Kandel: Rechtes Frauenbündnis kneift kurzerhand – Hunderte gehen für Demokratie, Vielfalt und Antifaschismus auf die Straße (mit Fotogalerie)
Nach Polizeiangaben nahmen am 03.11.18 rund 500 Personen an verschiedenen Kundgebungen und Mahnwachen in der südpfälzischen Kleinstadt teil. Ursprünglich angekündigt waren 17 unterschiedliche Kundgebungen. Drei davon aus dem rechten Spektrum. Die Mehrzahl allerdings von zivilgesellschaftlichen, antifaschistischen/antirassistischen Initiativen und von Parteien. Der Demotag verlief deutlich anders, wie zunächst zu erwarten gewesen wäre.
Versammlungsbehörde der Kreisverwaltung Germersheim greift massiv ein – Polizei versucht Pressefreiheit zu behindern
Verschiedene, bereits Mitte Oktober angemeldete Kundgebungen, wurden von der Behörde nicht an den angemeldeten Orten genehmigt und an Stellen verlegt, die weder in Hör- und Sichtweite des Marktplatzes liegen sollten, geschweige denn dort einen wirksamen Gegenprotest hätten entfalten können. Eilanträge wurden von einem Verwaltungsgericht abgelehnt. Die betroffenen Anmelder sollen erst kommende Woche eine schriftliche Begründung des Gerichts über deren Anwalt zugestellt bekommen. Ein weiterer Negativpunkt auf der Liste der Versammlungsbehörde war in Zusammenarbeit mit Polizeibehörden eine Anzeige von „Unbekannt“ gegen den Kandeler Verbandsbürgermeister Volker Poß. Dieser hatte rund 50 Personen auf sein Privatgrundstück, welches sich auf der ursprünglichen Demoroute des rechten Frauenbündnis Kandel befindet, eingeladen. Angezeigt wurde er wegen des angeblichen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Begründet wurde die Entgegennahme der Anzeige, weil sich Menschen auf dem Bürgersteig vor dem Privatgrundstück befunden hätten, berichten Augenzeugen. Der Landtagsabgeordnete Alexander Schweitzer schreibt auf Facebook zu diesem Vorgang: „Rechtsextreme wollten heute am Privathaus unseres Bürgermeisters Volker Poß und seiner Familie vorbeiziehen. Wir haben uns spontan zur Unterstützung bei ihm getroffen. Ergebnis: Die Rechten haben ihre Route geändert. Und: Versammlungsbehörde bei der Kreisverwaltung Germersheim wird ein paar Fragen beantworten müssen.“
Das PolizeibeamtInnen in Presserecht geschult werden müssen, wurde auch an diesem Tag erneut mehr als deutlich. Zwei der drei Berichterstatter dieser Redaktion wurden mehrfach in Kandel bei der Arbeit behindert. Ein Reporter wurde, nachdem er eine Festnahmesituation fotografisch dokumentiert hatte, umfänglich personaldaten-mäßig überprüft. Diese Überprüfung hinderte den Reporter knapp eine Stunde lang daran seiner Arbeit nachzugehen. Ein weiterer Reporter wurde zweimal von ein und demselben Beamten an unterschiedlichen Orten in Kandel in rüdem Ton zu Recht gewiesen, weshalb er denn seinen Presseausweis nicht öffentlich sichtbarbar tragen würde. Der Hinweis des Reportes, dass der Presseausweis gemäß Presserecht gar nicht öffentlich zu tragen bzw. zu zeigen ist, war dem latent aggressiven Beamten sowohl unbekannt, als auch vollkommen egal. Er drohte (sinngemäß): „Beim nächsten „Vergehen“ werden ihre Personaldaten festgestellt“.
Kurzfristig gekniffen
Nur etwa 150 – 200 TeilnehmerInnen folgten den Aufrufen zu den drei aus dem rechten Spektrum angemeldeten Kundgebungen am Demotag. Das sogenannte Frauenbündnis Kandel, Patrioten NRW und eine weitere Gruppierung standen ziemlich kleinzählig auf dem Marktplatz rum, um ihre migrationsfeindlichen und verschwörungstheoretischen Parolen zu skandieren. Das „Vater unser“ wurde gebetet, bevor es zum Spaziergang losging. Allerdings nicht wie anfänglich geplant auf zwei Routen, sondern die demokratie- und migrationsfeindlichen Spaziergänger und zahlreiche Neo-Nazis wählten kurzerhand einen Weg, wo sie quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit laufen konnten – ohne auf Gehör und größeren Widerstand zu stoßen. Die ursprüngliche Hauptroute des Marco Kurz war nämlich bestens präpariert gewesen von Gegnern seiner monatlichen Aufzüge. Seine Späher, augenscheinlich Vertreter der „Biker für Deutschland“ hatten dies wohl bemerkt.
„Für Demokratie und Vielfalt und gegen Neo-Faschismus und Rassismus“ – CDU-Politiker sind Zaungäste
Über 300 Personen beteiligten sich schlussendlich gemeinsam, um für den Zusammenhalt in der Gesellschaft, für eine Willkommenskultur und eine bunte Vielfalt auf die Straße zu ziehen. Gleichzeitig damit verbunden war der starke Wille die Stimme gegen den aufkeimenden Faschismus in Deutschland zu erheben.
Bei der Auftaktkundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz sprachen u.a. die Landtagsabgeordnete Giorgina Kazungu-Haß und der Wörther OB Dr. Dennis Nitsche deutliche Worte.
„Gewalt gegen Frauen dürfe nicht toleriert werden. Einer Instrumentalisierung solcher Verbrechen die sich ausschließlich gegen männliche Migranten richtet sei entschieden entgegen zu treten. Raus aus der Komfortzone und rechten Kräften nicht die Straße zu überlassen“, so lauteten einige der Statements.
Vom Bahnhof aus ging es in einem großen, farbenfrohen und lauten Demozug auf in die Innenstadt, angeführt von den Oma’s gegen Rechts. Maßgeblich beteiligt am Gegenprotest waren Kandel gegen Rechts, Die Partei und Regionalgruppen der Kampagne Aufstehen gegen Rassismus, sowie diverse antifaschistische Gruppen aus der Region.
Die vielfach im Vorfeld kritisierte Position der CDU in Bezug auf die monatlichen rechtslastigen Aufzüge wurde am Samstag nochmals deutlich. Als Zaungäste beteiligten sich eine Handvoll CDU’ler. Anwesend waren der Landtagsabgeordnete Martin Brandl, Landrat Dr. Fritz Brechtel, der Erste Kreisbeigeordnete Christoph Buttweiler, der CDU-Verbands- und Stadtvorsitzende Michael Niedermeier und Niklas Hogrefe, Vorsitzender der Jungen Union Kandel und stellvertretender Vorsitzender des CDU Stadtverbands in Kandel. Von keinem der CDU-Vertreter war zu erkennen, dass diese sich entschlossen gegen die rechten Aufzüge, die den Ort seit Jahresbeginn belasten, stellten. Sehr rasch machte sich der Begriff „der Niederwixxer ist da“ auf den Straßen und unter den Gegendemonstranten breit.
In Summe erfolgreich konnten die GegendemonstrantInnen den Tag für sich verbuchen. An unzähligen Stellen wurde den Rechten auch diesmal die Ausübung deren Interpretation der Meinungsfreiheit schwer gemacht.
(Bericht: Christian Ratz / Fotos John Brambach, Erik Butz und Christian Ratz)
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