12-Punkte-Programm Wohnen – CDU holt zum Gegenschlag aus: Eigentumsförderung statt bezahlbare Mietwohnungen
„Ergänzungsvorschläge/Erweiterung des 12-Punkte-Programms Wohnen“ überschreibt die CDU ihren Antrag (A137/2018) irreführend, mit dem sie das 12-Punkte-Programm Wohnen auf den Kopf stellen möchte. Der Untertitel lautet programmatisch: „Eigentumsbildung/Eigentumsförderung tut Not – Förderkulissen für Eigentumsförderung in Mannheim nutzen“. Der Antrag wurde am 26. Juni in den Gemeinderat eingebracht, und wird in einer der nächsten Sitzungen des Ausschusses für Umwelt und Technik beraten werden. Mit dem Antrag läuft sich die CDU zugleich warm für die Kommunalwahl im Mai 2019.
Den 12 Punkten setzt die CDU 9 Punkte entgegen.
Eigentum, Eigentum, Eigentum!
Punkt 1 enthält das unvermeidliche Bekenntnis zur „Wohneigentumsförderung für Familien mit Kindern“. Ausgangspunkt ist die gebetsmühlenartig bei jeder wohnungspolitischen Diskussion vorgetragene Behauptung, Mannheim leide unter „der völlig unterentwickelten Eigentumsquote“ (Punkt 2). Deshalb müsse zur Verbesserung der Eigentumsquote „wichtige Stadtarrondierungen mit Hilfe von Förderkulissen zur Wohneigentumsbildung in Gang gesetzt“ werden. Das heißt zum einen, die Siedlungsflächen der Stadt müssen extensiv nach außen hin erweitert werden (man denkt beispielsweise an Friedrichsfeld-Süd/Alteichwald, Wallstadt Nord/Ost, Hochstätt). Da die jungen Familien der CDU angeblich hauptsächlich nach möglichst freistehenden Eigenheimen schreien, ist der Flächenbedarf entsprechend hoch. Der CDU schweben neue Schlafquartiere am Rande der Stadt vor, sozial homogen und individualverkehrslastig, ein Schub der zusätzlichen Bodenversiegelung. Alles Model 50er und 60er Jahre.
Aber auch restliche Baulücken sowie Potenziale der Nachverdichtung in der Stadt hat die CDU im Blick. Sie sollen – wer hätte es gedacht – „vorrangig als Flächen zur Eigentumsförderung“ genutzt werden, „gemäß dem SGB-Grundsatz ‚Hilfe zur Selbsthilfe‘“ (Punkt 3).
Auch die GBG soll, so Punkt 4, ihre Wohnungsbautätigkeit „beim neuen Geschäftsfeld ‚Frei finanzierter Wohnungsbau‘ mit Neubau und Verkauf, alternativ zur objektbezogenen Förderung des sozialen Geschosswohnungsbaus, gleichberechtigt die Hilfen zur Eigentumsförderung und zur Vielfaltsentwicklung aus dem Wohnungsmarktsektor in unserer Stadt auf den Weg gebracht“ werden. Die CDU nennt beispielhaft die Zielgebiete Schönau-Nord-Ost und Neckarstadt-West.
In den Punkten5 und 7 widmet sich die CDU der Vergabe von Erbbaurechten. Im 12-Punkte-Programm soll die Gewährung neuer Erbbaurechte für solche Wohnungsbauunternehmen erfolgen, die sich verpflichten, preiswerten Wohnraum zu schaffen. Die Errichtung von Ein- und Zweifamilienhäusern ist nach geltender Satzung ausgeschlossen. Die CDU wünscht über die Vergabe von Erbbaurechten die Subjektförderung für selbstgenutztes Wohneigentum. Sie ruft in diesem Zusammenhang zum „Wettbewerb mit dem Umland“ auf, wohl wissend, dass die Grundstückspreise in einer Metropolenstadt wie Mannheim niemals mit denen im Umland konkurrieren können werden.
