitliche Zustand des NPD Stadtrats entwickelt, bleibt abzuwarten. Im Notfallschein des ärztlichen Notfalldienstes war von einem “multimorbiden Patient” die Rede. Neben Problemen mit Herz und Lunge soll er auch an einer Augenerkrankung und Diabetes leiden.
Spannend ist außerdem, wie die rechte Szene mit der Person Christian Hehl weiter umgeht. Im Falle einer Verurteilung droht eine Gefängnisstrafe. Bisher hatte Hehl einen guten Stand und galt als Integrationsfigur mit Kontakten in alle Richtungen, zu NPD, Kameradschaften, Skinheads und rechten Hooligans. Ist er nachweislich ein verurteilter Drogendealer, dürfte ihn das untragbar machen.