In Punkt 6 kommen die „Träger bzw. Investoren von gemeinschaftlichen Wohnprojekten, Genossenschaften und Bauträgergesellschaften, welche die Erstellung von selbstgenutztem Wohneigentum zum Ziel haben“ zu Ehren. Sie dürfen sich an Ausschreibungen zur Konzeptvergabe beteiligen und bestehende Förderangebote wahrnehmen. Abgesehen davon, dass Genossenschaften und in der Regel auch gemeinschaftliche Wohnprojekte kein selbstgenutztes Eigentum, also Eigentumswohnungen schaffen, – von neuen und zusätzlichen Förderinstrumenten ist hier nicht die Rede.
Grotesk mutet Punkt 8 an, der die Gefahren der „europäischen Binnenwanderung“ thematisiert (als Referenz an die AfD?) und auch hier die „Hinwendung zur Eigentumsförderung und Eigentumsbildung“ als Gegenmittel propagiert. Von welcher Gefahr ist die Rede? Natürlich „der Zuwanderung in die Sozialsysteme unserer Stadt und unseres Landes.“ Und was soll die Eigentumsförderung bewirken? Durch sie würden „Anreize geschaffen, dauerhaft in unserer Stadt zu leben und gleichzeitig aus der staatlichen Daseinshilfe herauszukommen.“ Staun! Diese Logik müsste sofort dazu führen, im JobCenter die Filiale einer Bausparkasse einzurichten, damit die Hartz-IV-Betroffenen über Eigentumsbildung rasch vom JobCenter unabhängig werden.
Nach diesem geistigen Höhenflug kommt in Punkt 9 noch schnell der Hinweis auf das unsinnige Baukindergeld der neuen Groko. Es müsse in das 12-Punkteprogramm eingearbeitet werden. Ein Programm, von dem welt online am 4.4.18 schlicht feststellt: „Dieser Milliardenzuschuss macht Wohnen noch teurer“.
Der Unsinn der Subjektförderung
Die CDU (ebenso wie die FDP) wird nicht müde, immer wieder die Objektförderung im Wohnungsbau anzugreifen und stattdessen eine personenbezogene Subjektförderung zu fordern. So auch in der Begründung zu ihrem Antrag. Subjektförderung versucht, die Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen durch persönliche Subventionen in die Lage zu versetzen, die vom Wohnungsmarkt geforderten Mieten oder auch Immobilienpreise zu zahlen, kosten sie was sie wollen. Im Grunde ist dies ein prima Subventionsprogramm für Immobilieneigentümer, für die die Nachfrage nach teuren Wohnungen künstlich gestärkt wird. Es handelt sich nicht um Marktberuhigung, sondern um Befeuerung der Preisexplosion.
Objektförderung ist hingegen der Versuch, auf dem Wohnungsmarkt ein Kontingent zu platzieren, das preisreduziert ist und somit der Preisexplosion entgegenwirken kann. Die Wirtschaftsliberalen argumentieren dagegen, dass dann die Investitionstätigkeit nachlässt, weil die Gewinnerwartungen zurückgehen. Das genau macht deutlich, dass mit reinen Marktgesetzen in der endlichen „Ware“ Boden und Wohnung nichts auszurichten ist. Daher die dringende Notwendigkeit öffentlicher Bauträger, von dem Gemeinwohl verpflichteten Genossenschaften und sonstigen Non—Profit-Unternehmen wie z.B. den Baugruppen des Mietshäusersyndikats. Daher auch die dringende Notwendigkeit, eine neue Gemeinnützigkeit für Wohnungsbauunternehmen wieder herzustellen, wenn sie denn gemeinwohlorientiert arbeiten.
Die Sache mit der Altersvorsorge durch Wohneigentum
Wenn Mieten explodieren und Baugeld so billig ist wie derzeit, ist Wohneigentum / Eigenheimbesitz tatsächlich für einen nicht ganz kleinen zur Mittelschicht gehörigen Teil der Gesellschaft tatsächlich eine Alternative. Der Schuldendienst kann dann bei entsprechendem Eigenkapital durchaus gleich teuer oder sogar günstiger sein als die Miete. Insbesondere die „Erbengeneration“ kann davon profitieren. Im Rentenalter, wenn das Eigentum abgezahlt ist, entfällt dann der Aufwand für Miete oder Schuldendienst. Allerdings werden auch diese Menschen, wenn sie jetzt kaufen, von den ungehemmt durch die Decke gehenden Immobilienpreisen in Mitleidenschaft gezogen.
Der Bedarf nach Alterssicherung durch Wohneigentum entspringt – das sollte niemals vergessen werden – der in den letzten 20 bis 30 Jahren eingeleiteten Abkehr vom Prinzip „Die Renten sind sicher“ und der zunehmenden Gefahr von Altersarmut trotz lebenslanger Berufstätigkeit. Insofern ist die Propagierung des Wohneigentums die kleine Schwester einer gezielten Schwächung der sozialen Sicherungssysteme. Von beidem profitiert die Finanzwirtschaft.
Die „soziale Schwäche“ Mannheims und der soziale Wohnungsbau– Huhn oder Ei?
Eine besondere analytische Glanzleistung der CDU ist folgender Befund in ihrer Antragsbegründung: „Die vom Kämmerer im Rahmen der Etatrede vorgelegte Darstellung zur Einkommensteuer je Einwohner bei den Stadtkreisen Baden-Württembergs weist eine eklatante Schwäche unserer Stadt bei den Finanzzuweisungen gegenüber den anderen Städten im Land auf. Allein die Abweichung von etwa 845 Euro gegenüber dem Durchschnitt der anderen Stadtkreise macht eine deutliche Strukturschwäche unserer Stadt deutlich.“ So weit so schlecht aber schon lange bekannt. Nun kommt die Ursachenforschung: „Ursache dieses Defizits gegenüber den anderen Gebietskörperschaften ist letztendlich die Einkommensstruktur der Bürgerschaft unserer Stadt und die langfristige Wohnungsbaupolitik sowie deren objektgeförderte Wohnungsbestände, die von der berechtigten Bürgerschaft genutzt werden.“ Abgesehen davon, dass die CDU der Industrie- und Dienstleistungsstadt Mannheim immer wieder den Landesdurchschnitt als Messlatte vorhält, womit sie sich als ländlich-provinziell outet, besagt der zuletzt zitierte etwas verschwurbelte Satz nichts anderes als: Weil in Mannheim früher so viele Sozialwohnungen gebaut wurden, hat sich in Mannheim ein Volk festgesetzt, das zu diesen Sozialwohnungen passt. Hätte man vor und nach dem Krieg nur Einfamilienhäuschen gefördert und gebaut, wäre Mannheim heute nicht so eine hässliche Industriestadt voller Proleten. Allerdings bleibt die Frage offen, wo die ganzen Angestellten und Beamten aus den Einfamilienhäuschen in Mannheim Anstellung gefunden hätten. Dass der wirtschaftliche Aufschwung von Menschen erarbeitet wurde, denen statt guten Löhnen billige Wohnungen gegeben wurden, scheint der CDU entfallen zu sein. So fällt ihr auch nicht auf, dass schon wieder unzählige Menschen eine erhebliche Diskrepanz zwischen ihrem Einkommen und den Kosten des Wohnens beklagen müssen. Die CDU beklagt derweil die Strukturschwäche der städtischen Finanzen.
Von der (potenziellen) Regierung, die sich ein neues Volk sucht
Irgendwie passt die Mannheimer Bevölkerung mit ihrem großen Anteil an Niedirglöhner*innen z.B. im Dienstleistungsbereich und mit den europäischen Binnenimmigrant*innen nicht zur CDU. Deshalb sucht sich diese Partei verzweifelt das Volk, das sie hofft nach der nächsten Wahl regieren zu dürfen. Bloß keine objektgeförderten billigen Wohnungen mit ihren Niedrig- oder inzwischen auch Normalverdiener*innen, sondern in Käfertal Süd, Schönau Nord-West, Wallstadt, Neckarstadt West (wo dort eigentlich?), Friedrichsfeld Süd, Hochstätt viele kleine Einfamilienhäuschen! Dann wird Mannheim zu dem Dorf, das sich die CDU zu regieren zutraut. Mit zwei Autos vor jeder Tür und ohne Trinkerszene.
Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE